Es waren Wochen voller Angst: Im Prozess gegen eine psychisch kranke Frau aus Haltern hat am Donnerstag die Mutter der 27-Jährigen ausgesagt. Was sie den Richtern am Essener Landgericht erzählte, ist traurig.
Die Tochter hatte ihr ganzes Leben lang zu kämpfen. Sie sprach nur wenig, wurde gemobbt, kam in der Schule nicht klar. Immer wieder kam sie in die Kinder- und Jugendpsychiatrie nach Marl-Sinsen. Einmal war sie mit einem Messer auf eine Lehrerin losgegangen, mal stand sie auf dem Schuldach, um herunterzuspringen. Im Mai vergangenen Jahres brachen dann alle Dämme.

„Wir hatten solche Angst“, sagte die Mutter den Richtern. „Sie war plötzlich ein ganz anderer Mensch.“ Die 27-Jährige nahm Drogen, wurde immer aggressiver. Auf die Vorhaltungen der Eltern reagierte sie immer ungehaltener. „Wenn ich hier nichts mehr darf, fackel‘ ich die Bude ab“, soll sie ihrer Mutter einmal gesagt haben. „Ich steche euch alle ab.“
Ihre Tochter soll damals „außer Rand und Band“ gewesen sein. „Sie war völlig unzugänglich und unberechenbar.“ Immer wieder war sie damals von der Polizei aufgegriffen worden, randalierte auf der Wache in Marl, schlug und trat nach den Beamten. „Und in der Psychiatrie in Herten wollte man ihr nicht helfen“, so die Mutter.
Das bestätigte auch eine Polizistin. Sie hatte die 27-Jährige nach einem Einsatz in einer Tankstelle in Lavesum erst zur Wache nach Marl mitgenommen. Dort ordnete ein Amtsarzt die Unterbringung in der Psychiatrie an. „In Herten kamen wir aber gar nicht rein“, sagte die Polizistin bei ihrer Zeugenvernehmung.
„Eine Oberärztin hat uns sofort abgewiesen.“ Es liege keine Krankheit vor, soll sie gesagt haben. Darauf habe man die 27-Jährige, die zuvor auch die Polizisten geschlagen, getreten und mit dem Tode bedroht hatte, wieder gehen lassen müssen. Die Abweisung in der LWL-Klinik hat auch die Richter irritiert. „Ich bin ein bisschen entsetzt“, so Richter Jörg Schmitt.
Bestrafung nicht möglich
Das Essener Schwurgericht geht davon aus, dass die junge Frau aus Haltern damals so schwer krank war, dass sie nicht einmal bestraft werden kann. Sie gilt als komplett schuldunfähig. Insgesamt werden der 27-Jährigen über 20 Straftaten vorgeworfen.
Einmal soll sie mit einer Hartplastik-Scherbe auf einen Klinik-Mitarbeiter losgegangen sein, ein anderes Mal hatte sie in einer Werkstatt für Behinderte in Dülmen Feuer gelegt. In der Tankstelle in Lavesum war sie am 2. Juni vergangenen Jahres aufgetaucht. Als sie keinen Schnaps und keine Zigaretten bekam, weil sie kein Geld hatte, soll sie die Mitarbeiter bedroht und angegriffen haben. Dabei soll auch dieser Satz gefallen sein: „Ich zünde hier alles an.“ Der Prozess wird fortgesetzt.