Energiekosten explodieren Halterner Firmen erwarten Planungssicherheit von der Politik

Steigende Energiekosten: Unternehmer hoffen auf Hilfe der Politik
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Fast täglich gibt es Schlagzeilen zu gestiegenen Gas und Strompreisen. Hiobsbotschaften machen die Runde, von denen besonders Betriebe mit erhöhtem Gas- und Stromverbrauch betroffen sind. So zum Beispiel die Halterner Firma Cirkel. Unter hohen Temperaturen werden hier unter anderem Baustoffe hergestellt. Dafür müssen die Autoklaven Tag und Nacht auf rund 200 Grad Celsius erhitzt werden.

Julian Cirkel, Geschäftsführer des Unternehmens: „Wir haben an unseren fünf Standorten insgesamt 200 Mitarbeiter. Wir fertigen Produkte aus Kalk, Sand und Wasser, sogenannte Kalziumsilikathydrat-Produkte. Das sind zum einen die Baustoffe und zum anderen Granulate, die unter anderem als Katzenstreuvorprodukt verwendet werden.“ Der Energieverbrauch der Firma ist hoch: „Also hier am Standort verbrauchen wir 30 bis 40 Millionen Kilowattstunden Gas. Das ist unser wesentlicher Energieträger. Dazu kommen nochmal circa 4 bis 6 Millionen Kilowattstunden Strom.“

Trotzdem versucht Cirkel, das Gas möglichst effektiv zu nutzen. Prokurist Holger Müller erklärt das Vorgehen: „Zum Härten unserer Produkte benötigen wir Wasserdampf, den wir in einem großen Dampferzeuger produzieren. Da benötigen wir das Erdgas für und wir lassen dann diesen Wasserdampf in einen Autoklav über, wo die Rohlinge dann gehärtet werden. Und die effiziente Maßnahme ist, dass wir den Dampf nach einer fertigen Härtekesselreise dann wieder in einen weiteren Kessel überlassen zum Härten der nächsten Kesselreise.“

Die ersten springen von Aufträgen ab

Beim Gang durch den Betrieb wird klar: Die Herstellung von Baustoffen läuft auf Hochtouren, doch die derzeitige Planungsunsicherheit beeinflusst den Umsatz. Besonders die Investoren von Eigenheimen, unter anderem junge Familien, haben die Auftragsvergabe bis auf Weiteres aufgeschoben.

Die Autoklaven auf dem Firmengelände von Cirkel.
Die Autoklaven auf dem Firmengelände von Cirkel verbrauchen viel Energie. © Deckenhoff

„Im Segment des Einfamilienhausbaus merken wir schon eine gewisse Beruhigung und auch einen Rückgang. Gott sei Dank ist der Geschosswohnungsbau davon in dem Maße noch nicht betroffen“, zeigt sich Julian Cirkel erleichtert. Da viele Kunden einen großen Vorlauf bei ihren Aufträgen haben, ist er optmistisch, dass Cirkel erstmal gut ins nächste Jahr starten kann. „Allerdings ist natürlich eine große Unsicherheit über die Entwicklung im nächsten Jahr insgesamt zu spüren.“

Auf dem Lagerplatz türmen sich die Kalk-Sandsteine. Radlader sind dabei, die bestellten Steine abholbereit zu lagern. Alles läuft hier planmäßig. Die Ankündigungen der Bundesregierung, jährlich 400.000 neue Wohnungen bauen und fördern zu wollen, scheinen in der Bauindustrie die Aufträge im Mietwohnungsbau am Laufen zu halten. Auch bei der Firma Cirkel. Dennoch hoffen die Betriebe, dass sehr bald bekannt gegeben wird, welche Unterstützungen es geben soll.

Von der Politik fehle die Klarheit

Julian Cirkel: „Es gibt eine Empfehlung der Gaspreis-Kommission, bei der erstmals überhaupt auch Industrieunternehmen in den Fokus genommen wurden. Allerdings ist das nach wie vor nur eine Empfehlung. Es gibt also keine Planungssicherheit. Wir wissen nicht, ob diese Empfehlungen seitens der Politik umgesetzt werden, und das muss jetzt ganz dringend geschehen.“

Auch für Brot, Brötchen und sonstige Backwaren wird Energie benötigt. Bäckermeister Berthold Brinkert beliefert Filialen in Haltern am See und anderen Orten mit seinen Backwaren. Obwohl sich sein Energieverbrauch durch ein modernes, nachhaltiges Ofensystem zurzeit noch in Grenzen hält, befürchtet er ab Januar ebenfalls massiv steigende Energiekosten.

Berthold Brinkert in seiner "Berthold's – Der Naturbäcker"-Filiale auf der Rekumer Straße in Haltern.
Berthold Brinkert in seiner "Berthold's – Der Naturbäcker"-Filiale auf der Rekumer Straße in Haltern. © Benjamin Kübart

Berthold Binkert hat vorgesorgt. Er verlässt sich nicht nur auf das öffentliche Energieversorgungsnetz. Bereits seit einigen Jahren hat er auf dem Dach seiner Bäckerei eine großflächige Photovoltaikanlage installiert.

Berthold Brinkert: „Wir haben aktuell elf Filialen und circa 85 Mitarbeiter. Wir brauchen relativ wenig Gas für eine Bäckerei, da wir ein sehr modernes, nachhaltiges Ofensystem haben, mit dem wir sehr ressourcenschonend sind.“

Unabhängig dank Photovoltaik

„Tagsüber können wir uns komplett autark bewegen. Das heißt, wir brauchen keine Energie zukaufen, sobald es hell ist. Der größte Wechsel der Kosten ist ja zum 1. Januar, weil dann die neuen Tarife, neuen Preise bei den meisten Bäckereien greifen.“ Trotzdem wurden die Bäcker in den vergangenen Monaten mit steigenden Kosten konfrontiert: „Über den Sommer und Herbst sind die Rohstoffe und die Lohnerhöhungen bei den Bäckern ganz deutlich ins Gewicht geschlagen. Und wir wissen alle, wir laufen darauf zu, dass die Energiekosten natürlich auch extrem steigen.“

Obwohl Binkert Verteuerungen vermeiden will, ganz lassen sich die Preissteigerungen nicht umgehen, denn auch die Preise für die Rohstoffe sind angestiegen. Er fordert von der Bundesregierung einen Puffer beziehungsweise eine Energiebremse.

Binkert: „Wir erhoffen uns, dass es für die Handwerksbäckereien einen Puffer gibt, wie es zum Beispiel in der Corona-Situation für die Gastronomie und Restaurants gab, damit man sich auf die neue Situation längerfristig vorbereiten kann.“