Vor zehn Jahren gründete sich die Genossenschaft „LiNa - Leben in Nachbarschaft“ in Haltern, deren Mitglieder sich den Traum vom gemeinsamen Wohnprojekt im Alter verwirklichten. Gisela Funke und Vera Nolting sind schon seit den ersten Schritten der Initiative dabei. Rolf Lönnecke kam 2016 hinzu. Ihren Umzug in das LiNa-Haus am Hennewiger Weg gegenüber der ehemaligen Martin-Luther-Schule haben die drei Vorständler nie bereut. So wie auch die übrigen Mitbewohner, erklärt Vera Nolting, die sich von einem großen Haus in Hullern verabschiedet hat.
Sie selbst habe es als totale Befreiung empfunden, den Ballast loszuwerden. „Ich habe festgestellt, dass man gar nicht so viel braucht“, sagt die 76-Jährige schmunzelnd. Heute sei sie relativ viel unterwegs. Das sei mit großer Immobilie und Garten gar nicht möglich gewesen. Wenn sie doch einmal mehr Kapazitäten braucht, stehen ihr im LiNa-Haus ein Gemeinschaftsraum mit Ausstattung für 40 Personen und auch eine Gästewohnung zur Verfügung.
Nachbarschaftshilfe
Das Gemeinschaftsleben in dem Wohnprojekt beruht auf dem Prinzip der Nachbarschaftshilfe. Auch die Unterhaltung des Hauses erledigen die Mitglieder nach Möglichkeit selbst. Jeder bringe sich nach seinen Fähigkeiten ein, zum Beispiel in der Verwaltung, bei der Gartenpflege oder bei Heizung und Elektrik, erklärt Rolf Lönnecke. Aktivitäten in der Gruppe seien ein Angebot, aber kein Muss. „Eine dauerhafte Pflege können wir allerdings nicht leisten“, stellt der 71-Jährige klar.

Noch heute seien die Bewohner froh darüber, dass das Wohnprojekt so gut vorbereitet worden sei. „Für den Standard haben wir eine super Wohnqualität“, führt Rolf Lönnecke aus. Von Anfang an wurde bei LiNa auf eine nachhaltige ökologische Bauweise gesetzt. Gisela Funke hat im Winter zum Beispiel nur über vier Wochen ihre Wohnung heizen müssen. „Und auch nur das Wohnzimmer sowie das Badezimmer über die Bodenheizung“, sagt sie. Dafür wurde das Projekt unter anderem von der Energie-Agentur.NRW mit der Auszeichnung „Klimaschutzsiedlung NRW“ belohnt.

Seit ihrer Gründung führt die Halterner Genossenschaft eine Bewerberliste für ihre Wohnungen. Ein Belegungsausschuss entscheidet über neue Mitbewohner. Er trägt große Verantwortung, denn das Wohnrecht gilt auf Lebenszeit. Nicht immer passten neue Interessenten zum Haus, berichten Gisela Funke (72) und Vera Nolting. Mancher suchte einfach nur eine günstige Wohnung und sei sich nicht bewusst, dass LiNa auch für eine Lebensphilosophie stehe.
Obwohl das Interesse an der alternativen Wohnform für ältere Menschen in Haltern so groß ist, gibt es bisher kein weiteres Wohnprojekt dieser oder ähnlicher Art in der Stadt. Es sei in Haltern von einer Mehrheit politisch nicht gewollt, sagen dazu die LiNa-Vorständler. Auch der Bau von Sozialwohnungen werde in der Stadt vernachlässigt.
LiNa hatte die Initiative „Buntes Wohnen“ unterstützt, die im Baugebiet Zum Nesberg ein Mehrgenerationenprojekt verwirklichen wollte. Allerdings lehnten es die CDU-, WGH- und FDP-Fraktion ab, dem Bunten Wohnen städtische Grundstücke zum Kauf zu überlassen. Stattdessen entstehen im Nesberg nun Einfamilienhäuser.
Erwerb war ein Glücksfall
Ob es LiNa heute noch gelingen würde, ein städtisches Grundstück mit 3000 Quadratmetern in Fußnähe zur Innenstadt zu erwerben? Schon damals sei der Kauf ein Glücksfall gewesen, sind sich die Genossenschaftler sicher. Vera Nolting erinnert daran, dass es vor dem Hintergrund des Klimawandels künftig auch um ressourcen- und flächenschonende Bauweise gehen muss. Die LiNa-Bewohner hätten eine ganze Reihe großer Häuser und Eigentumswohnungen für junge Familien frei gemacht.
Die Wohnungsgenossenschaft LiNa - Leben in Nachbarschaft in Haltern gründete sich im August 2013. Am Hennewiger Weg entstanden 20 Wohnungen, davon sind zehn sozial gefördert. Die Kaltmiete für die Wohnungen mit Berechtigungsschein in der Größe zwischen 47 qm und 62 qm für ein bis zwei Personen beträgt aktuell 6,95 Euro pro qm (inklusive Passivhauszuschlag). Bei den frei finanzierten Wohnungen zwischen 52 qm und 91 qm sind es 8,70 Euro pro qm.
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