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Experte zu radikalem Baumschnitt in Haltern: „Methode des Mittelalters“
Baumpflege
Der Klimawandel macht auch den Bäumen in unseren Städten zu schaffen. Wenn sie ihre Aufgabe, für Kühlung zu sorgen, weiter erfüllen sollen, brauchen sie mehr Unterstützung.
Der Baum und seine Wohlfahrtswirkungen gewinnen gerade vor dem Hintergrund des Klimawandels an Bedeutung. Darauf machte der Leiter des Arbeitskreises Stadtbäume der Deutschen Gartenamtsleiterkonferenz (GALK), Dr. Joachim Bauer aus Köln, bei einem Vortrag im Klima-, Umwelt und Mobilitätsausschuss in Haltern aufmerksam.
Er referierte über Bäume in der Stadt, die an ihren Extremstandorten und aufgrund des Klimawandels häufig auf Unterstützung angewiesen sind, und stellte die Aufgaben des modernen Kommunalen Baummanagements vor. Zu den Herausforderungen gehöre, die Folgen der Verdichtung von Stadtstrukturen, wie sie zurzeit auch in Haltern stattfindet und durch Bautätigkeiten forciert wird, abzumildern.
Mehr Aufmerksamkeit für verbleibende Freiräume
„Eine sorgfältige Gestaltung der verbleibenden Freiräume, geringe Bodenversiegelung, Wärmedämmung der Häuser sowie die Begrünung und Verschattung mit Laubbäumen kann negativen Effekten der Verdichtung entgegenwirken“, sagte Joachim Bauer. Bäume könnten unter anderem dabei helfen, die sommerliche Hitzebelastung erträglich zu machen.
Wenn sie aber in unseren Städten überleben sollen, müsse künftig ein höherer technischer und finanzieller Aufwand betrieben werden, warnte der Experte. Er berichtete darüber, dass die Stadt Köln schon 2000 Euro in die Pflanzung eines Straßenbaumes investiert habe. Dabei mache die vegetationstechnische Bauweise den Hauptteil dieser Kosten aus. Gearbeitet werde beispielsweise mit einem Belüftungssystem und speziellem Granulat.
Auf Anfrage teilte die Stadt Haltern mit, dass hier im Durchschnitt pro Baum ein Betrag von 100 Euro für die Neuanschaffung ausgegeben wird. Dazu kämen noch gut 150 Euro an Pflanzkosten (Pflanzen, Pflegen, Wässern etc.).
Auf Baumarten aus anderen Regionen zurückgreifen
Joachim Bauer erklärte, dass aufgrund des Klimawandels mit seinen Dürreperioden, Starkregenereignissen und häufigerem Auftreten von Baumkrankheiten und Schädlingen bei Neupflanzungen nicht mehr nur auf einheimische Baumarten zurückgegriffen werden könne.
„Sofern sich Baumarten bestimmter geografischer Regionen auf Grund der dort herrschenden Bedingungen besser an unseren innerstädtischen Straßenstandorten behaupten können als heimische Baumarten, sollten diese auch gepflanzt werden. Insbesondere im Hinblick auf den Klimawandel sind nicht heimische Arten unverzichtbar, damit Straßenbäume auch in Zukunft das
Bild unserer Städte prägen“, führte er aus. Zurzeit würden von der GALK rund 40 Baumarten einem Praxistest unterzogen, darunter der italienische Ahorn oder der Rot-Ahorn aus Japan.
Zu den rund 7500 Stadtbäumen in Haltern gehören laut Auskunft der Verwaltung vor allem Linde, Ahorn, Kirsche, Esche und Eiche. Zu den Schädlingen und Krankheiten an Bäumen, die in der Stadt am meisten zu schaffen machen, zählen der Eichenprozessionsspinner, die Kastanienminiermotte und das Bakterium Pseudomonas syringae (Kastanienwelke).

Wenn Straßen NRW einen Rückschnitt vornimmt, fällt dieser ebenfalls häufig radikal aus. © Jürgen Wolter
Die richtige Baumpflege in einer Stadt umfasse auch die Kontrolle, stellte der Fachmann aus Köln heraus. Dabei sei es nicht sinnvoll, auf standardisierte Kontrollen in regelmäßigen Zeitabständen zu setzen. Wer den Baum als Lebewesen ansehe, führe Überprüfungen auf seinen Zustand beispielsweise je nach Alter durch. Auch um für die Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit zu garantieren, müsse eine Verwaltung „die erforderlichen personellen und finanziellen Ressourcen“ zur Verfügung stellen.
In Haltern werden die Bäume zwei Mal jährlich kontrolliert (möglichst einmal im belaubten und einmal im unbelaubten Zustand – im Schadensfall werden dann weitere Maßnahmen eingeleitet).
„Je bessere und qualifiziertere Mitarbeiter und Fachbetriebe ich habe, desto besser fällt die Baumpflege in meiner Stadt aus“, betonte Joachim Bauer. Er rät dazu, „vorausschauend zu pflanzen“ und zu überlegen, „wie ein Baum in 20 oder 40 Jahren aussehen wird“. So könnten teure Rückschnittmaßnahmen vermieden werden.
Betriebshof-Team ausgelastet - externe Firmen beauftragt
Am Halterner Baubetriebshof sind insgesamt 54 Mitarbeiter beschäftigt. Davon fallen 20 auf die Grünflächenabteilung. Von den 20 sind 5 gelernte Gärtner. Darunter ein Hausmeister für den Friedhof Sundern (pflegt den Friedhof mit), zwei Leute, die dauerhaft mit der Spielplatzunterhaltung betraut sind, und ein Mitarbeiter, der dauerhaft die Baumkontrolle vornimmt. „Bei 197 ha zu pflegender Grünflächen im Stadtgebiet kann sich jeder vorstellen, dass das Arbeitspensum enorm ist. Im Hinblick auf Urlaubs- und Krankentage ist das Team des Betriebshofs gerade im Sommer stark belastet“, teilte die Stadt mit.
Baumschnittarbeiten erfolgten aufgrund der Personalknappheit und wegen fehlender Hubarbeitsbühne in den letzten Jahren in Haltern nur noch extern. Grob überschlagen seien es 50 bis 100 Einsätze pro Jahr. In Jahren mit schweren Stürmen können es auch mehr werden.
Hinweis auf radikale Rückschnitte in Haltern
Auf den Hinweis einer Besucherin der Sitzung, die dem Referenten von Baumfällungen und radikalen Rückschnitten in Haltern in den letzten Monaten berichtete, erklärte dieser: „Ein radikaler Rückschnitt hat mit Baumpflege nichts zu tun. Das sind Methoden aus dem Mittelalter.“
In den fachlichen Anleitungen sei klar vorgegeben, wie ein Rückschnitt auszusehen habe. „Hier wird viel Frevel betrieben“, sagte er. Bei Kappungen gebe es eventuell die Situation, dass die Statik eines alten Baumes erhalten werden müsse. Dann sei diese gerechtfertigt. Aber es bleibe ein Spagat.
Joachim Bauer stellte Grünflächenpatenschaften als Mittel vor, Pflegemaßnahmen auf viele Schultern zu verteilen und das Engagement von Bürgern einzubinden. Hier benötigt Haltern keinen Nachhilfeunterricht. Es gibt in der Stadt bereits 247 solcher Patenschaften.
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