27-Jährige nach Ausrastern verurteilt „Schlimm, wie mit ihrer Krankheit umgegangen wurde“

„Schlimm, wie mit ihrer Krankheit umgegangen worden ist“
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Diese Aggressivität hat selbst die Polizisten geschockt: Vor rund einem Dreivierteljahr hat eine junge Frau in Haltern, Marl und Herten für große Angst gesorgt. Sie stieß Morddrohungen aus, ging auf Beamte und Klinikpersonal los, legte Feuer. Am Mittwoch ist die 27-Jährige verurteilt worden. Bestraft werden konnte sie allerdings nicht.

Die Richter am Essener Landgericht haben die Frau auf unbestimmte Zeit in die geschlossene Psychiatrie eingewiesen – zum Schutz der Allgemeinheit. „Dass Sie gefährlich sind, liegt auf der Hand“, sagte Richter Jörg Schmitt bei der Urteilsbegründung an die Adresse der 27-Jährigen, die dabei nickte.

Halten die Frau aus Haltern weiter für gefährlich und unberechenbar: Die Richter am Essener Schwurgericht.
Halten die Frau aus Haltern weiter für gefährlich und unberechenbar: die Richter am Essener Schwurgericht. © Jörn Hartwich

Es war Anfang Mai 2024, als es kein Halten mehr gab. Immer wieder musste die Polizei anrücken, weil die 27-Jährige selbst ihre Eltern angegriffen und mit dem Tode bedroht hat. Außerdem war sie mit einer Plastikscherbe auf einen Klinik-Mitarbeiter losgegangen, hatte auf der Wache in Marl randaliert und in einer Behindertenwerkstatt einen Brand gelegt.

Einer der Polizisten hatte im Prozess gesagt: „Einen solchen körperlichen Widerstand habe ich bei einer Frau noch nicht erlebt.“ Die 27-Jährige war kaum zu bändigen, musste fast bei jedem Einsatz an Händen und Füßen gefesselt werden. Mehrere Beamte und andere Personen wurden durch Tritte und Schläge verletzt.

Diagnose falsch gestellt

Hintergrund der Taten ist eine hirnorganische Persönlichkeitsstörung, die schon seit der Geburt existiert. Diagnostiziert wurde sie während des Prozesses jedoch zum ersten Mal. Vorher hatten die Ärzte die Frau mal als „dissozial“ und mal als „schizophren“ bezeichnet. Dabei handelte es sich nach Angaben eines vom Gericht hinzugezogenen Psychiaters jedoch um Fehldiagnosen.

Die Klinik in Herten hatte die Aufnahme der Frau im vergangenen Jahr nach Angaben der Polizei sogar einmal verweigert, weil eine dortige Ärztin die 27-Jährige nicht als krank eingestuft hatte. Dazu sagte Richter Schmitt beim Urteil: „Wir finden es bedauerlich und schlimm, wie mit ihrer Krankheit umgegangen worden ist.“

Auf „kindlichem Niveau“

Was die extrem aggressive Phase im vergangenen Jahr offenbar noch verschlimmert hat: Die 27-Jährige war über Facebook an zwei Männer geraten, die sie an Drogen herangeführt haben. Als Gegenleistung bekamen sie Sex, zu dem die als komplett schuldunfähig eingestufte Frau offenbar aber auch bereit war.

Im Prozess war die junge Frau, die sich nach Angaben eines Psychiaters auf einem „kindlichen Niveau“ befindet und leicht zu beeinflussen und zu verführen ist, übrigens nicht mehr wiederzuerkennen. Die Richter bezeichneten sie als „ruhig“ und „sympathisch“. Die bereits begonnene Behandlung scheint offenbar anzuschlagen.