Gnadenhof für Katzen steht vor dem Kollaps „Wir können nicht mehr helfen“

Katzengnadenhof steht vor dem Kollaps: „Das ist eine seelische Belastung“
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Sie wuseln über das Gelände, machen es sich auf dem Kratzbaum oder einem Kissen gemütlich. Auf dem Katzengnadenhof in Haltern können sich die Tiere frei bewegen. Doch es gibt ein Problem: Die Tierhilfe Marl/Haltern ist maßlos überfüllt.

Denn neben alten und kranken Katzen leben zurzeit 32 Kitten (Jungkatzen) auf dem Hof. Die ältesten sind zwölf Wochen alt. „In diesem Jahr ist das wahnsinnig extrem“, betont Silvia Berger-Bergedick. Die 64-Jährige kümmert sich um die Finanzen. Sie ist seit 14 Jahren dabei.

Momentan seien sämtliche Einrichtungen in Deutschland überbelegt. Ob Kitten, Fund- oder Abgabetiere. „Das ist in der Masse einfach nicht mehr zu bewältigen. Und Kitten gehören nicht auf einen Gnadenhof“, sagt erste Vorsitzende Simone van Meerbeck.

Kitten kuscheln sich zusammen auf ein großes Kissen.
Ein Rekord - 32 Kitten leben zurzeit auf dem Katzengnadenhof in Haltern. © Julia Müller

Schuld seien vor allem die Corona-Pandemie und die gestiegenen Kosten. Da sind sich die zwei Ehrenamtlichen einig. Besitzer hätten sich Katzen angeschafft, die Tiere nicht kastriert und sie dann laufen lassen.

Appell an die Halter

Dabei sei eine Kastration äußerst wichtig. Ein Beispiel: Eine trächtige Mutter brachte drei Mädchen und einen Jungen auf die Welt. Ohne Kastration hätte der Kater seine Geschwister geschwängert. Passt das Team nicht auf, tummeln sich schnell, je nach Rasse, vier bis sieben Katzen mehr auf dem Hof herum.

Unter den Tieren befinden sich auch Fund- oder Abgabetiere. Oft ist das Tier krank oder inkontinent. Solche Katzen sind schwer, bis gar nicht vermittelbar. „80 Prozent würden ohne uns eingeschläfert werden“, sagt Silvia Berger-Bergedick. Sie leben bis zu ihrem Tod bei der Tierhilfe in Haltern am See.

Jetzt hat der Katzengnadenhof einen Aufnahme-Stopp verhängt. Denn seit Ende April platzt er aus allen Nähten. Die Warteliste ist lang. Derzeit kann eine neue Katze aber nur kommen, wenn eine andere geht. Durch Vermittlung oder Tod.

Eine Anfrage ablehnen, das fällt den Ehrenamtlichen besonders schwer. Doch momentan kommen die sogar aus Ennepetal oder Oberfranken.

Ehrenamtlern kommen die Tränen

„Wir können nicht mehr helfen“, betont Simone van Meerbeck. Die Geschichten der Menschen berühren, viele sind schlichtweg verzweifelt. „Es ist für uns eine seelische Belastung, ‚Nein‘ zu sagen.“

Oft wisse das Team nicht, was schlussendlich mit den Katzen passiert. Setzen die Besitzer das Tier aus, wird es verhungern und nicht überleben. „Dann weint man schon“, so die 58-Jährige.

Asterix liegt im Arm von Simone van Meerbeck.
Asterix freut sich über die Kuscheleinheiten von Simone van Meerbeck. Schwarze Katzen haben es bei der Vermittlung besonders schwer. © Julia Müller

Finanzielle Unterstützung bekommt der Verein nur durch Spenden sowie eine Paten- oder Mitgliedschaft. Darüber hinaus stellen sie verschiedene Aktionen auf die Beine. Einmal im Monat findet beispielsweise das „Schnurrcafé“ statt.

Schlaflose Nächte

Futter, Miete, Strom oder der Tierarzt - alles hat sich erhöht. Allein im Juli musste die Aktive Tierhilfe Marl/Haltern 10.000 Euro für Tierarztkosten aufbringen. „Je mehr Tiere, desto mehr Kosten. Wir haben schlaflose Nächte“, betont Silvia Berger-Bergedick.

Die erste Vorsitzende bestätigt die große Belastung: „Wir nehmen unsere Sorgen mit nach Hause. Wenn es so bleibt, sehe ich schwarz.“ Denn obendrauf kommt der Personalmangel.

Knapp eine Handvoll Helfer besucht mehrmals die Woche den Katzengnadenhof. Andere sind berufstätig, können die Früh- (ab 9 Uhr) oder Spätschicht (bis 19.30 Uhr) nicht komplett abdecken. „Wir brauchen ein paar rüstige Rentnerinnen und Rentner“, so die Kassenführerin. „Das nimmt den Druck raus.“

Zu den Aufgaben zählen das Füttern der Katzen, das Verabreichen von Medikamenten, das Säubern der Katzenklos und natürlich eine Portion Kuscheleinheiten. „Es sind kleine Kuschelmonster“, sagt van Meerbeck.

Katzen bleiben auf der Strecke

Ein weiteres Problem ist das Einfangen der Streuner. Seit das Streunerkatzen-Projekt Haltern eingestellt wurde, ist der Hof auf die Hilfe befreundeter Vereine angewiesen.

Zusammenfassend sei die aktuelle Situation eine Katastrophe. Die alten und kranken Katzen, für die der Gnadenhof eigentlich zuständig ist, bleiben auf der Strecke. Doch Silvia Berger-Bergedick betont: „Wenn das Herz dranhängt, kämpft man jeden Tag.“

Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 14. August 2023.

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