
© Silvia Wiethoff
FDP-Bürgermeisterkandidat Torsten Dederichs: „Mutige Politik für alle Bürger“
Interview zur Kommunalwahl
Torsten Dederichs kandidiert am 13. September für das Bürgermeister-Amt. Neuorganisation der Verwaltung, alternative Schulformen, mehr Bürgerbeteiligung - das sind einige seiner Themen.
Am Künstlerhof Lavesum vorbei führt ein sandiger Weg sanft hinauf in die Felder. Hier haben Spaziergänger beides im Blick: Ihr Dorf und die wunderbare Natur. Am schönsten Aussichtspunkt treffen wir uns mit dem FDP-Bürgermeisterkandidaten Torsten Dederichs. Er hatte sich diesen Ort für das Gespräch gewünscht.
? Warum haben Sie ausgerechnet diesen Treffpunkt gewählt?
Torsten Dederichs: Hier fühle ich mich einfach wohl. Vor gut einem Jahr bin ich hier zufällig mit unserem Hund eine Runde gegangen und habe mich wegen der schönen Aussicht auf die Bank gesetzt. Seitdem komme ich immer wieder vorbei. Hier ist alles grün, ruhig und zugleich habe ich das Dorf im Blick - das ist einfach wunderbar.
? Ihnen gefällt Lavesum und überhaupt Haltern. Aber Sie sagen auch: Die Weiterentwicklung Halterns ist ins Stocken geraten, wir müssen Haltern besser machen. Was genau meinen Sie damit?
Wenn man sich die Berichte der letzten Wochen und Monate anschaut, dann finde ich Haltern tatsächlich ein bisschen mutlos. Wir lassen uns treiben von den Baulücken-Paragrafen. Wir diskutieren immer wieder aufgeregt, dass zu große Häuser gebaut werden. Das Gleiche gilt für die Windkraftanlagen, die in Haltern fast überall gebaut werden dürfen. Ich finde, die Stadt lässt sich zu viel Zeit. Das ist etwas, was mir persönlich nicht so gut gefällt. Wir sollten Bürgerwünsche aufschreiben, wie denn Häuser gebaut werden dürfen, wie Nachverdichtung stattfinden sollte. Und wir müssen festlegen, wo die Windkraftanlagen stehen dürfen. Das wären die wichtigsten Verbesserungspunkte, um ein bisschen Ruhe und Frieden in die Stadt zu bringen. Ich möchte eine mutige Politik für alle Bürger gestalten.
? Was muss sich dafür in der Stadtverwaltung ändern?
Ich komme ja aus der Wirtschaft, da habe ich festgestellt, dass die Organisation der Prozesse wichtig ist. Also, wie man zusammenarbeitet. Wenn man die hergebrachte Arbeitsweise nur digitalisiert, dann hat man die alten traditionellen Prozesse, nur digital. Man hat viel Geld ausgegeben, hat aber irgendwie das Alte, nur elektronisch. Wir müssen den ersten Schritt anders machen: Wir müssen uns die Zusammenarbeit und die Arbeitsprozesse anschauen, nach Verbesserungen suchen und erst dann mit der Digitalisierung anfangen. Eine Haltern-App kann man schnell machen. Wenn man aber Richtung E-Government denkt, dann muss erst der menschliche Faktor in der Verwaltung angegangen werden.

Zur Arbeit in der Verwaltung sagt Torsten Dederichs: „Es geht darum, Prozesse aufzubrechen, die über viele Jahre unverändert fortgesetzt wurden.“ © Silvia Wiethoff
? Sie wünschen sich ebenso mehr Offenheit zwischen Politikern und Bürgern. Wie wollen Sie das erreichen, wenn schon jetzt kaum jemand die Ausschüsse und Ratssitzungen besucht?
Den Begriff Bürgerbeteiligung kann man durchaus viel weiter fassen. Wenn ich beispielsweise Richtung Sportvereine oder Kirche gucke, dann sehe ich, dass dort viel Engagement drinsteckt. Die Menschen, die sich engagieren, prägen ihr Umfeld. Das ist das höchste Level, das man an Bürgerbeteiligung erreichen kann. Die Mitglieder setzen sich für ihre Themen ein und interessieren sich dafür. Und jeder Verein ist demokratisch organisiert. Dass die echte Politik im Stadtrat nicht ganz so präsent ist, mag vielleicht daran liegen, dass die Themen trockener sind. Aber die Verwaltung und der Stadtrat sind ein wichtiger Teil des Zusammenlebens. Und doch sage ich: Die Stadt kann den Rahmen vorgeben, das Herz schlägt in den Vereinen.
? Was machen Politiker dann falsch?Ja, ich glaube, dass die Parteien mehr machen können. Mir ist immer wichtig, dass wir alle mitnehmen. Ich bin FDP-Vorsitzender geworden, da hatten wir 16 Mitglieder, jetzt 37. Menschen, die kommen, wollen mitmachen, dafür muss man Angebote schaffen. Für dieses Angebot stehe ich und für die FDP funktioniert das. Das ist ein Modell, das ich empfehlen kann. Wir haben zeitgleich mit dem Schwung an neuen Mitgliedern den Vorstand größer gemacht, um die Neuen einzubeziehen und ebenso neue sachkundige Bürger in die Fraktion geholt. So kann Politik greifbarer werden.
? Wie wollen Sie die Jugend begeistern? Die Gründung eines Jugendparlamentes ist bislang stets gescheitert. Wir nennen unsere Idee nicht Jugendparlament, sondern Zukunftswerkstatt. Das ist ein leicht anderes Modell. Es geht zwar auch um Mitbestimmung, aber es steckt schon Werkstatt drin. Das Modell sieht vor, dass man in einer ersten Phase kritisiert, in einer zweiten phantasiert und in der dritten umsetzt. Bei den Jugendparlamenten ist es so: Es wird viel geredet, dann passiert etwas oder auch nicht. In der Werkstatt ist das Umsetzen schon ein Teil der Arbeit.
? Fokussiert sich eine Zukunftswerkstatt ausschließlich auf junge Menschen?
Das Modell funktioniert grundsätzlich in allen Altersgruppen und allen Lebenslagen, auch in der Wirtschaft. Aber ich würde es in erster Linie für junge Menschen sehen, sie sind unterrepräsentiert in der Politik und finden schwer Gehör. Ihre Wünsche werden oft nur über Eltern transportiert. Die Lebensrealitäten von jungen Menschen lassen oft kontinuierliche parlamentarische Arbeit nicht zu. Aber eine Werkstatt zu einem speziellen Thema, das wäre für mich eine Art von Bürgerbeteiligung.
Bildung ist eines Ihrer Schwerpunktthemen. So halten Sie an dem vielfältigen Schulsystem fest und schlagen sogar die Gründung weiterer Angebote vor. Wie wollen Sie das alles realisieren?
Tatsächlich gibt es zurzeit viele Landesmittel, die man abgreifen kann. Vor etwa vier Wochen sind noch einmal 350 Millionen Euro für die Digitalisierung der Schulen freigesetzt worden, teilweise als Sofortprogramm. Das heißt, die Mittel sind da und wenn man sie nicht abruft, sind sie weg. Ich finde Bildung sehr wichtig, denn wenn hier etwas schief läuft, zieht es sich durch das ganze Leben durch. Das kann eine Stadt über Generationen prägen. Man muss auch mal schauen, wie groß und wie voll unsere Schulen in Haltern sind. Wenn Schulen so groß sind wie das Halterner Gymnasium oder die Realschule, ist vielleicht auch Platz für ein bisschen Wettbewerb. Deshalb bin ich auf jeden Fall offen für eine Alternative und ein Schulangebot wie Montessori oder Waldorf.
Bürger reagieren aktuell sehr sensibel auf das Thema Wohnen angesichts massiver Nachverdichtung und hoher Baupreise. Wie könnte ein versöhnliches Konzept der Zukunft aussehen?
Das ist natürlich ein ganz großes Thema. Meiner Meinung nach lassen wir uns gerade zu sehr treiben. Es gibt den Baulückenparagrafen, der lässt sehr viel zu. Man kann zwar mit den Investoren sprechen und versuchen, eine Veränderung zu erwirken. Aber letztendlich hat dieser natürlich eine Kalkulation. Und wenn er sich auf ein Projekt einlässt, braucht er die Fläche, um seine Preise wieder herein zu holen. Für mich heißt das, wir müssen früher anfangen und Bebauungspläne für die Stadt aufstellen. Das wird nicht leicht und würde mindestens fünf Jahre dauern, bis man eine Satzung durchgesetzt hat. Aber wir müssen uns auf den Weg machen, um hier ein Stück weit Befriedung zwischen den Interessen zu schaffen. Teil dieses Prozesses sollte die Bürgerbeteiligung sein, dass man beispielsweise mit Anwohnern ins Gespräch geht oder Hausbesitzer danach fragt, was sie mit ihren Grundstücken vorhaben.
Klimaschutz spielt bei der Entwicklung Halterns eine wichtige Rolle. Sie wettern gegen Windräder im Wald. Wie aber kann die Stadt stattdessen Energie generieren?
Da müssen wir schauen, denn es gibt natürlich eine übergeordnete Rechtslage. Hier kommt auch die 1000-Meter-Abstandsregel (Anmerk. der Red.: von der Wohnbebauung) ins Spiel. Ich glaube, wir brauchen Windvorrang-Zonen, um zu definieren, wo Windräder zugelassen sind und wo nicht. Ob wir diese gerade im Wald verhindern können, weiß ich nicht. Wir haben als Stadt in Haltern nur einen begrenzten Spielraum, hier ordnend einzugreifen. Die Ausweisung von Windvorrang-Zonen ist uns ja auch schon auf die Füße gefallen. Dennoch bin ich der Überzeugung, dass wir anfangen müssen, zu definieren, wo Windräder in Haltern ihren Platz haben.

Torsten Dederichs stellte sich den Fragen von Redakteurin Elisabeth Schrief. © Silvia Wiethoff
? Wir brauchen die erneuerbaren Energien, aber wir brauchen auch unsere Bürger...
Es gibt eine Menge zu tun, die Stadt kann ich mir als Stichwortgeber vorstellen. Dafür braucht man eine Position wie die neue Klimaschutzbeauftragte. Wir haben beispielsweise die städtischen Liegenschaften, wo man Modelle wie das klimaneutrale Heizen entwickeln kann. Wir haben auf dem Schulzentrum schon Photovoltaik installiert. Um weitere solcher Ideen zu entwickeln, braucht es jemanden, der sich damit befasst. Wenn wieder größere Komplexe in der Stadt gebaut werden, kann man schauen, ob man ein Nahwärme-Energie-Konzept etabliert und eine Versorgung mit besseren Wirkungsgraden erreicht. Hier sehe ich in Zukunft die Stadtwerke Haltern noch stärker involviert.
Sie wollen die Verwaltung schlanker machen. Müssen dafür Mitarbeiter gehen?
Ich denke, dass man hier über die Digitalisierung einiges erreichen kann. Das kann aber auch durch die Optimierung von Prozessen möglich sein. Dabei geht es nicht um Arbeitsverdichtung, sondern darum, cleverer zu arbeiten. Das heißt jetzt auch nicht, dass die Mitarbeiter im Halterner Rathaus gerade einen schlechten Job machen. Verkürzt gesagt, kann es darum gehen, Prozesse aufzubrechen, die über viele Jahre unverändert fortgesetzt wurden. Dann wird die Arbeit nicht stressiger oder schwerer, sondern sie wird anders.
Warum sind Sie der bessere Verwaltungschef als Ihr Vorgänger?
Ich werde mit Sicherheit anders arbeiten, aufgrund meiner Erfahrungen in der Wirtschaft. Das macht es mir leicht, weil die bisherigen Fußstapfen groß und tief sind. So kann ich aber neue Spuren ziehen.
Wie sieht Haltern nach fünf Jahren aus, wenn Sie in dieser Zeit Bürgermeister wären?
Ich denke, dass wir als Stadtgemeinschaft wieder mehr in der Hand hätten und Diskussionen auf einem anderen Niveau geführt würden. Ich möchte für Zuversicht und Optimismus stehen.
Zur Person
- Torsten Dederichs (44) wohnt seit 2004 in Haltern, geboren ist er in Würselen. Er ist verheiratet und Vater von vier Kindern.
- Auf die Ausbildung zum Betriebselektriker folgte ein Intermezzo als Bergmann im Braunkohlebergbau, dann studierte Torsten Dederichs Elektrotechnik in Aachen. Als Diplom-Ingenieur machte er schließlich Karriere in einem großen Unternehmen für Kraftwerksbau.
- Nach mehreren Führungs- und Projektleitungsfunktionen arbeitet er zurzeit in der Konzernzentrale seines Arbeitgebers in Düsseldorf. Er entwickelt hier als interner und externer Berater neue Geschäftsfelder, Betriebsorganisationen und operative Prozesse.
- Außerdem schreibt er Bücher über seinen Fachbereich - und übers Segeln: In 21 Tagen überquerte Torsten Dederichs als Wachführer mit dem Großsegler „Alexander von Humboldt“ den Atlantik. Und ganz nebenbei war er ein aktiver Pfadfinder.
- Torsten Dederichs ist Vorsitzender der FDP Haltern.
Haltern am See ist für mich Heimat. Hier lebe ich gern und hier arbeite ich gern: Als Redakteurin interessieren mich die Menschen mit ihren spannenden Lebensgeschichten sowie ebenso das gesellschaftliche und politische Geschehen, das nicht nur um Haltern kreist, sondern vielfach auch weltwärts gerichtet ist.

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