Leben wie in der Thermoskanne: Familie schwärmt vom Passivhaus

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Leben wie in der Thermoskanne: Familie schwärmt vom Passivhaus

rnEnergieeffizient

Antonius und Sigrid Kappe haben ihr Traumhaus gebaut. Sie wohnen heute ohne Heizung komfortabel und umweltfreundlich in einem Passivhaus. Das ist auf besonders harter Schaumdämmung gegründet.

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, 17.03.2022, 15:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Als das alte Nachbarhaus zum Verkauf stand, war für Antonius und Sigrid Kappe klar: Sie wollten es kaufen, abreißen, um dann noch einmal nach ihren Vorstellungen zu bauen. Dabei wohnten sie mit Sohn und Tochter komfortabel in einem 150 Jahre alten Haus mitten im Halterner Ortsteil Lippramsdorf. Doch die beiden hatten besondere Pläne: Sie träumten von einem Passivhaus. Einem Haus, das so gut wie keine zusätzlichen Energiequellen benötigt, um in einer wohligen Wärme zu leben.

Das Haus mit einer Wohnfläche von 174 Quadratmetern steht mitten im Ortskern von Haltern-Lippramsdorf.

Das Haus mit einer Wohnfläche von 174 Quadratmetern steht mitten im Ortskern von Haltern-Lippramsdorf. © Schrief

„Angesichts der jetzt immens steigenden Energiepreise fühlen wir uns in unserer Entscheidung absolut bestätigt“, sagt Antonius Kappe, auch wenn das Haus einen „Ticken“ teurer war als ein konventionelles Haus. Jetzt überlegt er mit seiner Frau Sigrid sogar, das alte Haus ebenfalls umzurüsten. Die Gasheizung soll raus, dafür soll dann mit Geothermie eine Alternative geschaffen werden. Außerdem gibt es große Dachflächen für Solaranlagen. Die erste Anlage ließen Antonius und Sigrid Kappe bereits 1997 installieren. „Es war damals die dritte Anlage in Haltern überhaupt“, blickt der Lippramsdorfer zurück.

Er und seine Frau zogen vor sechs Jahren in ihr Passivhaus nebenan. Heute sagen sie: „Wir würden uns immer wieder für ein Passivhaus entscheiden. Es ist nach wie vor ein Traum, so energieeffizient und umweltfreundlich zu wohnen. Die Entscheidung war goldrichtig!“ Ob das Haus einen Nachteil hat? Beide überlegen eine Weile, sie können nur einen - mit einem Augenzwinkern - benennen: Der Keller ist nie kalt, er hat die gleiche Temperatur wie das ganze Haus von unten bis oben. Zum Kühlen von Speisen und Getränken ist er also nicht geeignet.

Stündlich weht 160 Kubikmeter Frischluft ins Haus

„Passiv“ wird das 174 Quadratmeter große Haus genannt, weil der überwiegende Teil des Wärmebedarfs aus passiven Quellen kommt – also beispielsweise durch Sonneneinstrahlung sowie Abwärme der Bewohner oder Gäste und technische Geräte. Die Gebäudehülle selbst ist dabei weitgehend luftdicht.

Das Haus ist auf besonders harter Schaumdämmung gegründet.

Das Haus ist auf besonders harter Schaumdämmung gegründet. © Schrief

Im Haus sind dreifach verglaste Fenster verbaut, sie lassen weder Vogelgezwitscher noch Verkehrslärm von draußen eindringen. Die Lüftung erfolgt über ein spezielles System, das zwar Abluft nach außen ableitet, die Wärme aber ins Haus zurückführt und stündlich 160 Kubikmeter Frischluft verteilt. „Ich kenne kein Haus, das besser permanent belüftet wird als ein Passivhaus“, sagt Antonius Kappe. „Wir könnten die Fenster öffnen, aber das Bedürfnis haben wir gar nicht“, erzählt Sigrid Kappe aus dem Alltagsleben.

Im Winter liefert ein Kamin als Restwärmeheizung Energie

Im Haus sorgt eine Durchschnittstemperatur von 20 bis 22 Grad für ein angenehmes Wohnklima. Im Winter liefert ein Kamin als aktive Restwärmeheizung Energie. Vier Raummeter Holz verbraucht die Familie pro Jahr. Über diesen Kamin, der - erinnernd an die dörfliche Historie - auf alten Kacheln aus dem abgerissenen Haus steht, wird warmes Wasser aufbereitet. Sobald die Sonne scheint, übernehmen die Kollektoren der Solaranlage auf dem Dach das Aufheizen.

Ein Foto aus der Bauphase zeigt den Wohn- und Essbereich.

Ein Foto aus der Bauphase zeigt den Wohn- und Essbereich. © Schrief

Vom Sockel bis zum Dach wurde das Haus rundum gedämmt, sodass weder Wärmebrücken noch Undichtigkeiten Energie entweichen lassen. Das Haus steht auf extrudiertes Polystyrol, einem besonders gut isolierenden Dämmstoff. Darauf liegt zur klassischen Bewährung eine 25 Zentimeter dicke Betondecke. Das Prinzip seines Passivhauses vergleicht Antonius Kappe mit einer Thermoskanne. Im Winter innen warm und außen kalt, im Sommer außen warm, innen kühl.

Verfahrenstechniker tüftelte lange an den Bauplänen

Wie effizient es ist, erklärt Antonius Kappe am Beispiel des Heizbedarfs: Zehn Watt pro Quadratmeter sind nötig, im früheren Wohnhaus waren es 130 bis 150 Watt pro Quadratmeter. „Wir verbrauchen heute fünfzehn Mal weniger Energie als früher“, zitiert Antonius Kappe aus seiner Statistik. An Strom sind es 3000 Kilowattstunden pro Jahr, 2000 davon holen Kappes vom Dach. „Zu 66 Prozent sind wir autark.“

Für das neue Passivhaus wurde ein altes Haus abgerissen.

Für das neue Passivhaus wurde ein altes Haus abgerissen. © Privat

Antonius Kappe ist Verfahrenstechniker, er tüftelte mit seiner Frau lange an den Plänen. Beide sind zu Baumessen in ganz Deutschland gefahren, um sich kundig zu machen. Allen, die sich für ein Passivhaus entscheiden, rät er dazu, sich vorab genügend Fachwissen anzueignen. Familie Kappe hat 15 Prozent mehr Baukosten in Kauf genommen. Aber sie fühlt sich superwohl in ihrem Haus. Antonius und Sigrid Kappe sagen: „Wir würden immer wieder genauso bauen.“