„Hatten Ihre Mandanten keine Lust zu kommen?“, fragt die Richterin süffisant und wendet sich der Klägerseite zu. Rechtsanwalt Alexander Liese sitzt alleine am Tisch. „‘Lust‘ ist da nicht das richtige Wort“, sagt er. Der Anwalt vertritt die Eheleute Kuchel, Betreiber des Strandlokals „Treibsand“ am Silbersee II in Haltern.
Auf der anderen Seite sitzt der Angeklagte Boris Riek, Geschäftsführer der Halterner Silbersee Vermietungsgesellschaft. Neben ihm sein Anwalt. Doch in der Gerichtsverhandlung am Donnerstagmorgen (1.6.) am Amtsgericht Marl wird der größte Redeanteil bei Boris Riek selbst bleiben.
Vor Gericht soll es eigentlich um eine einstweilige Verfügung und das Verbreiten von Unwahrheiten im Internet gehen. Aber immer wieder schweifen die beiden Parteien im Laufe der 45-minütigen Sitzung ab. Am Ende gibt es keine Einigung, kein direktes Urteil. Aber dafür gab es einen hitzigen Wortwechsel.
Widerspruch eingelegt
Doch wieso kam es überhaupt zu dem Prozess? Ein Streit zwischen Eigentümer und Pächter des „Treibsand“ war dem Ganzen vorausgegangen. Kurz vor dem 1. Mai hat Boris Riek den Eingang des Restaurants zugenagelt. „Dauerhaft geschlossen“ stand auf mehreren Schildern rund um das Areal. Diese Nachricht verbreitet er weiter im Internet und in den sozialen Medien.

Die Betreiber reagierten mit einer einstweiligen Verfügung. Ohne Begründung hat Boris Riek Widerspruch eingelegt. Sein Anwalt trägt jetzt die Gründe vor: Zum 1. Januar 2023 habe die Halterner Silbersee Vermietungsgesellschaft das Pachtverhältnis mit den Eheleuten Kuchel gekündigt. Gebäude und Inventar sind immer noch im Bestand der Vermietungsgesellschaft. „Erlaubnis zum Gebrauch wurde nie erteilt“, sagt der Anwalt von Boris Riek.
Die Richterin ist irritiert. „Die Räumung über den zivilgerichtlichen Weg wäre dann richtig gewesen“, sagt sie. Die Art, wie Boris Riek reagiert und gehandelt hat, bezeichnet sie als „kalte Räumung“.
Sie zieht einen Vergleich: Wenn ein Vermieter seinen Mietern rechtens gekündigt hat, die sich aber weigern, die Wohnung zu räumen, dann darf der Vermieter nicht einfach den Zutritt zur Wohnung verwehren oder das Wasser abstellen. „Sie hätten den Eingang nicht zunageln dürfen“, sagt die Richterin bestimmt.

„Boris Riek geht es nicht um die Sache. Sonst wäre er den Zivilrechtsweg gegangen“, sagt Rechtsanwalt Alexander Liese. „Die Motive dahinter? Die lassen sich nur erahnen, aber das ist auch nebensächlich.“ Dem Rechtsanwalt geht es in dieser Sitzung nicht um das Pachtverhältnis. Ihm geht es um die wahrheitswidrigen und geschäftsschädigenden Nachrichten im Internet: Riek verbreitet, dass der Betrieb am „Treibsand“ eingestellt wurde - allerdings läuft der ganz normal weiter.
Boris Riek geht es um die Unterschlagung und Veruntreuung seines Gebäudes und Inventars. Das Zunageln des Eingangs begründet er so: „Ich habe den Zugang verwehrt, um weitere Straftaten zu verhindern.“ Konkreter wird er nicht.
Keine gütliche Einigung
Welche Rechte wem zustehen, das kann die Richterin aus dem Stand nicht genau sagen. Immer wieder verwechselt sie im Protokoll Ankläger mit Angeklagten und ist von der Pächter-Eigentümer-Konstellation irritiert. „Ich müsste das erörtern“, sagt sie. Eigentlich hatte sie sich ein anderes Ende erhofft: eine gütliche Einigung.
Das kommt für Boris Riek nicht infrage. Er gibt sich selbstbewusst, kennt sich in seinem Metier aus und schmeißt mit juristischen Begriffen um sich. Statt seines Anwalts redet er die meiste Zeit. „Ich bin nicht der Depp, der im Internet einfach was verbreitet“, sagt er. „Das gerichtliche Verfahren soll die Lage erörtern. Das sind Straftäter, mit denen werde ich mich nicht einigen.“
„Dann können wir das hier auch verkürzen“, sagt die Richterin. „Ich hab gleich sowieso noch eine Schulung.“ Doch statt die Verhandlung zu beenden, wird das nächste Fass geöffnet. „Es ist ja nicht nur das ‚Treibsand‘, sondern auch der Maui Beach Club. Wer betreibt die?“, fragt Boris Riek den Anwalt der Gegenseite. „Wer steht im Impressum?“
Alexander Liese stellt sich unwissend. Wer im Impressum auf der Internetseite des Maui Beach Clubs steht, das könne er aus dem Stand nicht beantwortet. „Stellen Sie sich doch nicht dümmer als Sie sind!“, wird Boris Riek laut.

Die „Becker und Mühlen GbR“ sei dort aufgeführt, erklären Riek und sein Anwalt und weisen die Richterin deutlich darauf hin, dass diese Namen im Protokoll auftauchen sollen.
Wieder driftet der Fokus der Verhandlung ab. Gehört der Maui Beach Club zum Objekt? (Riek: „Aus unserer Sicht existiert das gar nicht.“) Ist das „Treibsand“ geöffnet oder nicht? (Riek: „So einfach ist das nicht zu beantworten.“) Schließlich diktiert die Richterin das Protokoll in ihr Aufnahmegerät. Wieder hapert es an einigen Stellen, was an der undurchsichtigen Situation liegt.
Nach 45 Minuten ist Schluss
„Die Richterin hat sich nicht in die Karten gucken lassen“, sagt Rechtsanwalt Liese vor dem Amtsgericht, nachdem die Verhandlung beendet wurde. „Aber ich bin sehr zufrieden.“ Er erwartet, dass es relativ schnell ein Urteil geben wird.
Boris Riek will am Ende der Verhandlung kein Statement mehr abgeben. „Meine Haltung ist heute klar geworden“, sagt er.
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