In diesem Bus ist alles anders Halterner Bürgerbus fährt seit fünf Jahren

Halterner Bürgerbus fährt seit fünf Jahren in der Seestadt
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Erika Roters steigt am Kärntner Platz in den Halterner Bürgerbus ein. Sie will zur Lohausstraße. „Ich wohne dort in der Nähe“, sagt die Seniorin. „Zur Fuß oder mit dem Rad schaffe ich den Weg in die Halterner Innenstadt nicht mehr. Der Bürgerbus ist ein Segen, er kam für mich wie gerufen.“

Seit fünf Jahren verkehrt der Halterner Bürgerbus in der Seestadt, er fährt in zwei Schleifen um die Innenstadt. An seiner Route liegen unter anderem Kärntner Platz und Rekumer Straße, das Sixtushospital, mehrere Friedhöfe und Einkaufsgelegenheiten. Nach langer Vorbereitungsphase absolvierte er am 4. November 2017 seine „Jungfernfahrt“. Ein erster Versuch, bereits 1995 einen Bürgerbusbetrieb in Haltern zu starten, war zunächst im Sande verlaufen.

Idee aus dem Seniorenbeirat

Die Aktivitäten zur Reaktivierung des seit 1995 noch bestehenden alten Bürgerbusvereins gingen 2015 zunächst vom Seniorenbeirat der Stadt aus. Es gab zeitgleich Bestrebungen, Bürgerbusverbindungen auch zu den Ortsteilen zu schaffen, etwa nach Hullern oder Lavesum. Vor allem in Hullern gab es viele Aktive, die sich dafür einsetzten. Diese Linie ließ sich aber nicht realisieren: Bürgerbusbetrieb ist nur möglich, wo es keinen regelmäßigen Linienbusverkehr gibt.

Werner Mohr ist erster Vorsitzender des Bürgerbusvereins und fährt regelmäßig den Bus.
Werner Mohr ist erster Vorsitzender des Bürgerbusvereins und fährt regelmäßig den Bus. © Jürgen Wolter

2016 wurde auf einer Jahreshauptversammlung beschlossen, den alten Verein zu reaktivieren. Ein neuer Vorstand wurde gewählt und nahm sofort die Aktivitäten auf. Er sorgte dafür, die Voraussetzungen für den Betrieb zu schaffen, an dem die Stadt mit einer Bürgschaft für eventuelle Ausfälle, das Verkehrsministerium des Landes NRW mit Zuschüssen für die Anschaffung des Busses und für den Verein und die Vestische Straßenbahnen GmbH als Lizenznehmer und verkehrsrechtlich Verantwortlicher beteiligt sind.

Den Betrieb gewährleistet der Bürgerbusverein, der mit 40 bis 45 ehrenamtlich tätigen Fahrerinnen und Fahrern im Einsatz ist. Werbepartner, Fördermitglieder und Sponsoren sichern nachhaltig den dauerhaften Betrieb des Bürgerbusses.

Rund 37.000 Fahrgäste

Anfang Juni dieses Jahres freute sich der Bürgerbusverein, dass der 33.333. Fahrgast gezählt werden konnte. Inzwischen dürften es rund 37.000 sein. Vorrangig, aber durchaus nicht ausschließlich, nutzen Senioren den Bus für die Fahrt zum Einkaufen, zum Arzt oder auch für Besuche bei Freunden und Verwandten.

„Ich bin mehrmals in der Woche mit dem Bürgerbus unterwegs“, sagt Sabine Dreschmann-Tonn. Und auch Alexander Kerstan nutzt ihn regelmäßig. „Wenn es ihn nicht gäbe, müsste man ihn erfinden“, finden die beiden.

Busfahren mit dem Halterner Bürgerbus, das ist anders als in sonstigen öffentlichen Verkehrsmitteln. Der Bus, ein umgebauter Mercedes Sprinter, verfügt über acht Sitzplätze. Man muss sich anschnallen, wenn man Platz nimmt. Nicht jeder Fahrgast ist so beweglich, dass ihm das auf Anhieb gelingt. Dann bieten die Fahrer ihre Hilfe an.

Sie verzurren auch Rollatoren, Einkaufswagen oder Gepäck. Dabei entstehen zwangsläufig Gespräche. Und die regelmäßigen Fahrgäste kennen sich inzwischen. „Da steht ja meine Sabine an der Haltestelle“, sagt Sabine Dreschmann-Tonn und prompt kommt man miteinander ins Gespräch.

Gisela Weide war im Januar 2018 der 1000 Fahrgast des Bürgerbusses
Gisela Weide war im Januar 2018 der 1000 Fahrgast des Bürgerbusses. Sie ist noch heute regelmäßig mit dem Bus unterwegs. © Bürgerbus (Archiv)

Bürgerbusfahren ist kommunikativ. Das merkt man schnell, wenn man eine Runde mitfährt. An der Feldstraße kommt es zu einer kniffligen Verkehrssituation. Die Straße ist auf einer Seite zugeparkt. Ein Pkw biegt in Gegenrichtung ein. Der Bürgerbus kommt nicht mehr vorbei und passt auch nicht in die Lücken zwischen den geparkten Autos. Der Pkw-Fahrer schaltet auf stur und reagiert nicht.

Prompt bekommt er die Kommentare der Fahrgäste ab: „Ich würde mal zurücksetzten, sonst wird das hier nichts“, sagt ein Fahrgast. Irgendwann hat es auch der Pkw-Fahrer begriffen. Und es wird spekuliert, ob ein Mann oder eine Frau darin saß. „Natürlich ein Mann“, sagt Sabine Dreschmann-Tonn. „Da hätte ich wetten können.“

Viele schmale Straßen

An diesem Morgen steuert Werner Mohr, der erste Vorsitzende des Bürgerbusvereins, den Bus. Er passiert viele schmale Straßen in Wohngebieten. Man merkt: Man muss schon ein geübter Fahrer sein, um alle Situationen gefahrlos zu meistern.

„Es passiert uns leider auch immer wieder, dass Pkw an den Hauptstraßen nicht halten, wenn wir nach links blinken und in den Verkehr einscheren wollen“, sagt Hans Kirschbaum, beim Bürgerbusverein für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig. „Eigentlich müssten sie das, wie bei den großen Bussen auch.“

Am 4. 11 2017 startete der Bürgerbus am Bahnhof Haltern.
Vor der ersten Fahrt: Am 4.11.2017 startete der Bürgerbus am Bahnhof Haltern. © Jürgen Wolter (Archiv)

Der Bürgerbus steuert 29 Haltepunkte an 25 Haltestellen an. In jeweils 50 Minuten hat er beide Schleifen durch Haltern geschafft. „Am Kärntner Platz halten wir insgesamt drei Mal. Wir haben die Routen nach ersten Erfahrungswerten angepasst, um dem Bedarf gerecht zu werden“, sagt Hans Kirschbaum.

Jeweils Mittwoch- und Samstag-Nachmittag fährt der Bürgerbus nicht. „Diese Termine nutzen wir für Wartungsarbeiten, Desinfizieren des Busses, eventuelle Reparaturen, TÜV-Termine etc.“, so Hans Kirschbaum. Der Bürgerbus hat inzwischen über 130.000 Kilometer auf den Halterner Straßen absolviert. „Reparaturen sind immer wieder mal fällig“, so Kirschbaum.

Gegen Ende der Fahrt kommt es noch zu einer „Bürgerbus-typischen“ Situation: Eine Frau bemerkt beim Einsteigen, dass sie keine Corona-Schutzmaske hat, die in öffentlichen Verkehrsmitteln Pflicht ist. „Kein Problem, ich hab‘ welche dabei“, leistet Alexander Kerstan spontan Hilfe. „Vielen Dank, dann kann ich doch mitfahren“, lautet die Antwort. Bürgerbusfahren ist eben einfach etwas anders.

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