Wochenlang bestimmten die Streiks im Öffentlichen Dienst die Nachrichtenlage. Die Gewerkschaften Verdi und EVG legten zeitweise weite Bereiche des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs lahm, um ihren Tarifforderungen Nachdruck zu verleihen.
Das führte bei Gewerkschaften auch in Haltern zu Neueintritten. Das ist zunächst nichts Ungewöhnliches, denn bekanntermaßen steigen nach Tarifkonflikten immer die Eintrittszahlen. Der Gesamttrend der Mitgliederentwicklung der Gewerkschaften ist dagegen seit Jahrzehnten rückläufig.
Aber diesmal ist einiges anders als sonst. „Man spürt als Gewerkschafter, dass der Gedanke der Solidarität und des Zusammenhalts in der Gesellschaft wieder mehr zählt“, sagt Patrick Lojack, der Vorsitzende der Ortsgruppe Haltern der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie, IGBCE. „Und das hat nicht nur mit dem Streik und der öffentlichen Präsenz der Gewerkschaften in den Medien zu tun.“

Spätestens seit Beginn der Ukrainekrieges beobachtet Lojack diese Tendenz. „Gewerkschaften haben sich viel an Spendenaktionen beteiligt. Außerdem spüren die Menschen die Teuerungen und die hohe Inflationsrate und sehen, dass Gewerkschaften dazu beitragen, Lohnforderungen durchzusetzen. Das kommt gut an und bringt auch uns Zulauf.“
Die IGBCE Haltern hat relativ konstant rund 1.500 Mitglieder. „Seit Januar verzeichnen wir monatlich etwa 10 Neueintritte“, sagt Patrick Lojack. „Zwar verlieren wir auch Mitglieder aus Altersgründen, aber Austritte verzeichnen wir nahezu gar nicht.“
Corona, Ukrainekrieg, Inflation
Noch deutlicher spürt Bernd Dreisbusch diesen aktuellen Trend. Dreisbusch ist Geschäftsführer des Bezirks Mittleres Ruhrgebiet der Gewerkschaft Verdi, die durch die Streikaktionen besonders in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt ist. „Seit Januar dieses Jahres haben wir im Bezirk 1.500 Neueintritte“, sagt Dreisbusch.

50.000 Mitglieder hat Verdi im Bezirk mittleres Ruhrgebiet, zu dem auch Haltern gehört, 20.000 davon arbeiten im Öffentlichen Dienst. „Es gab mehrere Phasen, beginnend mit Corona, die den Stellenwert der Gewerkschaften verändert haben“, sagt Dreisbusch. Ukrainekrieg und Teuerungswelle seien weitere Punkte, die dazu geführt haben, dass sich der Stellenwert der Gewerkschaften geändert habe.
Erwartungen übertroffen
Auch die Teilnahme an den Maikundgebungen habe das bestätigt. „Sie lag überall deutlich über unseren Erwartungen“, sagt Dreisbusch. „Allerdings ist durch die Tarifforderungen auch ein hoher Erwartungsdruck entstanden.“
Bundesweit zählt Verdi seit Beginn des Jahres insgesamt 70.000 neue Mitglieder. Eine solche Größenordnung habe es „seit Menschengedenken“ nicht gegeben, sagte Verdi-Vorsitzender Frank Wernicke unlängst in einem ZDF-Interview.
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