Lara Breuer ging mit Germanwings-Opfern zur Schule „Ihr seid unvergessen“

Lara Breuer ging mit Germanwings-Opfern zur Schule
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Wenn sich Lara Breuer (26) an ihre Schulzeit in Haltern am See erinnert, gehören viele schöne Erlebnisse dazu, aber auch eine der größten Tragödien in der deutschen Luftfahrtgeschichte. Als die Germanwings-Maschine mit 149 Opfern an Bord in den südfranzösischen Alpen zerschellte, wurden aus der Mitte ihrer Jahrgangsstufe am Joseph-König-Gymnasium 18 Menschen gerissen.

Der 24. März 2015 sei ein ganz normaler Schultag gewesen, erinnert sich die junge Frau an jenen Schicksalstag, der ganz Haltern in Schockstarre versetzte. Plötzlich sei die Durchsage erfolgt, dass der Unterricht vorzeitig beendet sei. „Wir sind dann auf den Schulhof gegangen“, hat Lara Breuer noch vor Augen. Dort hätten sich die ersten Nachrichten vom Flugzeugabsturz und dem betroffenen Spanischkurs aus Haltern ihren Weg gebahnt. Schülerinnen und Schüler seien in Tränen ausgebrochen.

Zu Hause sei sie von ihrer tief betroffenen Mutter empfangen worden. Die ersten verstörenden Bilder waren im Fernsehen zu sehen. Später habe sie sich mit ihrem Freundeskreis getroffen, um über das Unfassbare zu sprechen. Mitten in einer Zeit der persönlichen Suche und Herausforderung begegneten die 15 und 16 Jahre alten Jugendlichen in Haltern dem Tod in seiner brutalsten Form. Sie haben einander Halt gegeben, um nicht die Orientierung zu verlieren.

Kerzenmeer vor dem Joseph-König-Gymnasium in Haltern nach dem Germanwings-Absturz.
Kerzenmeer vor dem Joseph-König-Gymnasium © Florian Wilms (A)

„Wir haben Kerzen an der Schule aufgestellt und viel Zeit miteinander verbracht“, berichtet Lara Breuer. Das mediale Aufgebot in Haltern sei damals fast erdrückend gewesen. Vor der Schule hatten sich die Aufnahmewagen der internationalen Medien aufgebaut. Die Kameras und Lichter lieferten sich ein Wettrennen um die besten Bilder. Dabei wollten die Schülerinnen und Schüler nichts mehr als Ruhe und Raum für ihre Trauer.

Plötzlich war alles anders

Es sei damals gut gewesen, dass der Unterricht erst einmal ausgesetzt wurde und eine ganze Reihe von Seelsorgern gesprächsbereit an der Schule war, sagt Lara Breuer rückblickend. Sie selbst musste besonders verarbeiten, dass Linda und Rabea nie mehr von ihrer Reise nach Spanien zurückkehren würden. Gemeinsam mit den beiden Mädchen hatte die damals 16-jährige Lara die Patenschaft über eine 5. Klasse übernommen, um den Neuen an der Schule die Eingewöhnung zu erleichtern.

Plötzlich waren ihre Freundinnen nicht mehr da. „Das kann man mit Worten nicht beschreiben“, fühlt sie heute der Situation von damals nach. Rabea wollte ihr ein Armband aus Spanien mitbringen. Stattdessen hütet Lara Breuer heute einen Herzstein mit der Flugnummer der Unglücksmaschine 4U9525, den sie selbst von einer Reise gemeinsam mit anderen Jugendlichen nach Le Vernet mitgebracht hat.

Schneebedeckte Berge in der Nähe der Absturzstelle der Germanwings-Maschine in Le Vernet.
Bei ihrem Besuch in Frankreich stand für die Schülergruppe aus Haltern die schöne Landschaft in der Region um Le Vernet in krassem Gegensatz zu dem brutalen Geschehen. © privat

Etwa ein Jahr nach der Katastrophe fuhren 25 Halterner Jugendliche, die ihre besten Freundinnen und Freunde verloren hatten, gemeinsam mit dem damaligen Schulleiter Ulrich Wessel und weiteren Lehrkräften im Bus nach Südfrankreich. Sie wohnten auf einem Campingplatz, wanderten zur Absturzstelle, besuchten den Gedenkraum und den Friedhof in Le Vernet, ließen Trauer und Tränen freien Lauf, spürten aber auch die Tragfähigkeit der Gemeinschaft sowie die Kraft und die Zuversicht der Jugend.

Bei der Abifeier 2017 ließ die Jahrgangsstufe Raketen für die 14 verstorbenen Schülerinnen, die beiden Schüler und Lehrerinnen steigen. „Es sollte ein Zeichen sein, dass sie nicht vergessen sind“, sagt Lara Breuer. Bedeutender noch als womöglich für andere Abiturjahrgänge wartete eine neue Lebensphase darauf, gemeistert zu werden. Sie selbst promoviert gerade an der Klinik für Nuklearmedizin in Essen und hofft, später Menschen mit ihrem Wissen helfen zu können.

Gedenken zum zehnten Jahrestag

Über WhatsApp ist die gebürtige Sythenerin weiterhin mit den meisten ehemaligen Mitschülerinnen und Mitschülern verbunden. Zum zehnten Jahrestag wird sie gemeinsam mit ihrer Familie und Florist Ludger Stegemann wie in den Vorjahren dafür sorgen, dass im Namen der Abiturienten von 2017 auf allen Halterner Gräbern der Opfer des Germanwings-Absturzes Gestecke verteilt werden. Das „Ihr seid unvergessen“ soll auch am zehnten Jahrestag gelten.

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