Bunker in Haltern Geschichte des grauen Klotzes beginnt lange vor dem Krieg

Heimatforscher zum Luftschutzbunker: Historie beginnt lange vor dem Krieg
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Mitten in Hullern steht der Betonquader. Direkt neben der Feuerwache in der Schulstraße wächst der Hochbunker aus dem Boden. Efeu rankt an den Außenwänden hoch und versucht, das übermächtige Grau zu bedecken. Der Bunker erinnert an vergangene (Kriegs-)Zeiten. Und mahnt zugleich.

Aber wer war für dieses schäbige Bauwerk eigentlich verantwortlich? Und wen sollte es schützen? Der Hullerner Heimatforscher Johannes Schild kennt die Historie.

Der 79-Jährige war zwar noch ein Baby, als der Bunker gebaut wurde. Doch die Erzählungen von Eltern, Schwiegereltern und Mitbürgern hat er nicht vergessen. Sie gehen ihm sehr nah. Die tragischen Ereignisse des Zweiten Weltkriegs sind bis heute unfassbar.

Johannes Schild hat lange geforscht und auch alte Zeitungsartikel der Halterner Zeitung gesammelt. „Der Bunker wurde in den Jahren 1943/44 von Dienstverpflichteten der NS-Organisation ,Todt‘ gebaut“, sagt er. Dass dies ausgerechnet an der Schulstraße/Am Knapp geschah, hat einen guten Grund. „Denn der Ursprung der Bunker-Geschichte liegt viel weiter zurück.“ Er ist eng verwoben mit dem Hullerner Kinderheim.

Das Kinderheim wurde damals ganz in der Nähe des Ehrenmals (Bildmitte) in Hullern gebaut.
Das Kinderheim wurde damals ganz in der Nähe des Ehrenmals (Bildmitte) in Hullern gebaut. © privat (A)

Dieses war nach dem Ersten Weltkrieg in der Nähe des Ehrenmals entstanden. Besonders Kinder in den Ruhrgebietsstädten litten damals unter Mangelernährung und schlechter Luft. Sie sollten sich in den Sommermonaten auf dem Lande erholen können, befanden konfessionelle Verbände und Kommunen.

Viele Hullerner Frauen ließen sich in dem Kinderheim zur Köchin ausbilden und arbeiteten anschließend dort. Im Bild rechts ist die Großmutter von Johannes Schilds Ehefrau Ursula (geborene Niehues) zu sehen.
Viele Hullerner Frauen ließen sich in dem Kinderheim zur Köchin ausbilden und arbeiteten anschließend dort. Im Bild rechts ist die Großmutter von Johannes Schilds Ehefrau Ursula (geborene Niehues) zu sehen. © privat (A)

Die Stadt Herne richtete 1919 in dem Halterner Ortsteil zunächst eine provisorische Ferienkolonie für Kinder ein - unter anderem in einem Schulraum und im alten Spritzenhaus. 1921 wurde dann am östlichen Dorfrand auf einem gepachteten Grundstück das Heim gebaut. Heute steht dort die Hullerner Schule.

Auf dieser Zeichnung sind Ehrenmal (unten), Kinderheim und die beiden zusätzlich gebauten Gebäude (Mitte) sowie der Hochbunker (oben) genau zu erkennen.
Auf dieser Zeichnung sind Ehrenmal (unten), Kinderheim und die beiden zusätzlich gebauten Gebäude (Mitte) sowie der Hochbunker (oben) genau zu erkennen. © privat (A)

Von der Militärverwaltung war damals eine Doppelbaracke erworben worden. Zu vierwöchigen Kuren kamen ab Mai jeweils bis zu 80 Kinder. Mit dem Bau von zwei massiven zweistöckigen Häusern wurde die Anlage 1928/29 erweitert.

Schluss im Jahr 1931

Wie Johannes Schild berichtet, hatten sich viele Hullerner Frauen in diesen Jahren in dem Kinderheim zur Köchin ausbilden lassen und anschließend dort gearbeitet. Auch die Großmutter seiner Ehefrau Ursula (geb. Niehues) ist auf einem Foto aus alten Zeiten zu sehen. 885 Kinder hatten sich in Hullern erholt, als das Heim im Herbst 1931 aus finanziellen Gründen geschlossen werden musste.

Diese beiden Gebäude stehen heute noch an der Schulstraße. Sie zählten damals zum Kinderheim.
Diese beiden Gebäude stehen heute noch an der Schulstraße. Sie zählten damals zum Kinderheim. © privat (A)

Die „Interessengemeinschaft für Arbeit und Siedlung“ brachte anschließend bis zu 120 junge Arbeitsfreiwillige unter, die in den Borkenbergen den Heideboden urbar machten. 1934 wandelte die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV) die Einrichtung in eine Erholungsstätte für Mütter aus Herne und Wanne-Eickel um.

SA und SS

Im Juli 1943 beginnt dann die Geschichte des Bunkers. Mitten im Krieg wurde das Müttererholungsheim von der Leitung der SA-Gruppe Westfalen beschlagnahmt und ein Befehlsstand eingerichtet.

Zum Teil in geheimer Mission, hielten sich in diesen letzten Kriegsjahren hier SA-Mitglieder und Mitglieder des Stabes und der SA in Dortmund sowie Angehörige des SS-Regiments „Feldherrnhalle“ und Beamte der Regierung Münster, alle Funktionsträger in leitender Position, mit ihren Mitarbeitern auf. Sie waren aus den bombengefährdeten Städten aufs Land geflohen.

Der Hullerner Heimatforscher Johannes Schild zeigt Bildmaterial aus alten Zeiten.
Der Hullerner Heimatforscher Johannes Schild, hier mit Ehefrau Ursula, hat noch Bildmaterial aus alten Zeiten. © Ingrid Wielens

Zum Schutz dieses Personenkreises vor den auch in Hullern zunehmenden Bombenangriffen wurde der eingeschossige Bunker 1943/44 gebaut. Die ungebetenen, aber herrschenden „Gäste“ nahmen den unteren Gebäudeteil ein, der wegen der gut ein Meter dicken Außenwände besonders sicher war. Im oberen, dünnwandigeren Trakt dagegen gewährte man auch der Hullerner Bevölkerung Unterschlupf. Rund 50 Menschen fanden im ersten Stock Platz.

Mit Kinderwagen zum Bunker

Johannes Schild war damals gerade geboren. „Wir wohnten an der Kirche“, berichtet er. Seine Eltern erzählten ihm, wie die Mutter bei Fliegeralarm mit dem kleinen Johannes im Kinderwagen zum Bunker rannte. „Auch mein Schwiegervater suchte dort Schutz“, sagt er. Vom Ehrenmal aus sei er einmal in Panik herübergerannt und gestürzt. „Er hatte sich bei dem Sturz ein Bein gebrochen.“ Den Bunker erreichte er humpelnd. Johannes Schild hält inne.

Und einmal, da hätten die Alliierten beim Rückflug alle restlichen Bomben über Hullern abgeworfen. „Sämtliche Dächer wurden abgedeckt.“ Schild weiß von Luftminen im angrenzenden Feld und von abgeworfenen Bomben, zwischen denen die Kinder, auch sein zwei Jahre älterer Bruder Bernhard, spielten.

„Es war eine schlimme Zeit“, sagt Johannes Schild, als sein Blick in die Ferne schweift. „Das war schon immens.“

Rouven Lojack zeigt den Schlüssel des Bunkers.
Rouven Lojack von der Stadtverwaltung Haltern hat die Schüsselgewalt über den Luftschutzbunker in Hullern. © Ingrid Wielens

Ein einziges Mal hatten die Hullerner Bürger den Bunker ganz für sich allein: Zwei Tage vor dem Einmarsch der Amerikaner, am Gründonnerstag 1945, als amerikanische Panzer in Haltern und auch Hullern einrollten, setzten die SA- und SS-Schergen sich in Richtung Lüdinghausen ab. Schild: „Als die Amerikaner am Bunker eintrafen, wunderten sie sich, dass nur noch Hullerner dort waren.“

Verkauf

Nach dem Krieg verkaufte die Stadt Herten ihr Grundstück. Die Wiedereinrichtung des Heims und die „Entmilitarisierung“ des Hochbunkers erschien ihr zu teuer.

Im August 1949 kaufte die Gemeinde Hullern das gesamte Objekt für 24.000 Mark. Die Baracken wurden abgerissen und 1958 eine neue Schule gebaut. Die beiden vom Heim übriggebliebenen Häuser wurden später ebenfalls verkauft und stehen bis heute an der Schulstraße.

Hier sind die beiden Gebäude zu erkennen, die 1928/29 als Erweiterung des Kinderheims entstanden sind.
Die beiden Gebäude, die 1928/29 als Erweiterung des Kinderheims entstanden, gibt es heute noch. © Ingrid Wielens

Für den Bunker indes gibt es kaum noch eine Verwendung. Die Feuerwehr ist froh, hier ihre Übungen unter Atemschutz durchführen zu können. Dominik Schild, Neffe von Johannes Schild und Leiter der Löscheinheit Hullern, sieht den Bunker prädestiniert für die fingierten Einsätze im Rahmen der Grundausbildung der Feuerwehrleute. Nebelmaschinen machen dann jegliche Sicht unmöglich.

„Man tastet sich langsam voran“, erklärt Dominik Schild. Da der Bunker leer steht, bestehe keine Verletzungsgefahr bei den Übungen.

Der Hullerner Feuerwehrchef Dominik Schild steht vor dem Bunker.
Dominik Schild ist Leiter des Hullerner Löschzugs. Die Feuerwehr nutzt den Bunker für Übungen unter Atemschutz, bei denen auch Nebelmaschinen zum Einsatz kommen. © Ingrid Wielens

Die Stadt Haltern wird den grauen Klotz auch künftig der Feuerwehr zur Verfügung stellen. Pläne mit dem mahnenden Bauwerk hat sie ohnehin nicht. „Ein Abriss wäre viel zu kostspielig“, teilt Sprecherin Sophie Hoffmeier mit. Wahrscheinlicher sei ein Verkauf. Aber wer könnte schon an einem Luftschutzbunker interessiert sein?

Der Hullerner Luftschutzbunker ist der einzige Hochbunker in städtischem Eigentum.

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