Stephanie Löer leitet das DRK-Familienzentrum in Sythen. „Auf dem Papier sind wir gut besetzt“, sagt sie. „Wenn nichts Besonderes passiert.“ Was der Gesetzgeber hinsichtlich der Personalausstattung in den Kitas vorsehe, werde voll ausgeschöpft. Im Schnitt fallen zwei Erzieher/-innen auf 20 Kinder.
Doch die Zahl der Mitarbeiter reiche bei Weitem nicht für eine anspruchs- und verantwortungsvolle pädagogische Arbeit aus, erklärt Alina Moors, Leiterin des Martin-Luther-Kindergartens. „Der Personalschlüssel ist unhaltbar.“
An diesem Morgen analysieren sieben Leiterinnen von Halterner Kindertageseinrichtungen die aktuelle Situation. Wenn alle Kolleginnen und Kollegen ganz normal im Dienst sind, läuft alles nach Plan, sagen sie. Sobald aber eine Mitarbeiterin wegen Krankheit, Urlaub, Schwangerschaft oder Fortbildung ausfalle, werde es eng. Dann müsse mit den verbleibenden Fachkräften jongliert werden, damit das Angebot aufrechterhalten werden kann.
Ausfälle
Oft wird auch gekürzt. Dann fällt der Naturgang, das Turnen, der Singkreis oder die Bildungswerkstatt aus. „Das ist Tagesgeschäft“, sagen die Pädagoginnen.
Immer wieder auch müssen Gruppen zusammengelegt oder gar Notgruppen eingerichtet werden. „Jede Woche ist mindestens eine Kita in Haltern im Betreuungsangebot eingeschränkt“, sagen die Leiterinnen.
Im Extremfall geht die mangelhafte Personalbesetzung zu Lasten der Öffnungszeiten. Eva Garschagen kann das städtische Familienzentrum Conzeallee aktuell nur von 7 bis 16 Uhr statt wie sonst bis 17 Uhr für alle Kinder öffnen. Die letzte Stunde wird nur noch im Notbetrieb gearbeitet.
„Wir haben eigentlich zehn Stunden am Tag geöffnet“, erklärt die Leiterin. Durch einen Langzeit-Krankenschein und unbesetzte Stunden fehlten aber aktuell zwei Vollzeitstellen. Die fehlenden Stunden können nur im Umfang einer halben Stelle von Kolleginnen aufgefangen werden.
Kürzere Öffnungszeiten
Der Arbeitsdruck nimmt zu: Um das Personal zu entlasten, reduzieren alle drei städtischen Kitas im Sommer ihre wöchentliche Betreuungszeit von 50 auf 48 Stunden. Freitags wird dann bereits um 15 statt um 17 Uhr geschlossen.

Mareike Zaun von der Kita St. Andreas in Hullern hat wie die anderen Leiterinnen auch Verständnis für die Eltern, die wegen ihrer Berufstätigkeit auf verlässliche Kindergartenzeiten angewiesen sind. Fallen Betreuungszeiten aus, sehen sich die Erzieherinnen nicht selten mit enttäuschten oder gar wütenden Reaktionen konfrontiert. „Da werden auch Krallen ausgefahren“, heißt es.
„Natürlich sind die Eltern nicht begeistert, wenn etwas ausfällt“, sagt Zaun. „Wir machen das aber nicht aus Spaß.“ Den Erzieherinnen bleibe bei Engpässen keine andere Möglichkeit.
Im Spannungsfeld
Der Arbeit mit den Eltern komme dann große Bedeutung zu. „Wir müssen darauf achten, dass die Erziehungspartnerschaft nicht bröckelt“, erklärt die Hullerner Kita-Leiterin. Allerdings zeigten viele Eltern auch Verständnis für die Arbeit der Erzieher/-innen, die sich im Spannungsfeld zwischen Kindern, Trägern, Eltern und gesetzlichen Vorgaben bewegen müssen.
Ohne das „unheimlich engagierte Personal“, das sich gebunden und verantwortlich fühle, sei die Situation in den Kitas nicht zu retten, sind sich alle einig. Überstunden würden bereitwillig gemacht. „Aber auch die müssen abgefeiert werden“, meint Jutta Schulz von der städtischen Kita in Sythen. „Ein Teufelskreis.“
Ausdrücklich wird betont, dass die Träger ihre Möglichkeiten voll ausschöpften. „Aber auch ihnen sind die Hände gebunden.“ Das Kinderbildungsgesetz (KiBiz) schreibt die Bedingungen vor.
Warteliste bei Kitaplätzen
Als unbefriedigend und belastend wird auch die Versorgung mit Kitaplätzen empfunden. „Immer noch finden zu viele Eltern keinen Platz für ihre Kinder“, sagen die Expertinnen.
In Haltern gibt es lange Wartelisten. Besonders betroffen sind die unter Dreijährigen (U3). Denn seit Bestehen des Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz ab dem ersten Lebensjahr (August 2013) und aufgrund geänderter gesellschaftlicher Bedingungen haben sich die Anforderungen an die Kindergärten deutlich geändert, die gesetzlichen Bedingungen für die Kitas dagegen nicht. Beispielsweise werde immer noch an den veralteten Altersgruppen-Typen festgehalten.
„Kinder kommen heute viel früher in den Kindergarten. Wir haben viel zu wenig U3-Plätze“, kritisiert Daniela Grothusmann.
Bei den Ü3-Gruppen ist der Bedarf dagegen nahezu vollständig gedeckt. „Im Vergleich zu den Nachbarstädten steht Haltern gut da“, meint Johanna Laß, die als Fachberaterin Kindertagesstätten beim Jugendamt der Stadt tätig ist.
Die unzureichende Versorgung mit U3-Plätzen bestätigt sie. Auch der Bau einer weiteren Kita, die im Sommer 2024 in den Katharinenhöfen ihre Arbeit aufnehmen soll, werde dieses Problem nicht lösen. „Wir werden dann viel zu wenig Kinder über drei Jahren haben, um die vorgegebenen Gruppentypen zu füllen“, betont Laß. Somit gebe es eigentlich nur die Möglichkeit, die Kindertagespflege mit Hilfe von Tagesmüttern weiter auszubauen.
Eltern müssen auch in Kauf nehmen, dass ihrer Wahl der bevorzugten Kita nicht entsprochen wird. Kinder aus Haltern-Mitte beispielsweise haben einen Kita-Platz in Hullern oder Lippramsdorf. „Für die Eltern ist diese Situation noch lange nicht zufriedenstellend“, unterstreicht Mareike Zaun. Das bekommen die Fachkräfte dann wiederum zu spüren.
Eltern besorgt
Auch sei die Sorge, überhaupt keinen Kita-Platz für das Kind zu bekommen, weit verbreitet. „Teilweise rufen mich schwangere Frauen an, die einem Platz für ihr noch gar nicht geborenes Kind beantragen wollen“, erklärt Stephanie Löer vom DRK-Familienzentrum in Sythen.
Bildungsauftrag nicht erfüllt
Ihren Bildungsauftrag sehen die Erzieherinnen in den Kitas nicht erfüllt. Die Entwicklung musischer, ethischer, sprachlicher, motorischer, aber besonders auch sozialer und sozial-emotionaler Fähigkeiten könne aufgrund der Rahmenbedingungen nur eingeschränkt gefördert werden. „Ich möchte endlich mal wieder uneingeschränkt pädagogische Arbeit leisten“, wünscht sich Alina Moors. Schließlich lege die Kita den Grundstein fürs Leben.
„Stattdessen nehmen die Anforderungen an die Erzieher stetig zu“, sagt Christina Diekenbrock von der Kita Holtwick. Mehr Personal gibt es trotzdem nicht.
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