Jahrelang hatte er einen Job, der ihm keinen Spaß gemacht hat. Bis ein Streit mit seiner Tochter alles veränderte. Carsten Zink (50) aus Lippramsdorf sagt: „Es geht mir jetzt viel besser.“
Carsten Zink ist 50 Jahre alt, stammt aus Essen, ist seit Jahrzehnten Wahl-Lippramsdorfer und war mal einer der besten Eishockey-Spieler Deutschlands. 30 Jahre lang hat er Versicherungen verkauft, bis seine Tochter ihm mal unmissverständlich die Meinung gesagt hat - und er sein Arbeitsleben auf links gekrempelt hat.
„Ende 2017 hatte ich immer stärkere Zweifel, ob der Job bei der Versicherung noch der richtige für mich ist“, sagt Zink in der Küche seiner Doppelhaushälfte mitten im Halterner Ortsteil Lippramsdorf. Die besten Verkäufer des Unternehmens sind damals gekürt worden: „Da haben die bei einer Veranstaltung sogar Pokale reingetragen“, erzählt der Familienvater: „Das war eigentlich schon nichts mehr für mich.“
Eine deutliche Ansage der Tochter hat alles verändert
Doch dass er wirklich etwas verändern muss, das hat er erst etwas später realisiert. Es war der August 2018, Familie Zink wollte in den Sommerurlaub fahren, das Auto war schon gepackt. Da schloss sich eine der beiden Töchter im Badezimmer ein, Papa Carsten redete durch die geschlossene Tür auf sie ein. „Da hat sie mir gesagt, dass sie nicht mit mir in den Urlaub will“, erzählt er merklich berührt: „Sie hat mir deutlich zu verstehen gegeben, dass ich kein guter Vater war und immer nur arbeiten und im Stress war.“
Das musste mal raus. Mit einiger Verzögerung sind dann aber doch alle vier Familienmitglieder gemeinsam in die italienischen Alpen gefahren. „Da im Urlaub hab ich mir viel Zeit genommen, um den Kopf frei zu bekommen“, erzählt Zink. In den Bergen entschied er, dass das mit der Arbeit so nicht weitergehen kann. Warum macht er nicht einfach das, was ihm Spaß macht? Die Sache mit den Marmeladen zum Beispiel, die er schon seit Jahren hobbymäßig macht?

Mehr als zehn verschiedene Sorten Marmeladen stellt Carsten Zink in Lippramsdorf her. © Kevin Kindel
„Ich habe schon immer gerne gekocht“, sagt Zink am Esstisch in seiner Küche vor einem Korb mit vielen bunten Gläsern: „Schon auf Kinderfotos sieht man mich mit meiner Oma mit einem Kochlöffel in der Hand.“ Von der Oma hat er auch die ersten Erinnerungen ans Marmeladekochen. Also hat er sich irgendwann daran gemacht, selbst Aufstrich herzustellen.
„Marmelade aus dem Laden war mir immer zu süß oder zu bitter“, sagt Carsten Zink. Er wollte Früchte aus der Region und wenig Zucker verwenden, so ging es los mit ersten Rezept-Experimenten. „Aus einer Schnapsidee entstand so über die Jahre der Gedanke, das Hobby zum Beruf zu machen.“
Kochtöpfe in der Küche, Lager in der Garage
Der Versicherungsmakler hat durchgerechnet, wie riskant der Schritt zu einer eigenen Manufaktur ist, durch zahlreiche Kontakte, die er aus seinem alten Job hatte, kamen aber schnell einige Kunden zusammen. „Angefangen habe ich hier in der privaten Küche“, sagt Zink und zeigt auf das kleine Kochfeld neben der Spüle, wie es bei jeder Familie zu Hause zu finden ist. Alles natürlich vom Gesundheitsamt genehmigt. „Irgendwann kamen dann große Lastwagen in unsere kleine Siedlung, um mir die Marmeladengläser zu liefern. Die Paletten kamen dann einfach in die Garage.“
Inzwischen produziert die Ein-Mann-Marmeladen-Manufaktur „Mabella“ in der Restaurantküche des Hotels Himmelmann in Lippramsdorf. Vormittags, wenn der Restaurantbetrieb noch nicht läuft. Beim Hotel-Frühstück werden die Mabella-Marmeladen serviert, genauso im Halterner Floristik-Café Stiel und Blüte.

So fing alles an: Im kleinen Rahmen kochte Carsten Zink Marmelade in der eigenen Küche. © Mareike Graepel
Schnell wurde Carsten Zinks Arbeit immer professioneller. In diesem Jahr will er 20.000 Gläser Marmelade herstellen, von klassischer Erdbeere bis Bratapfel mit gebrannter Mandel und Marzipan. „Auf dem Halterner Gänsemarkt hat‘s letztes Jahr eingeschlagen wie eine Bombe“, sagt Zink: Rund 600 Gläser Marmelade habe er da verkauft. Bei verschiedenen Startup-Messen und Delikatessenmärkten der Region verkauft Zink seine Gläser, außerdem gibt es sie in Geschäften in Hannover und Düsseldorf.
„Vielleicht muss man ein bisschen bescheuert sein, um an einem Tag 200 Kilo Blaubeeren zu verarbeiten“, sagt der Marmeladen-Mann. „Wenn irgend möglich, ernte ich die Früchte je nach Saison selbst, oder beziehe sie über lokale Bauern.“ Das Geheimnis der Pflaumenmarmelade sei zum Beispiel, die Früchte tagelang einzulegen, damit der Fruchtzucker freigesetzt wird. So müsse man weniger Gelierzucker hinzufügen. Das könnten und wollten große Firmen gar nicht so leisten. Wichtig ist ihm: Lieferungen bitte in Holzkisten, oder Papiertüten, ohne Plastik.
Zusätzlich zu Ernte und Produktion kommt das tagelange Ausprobieren neuer Rezepte. Doch die beiden Töchter Annabelle und Carolin sind inzwischen als Produkttester und Werbemodels mit eingebunden und Carsten Zink sagt mit Blick auf seinen vorherigen Job sichtbar entspannt: „Es geht mir jetzt viel besser.“
Diese Stellen helfen bei der Existenzgründung in Haltern am See
Wenn es um eine Existenzgründung geht, arbeitet die Stadt Haltern eng mit dem Startercenter des Kreises in Recklinghausen sowie - je nach Gründungsvorhaben - mit der Industrie- und Handelskammer Gelsenkirchen-Buer und der Handwerkskammer Münster in der Emscher-Lippe-Region (ebenfalls Gelsenkirchen-Buer) zusammen. „Alle drei Stellen bieten eine qualifizierte Gründungsberatung an“, sagt Maria Lichter vom Fachbereich Wirtschafts- und Standortförderung der Stadt Haltern. „Wir helfen den Interessierten aber auch sehr gerne, bürokratische und formale Hürden zu überwinden.“
Im Schnitt suchen pro Monat zwei Personen mit Gründungsinteresse den Fachbereich Wirtschaftsförderung in Haltern auf, erklärt Lichter. Die Verwaltung könne zum Beispiel bei der Suche eines Ladenlokals oder bei der Anmeldung des Betriebes helfen. Das Startercenter des Kreises bietet Hilfen beim Businessplan, bei Förderanträgen oder zu nötigen Versicherungen.
Kevin Kindel, geboren 1991 in Dortmund, seit 2009 als Journalist tätig, hat in Bremen und in Schweden Journalistik und Kommunikation studiert.

Mareike Graepel ist Journalistin, Autorin und Übersetzerin, seit 2017 selbstständig. Die Mutter von zwei Töchtern lebt teils in Haltern, teils in Irland. Von der Grünen Insel berichtet sie für DEINE KORRESPONDENTIN und die dpa. Am liebsten schreibt sie über Kultur, Gesellschaft und Umwelt.
