„Haltern ist keine Insel der Glückseligen“ Stadt baut den Kinderschutz massiv aus

„Keine Insel der Glückseligen“: Stadt baut den Kinderschutz massiv aus
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Es waren unfassbare Fälle von Kindesmissbrauch in Lügde, Münster, Wuppertal und Bergisch Gladbach, die das Land NRW veranlasst haben, viel Geld bereitzustellen und das Kinderschutzgesetz auszubauen. Jugendämter sollen befähigt werden, frühestmöglich einzugreifen.

Dazu verpflichtet die Landesregierung die Kommunen zur Schaffung einer Koordinierungsstelle für das Netzwerk Kinderschutz. Jugendamt, Jugendtreffs, Kitas, Schulen, Ärzte, Kliniken, Gesundheitszentren, Polizei - kurz: Alle Akteure, die irgendwie mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben, sollen sich in diesem Netzwerk kurzschließen.

In Haltern ist die Koordinierungsstelle zum 1. Januar 2023 eingerichtet worden. Besetzt wird sie von Johanna Laß.

Erste Ansprechpartnerin

Aktuell baut die 28-Jährige, die zuvor als Leiterin der Kita Holtwick tätig war, das Netzwerk auf. „Wir haben in Haltern viele Arbeitskreise und -gruppen, die sich mit Belangen von Kindern und Jugendlichen beschäftigen“, erklärt Laß. Beispielsweise die Arbeitskreise Frühe Hilfen, Jugend und Schule oder die AG 78.

Man habe auch vorher schon in Kontakt gestanden, räumt sie ein. „Jetzt aber wollen wir die Arbeitskreise intensiver zusammenführen, Hilfen ausbauen und Dienste bündeln.“ Für die Halterner Bevölkerung will Johanna Laß erste Ansprechpartnerin sein. „Wir wollen ein niedrigschwelliges Angebot für die Bürger sein.“ Soll heißen: Schnelle und unbürokratische Hilfe ist garantiert.

„Dschungel-Wegweiser“

„Johanna Laß wird auch als Dschungel-Wegweiser dienen“, sagt Boris Waschkowitz, Leiter des Allgemeinen Sozialen Dienstes (ASD) und stellvertretender Jugendamts-Leiter. Allein der ASD umfasse eine Vielzahl von Aufgaben. Angefangen bei der Beratung in schwierigen familiären Lebenssituationen über die Unterstützung in Familien- und Jugendgerichtsangelegenheiten bis hin zur Hilfe zur Erziehung nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz. Für den Bürger ist das nur schwer zu überschauen.

Auch der Bereich Frühe Hilfen, der eher präventiv tätig ist, zählt zum neuen Netzwerk. „Solange die persönlichen und familiären Ressourcen größer sind als die Gefährdungsmomente, werden wir aktiv“, beschreibt Susanne Dammann ihren Tätigkeitsschwerpunkt. Dammann hatte bereits das Netzwerk Frühe Hilfen aktiviert. Dieses wird künftig wohl mit dem Netzwerk Kinderschutz zusammengelegt werden.

Ein Kind verschränkt seine Arme vor seinem Kopf.
Vielen Kinder geht es nicht gut. Damit das rechtzeitig auffällt und Jugendämter bei Bedarf eingreifen können, wenn Eltern versagen, hat das Land das Kinderschutzgesetz erweitert. © dpa

Die Vernetzung aller im Kinder- und Jugendbereich aktiven Ämter, Einrichtungen, Behörden und Verbände sei zwar in Haltern schon recht gut, führt Boris Waschkowitz aus. „Es gibt aber Optimierungsbedarf“. Vor vielen Jahren habe man dagegen noch recht isoliert gearbeitet.

Aufgaben verändern sich

Kinderschutz sei immer ein dynamischer Prozess, gibt er zu bedenken. Beispielsweise sei Kinderpornografie vor 20 Jahren kein so großes Thema wie heute gewesen. Inzwischen verschickten Schüler per WhatsApp Fotos mit pornografischen Inhalten. Das gelte auch für Haltern.

Die Corona-Pandemie wirkt sich ebenfalls auf die Arbeit der Kinderschutzbeauftragten aus. „Seit der Krise klagen viele Schüler über Ängste oder Depressionen“, weiß Susanne Dammann. Nicht zuletzt auch der Ukraine-Krieg verunsichere kleine und junge Menschen stark. Hier gehe es dann auch um die Vermittlung einer angemessenen medizinischen und/oder psychologischen Therapie.

Sensibilisierte Bürger

Auch die Bürger seien zunehmend sensibilisiert für Kinderschutz-Belange. Sie melden sich beim Jugendamt, wenn sie Sorgen um das Wohl von Kindern aus ihrem Umfeld machen.

„Wir leben hier nicht auf der Insel der Glückseligen“, verrät ASD-Chef Waschkowitz. In Haltern gebe es durchaus Fälle von Kindesmissbrauch, „wie in anderen Städten auch“. Allerdings seien die Probleme in der Seestadt „noch handhabbar“.

Am 19. April tagt das Netzwerk, zunächst noch unter dem Namen Frühe Hilfen. „Dann kommen wir erstmals alle zusammen“, sagt Johanna Laß. Danach soll es regelmäßige Treffen des neuen Kinderschutz-Netzwerks geben. „Wir planen Vorträge zu relevanten Themen“, sagt sie. Alle Vertreter sollen darin zu Wort zu kommen. „Damit jeder die Arbeit der anderen kennt und ein Gesicht zu den jeweiligen Instanzen hat.“

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