Das Amaro-Haus an der Weseler Straße ist verkauft, der neue Investor plant eine Kernsanierung mit Umbau zu einem Ärztehaus. Deshalb wurde allen Mietern gekündigt, auch die Freie Gemeinde „Wendepunkt“ muss ausziehen.
Seit 2015 hat die Freie Gemeinde in einem Teil des Erdgeschosses ihr Gemeindezentrum. Die Suche nach einem neuen Domizil war erfolgreich, der Vorteil einer zentralen Lage allerdings geht verloren.
Die Freie Gemeinde zieht aufs Land nach Flaesheim und kauft von der Evangelischen Kirchengemeinde das 1980 eröffnete Bodelschwingh-Haus mitsamt dem rund 2000 Quadratmeter großen Grundstück. „Die Verträge sind noch nicht geschlossen, verschiedene Gremien wie beispielsweise das Landeskirchenamt müssen noch zustimmen“, sagt Pfarrerin Merle Vokkert zum derzeitigen Stand.
Auch seitens der Freien Gemeinde Wendepunkt gibt es zwar eine Absichtserklärung, aber der Kauf muss noch juristisch abgesichert werden, wie Dietmar Kranefeld, Vorgänger des jetzigen Pfarrers Walter Undt aus Nordhorn, betont. Guten Mutes sind aber alle.
Aus der Halterner Zeitung hatte die Evangelische Kirchengemeinde von der Suche der Freien Gemeinde nach einem neuen Treffpunkt erfahren. Entstanden ist eine Win-Win-Situation.
Die Evangelische Kirchengemeinde muss aus finanziellen Gründen Gebäudeflächen reduzieren und bestehende Häuser gleichzeitig bis 2040 klimaneutral umrüsten. Der Fokus aller Spar-Überlegungen fiel zuerst auf Flaesheim, weil das Bodelschwingh-Haus nur noch wenig genutzt wird. „Wir sind überzeugt von diesem Objekt und sehen es als großes Geschenk an, dass die evangelische Kirche auf uns zugekommen ist“, sagt Walter Undt.

„Auch wir haben ein gutes Gefühl, weil das Haus weiter kirchlich genutzt wird“, sagt Diakonin Lena Schäfer. Sie hat die Nachbarn rund um das Bodelschwingh-Haus alle persönlich von dem voraussichtlichen Besitzerwechsel informiert. In letzter Zeit trafen sich hier nur noch zwei Gruppen und alle vier Wochen wurde ein Gottesdienst abgehalten. Außerdem gewährte die Gemeinde seit zehn Jahren Geflüchteten stilles Kirchenasyl, auch eine ukrainische Familie wohnte hier.
In großer Dimension gedacht
Merle Vokkert ist froh: „Jetzt kommt das Haus in gute Hände. Uns geht es bei dem Verkauf nicht um den größtmöglichen Gewinn.“ Kurios ist die Tatsache, dass ihr Vater Heinrich Vokkert 1979 alle Verträge für den Bau des Gemeindezentrums unterschrieben hat und sie nun für den Verkauf verantwortlich unterzeichnet.
Das Bodelschwingh-Haus wurde damals groß dimensioniert geplant, weil Flaesheim zur damaligen Zeit um eine Bergmanns-Siedlung wachsen sollte. Auch ein Pfarrhaus sollte noch gebaut werden. „Zu jener Zeit wurde ein großer Zuzug erwartet“, erzählt Lena Schäfer. Aber im Laufe der Jahre wurde die Gemeinde stattdessen kleiner, der Bergbau wanderte nicht nach Norden.
Die Jugendlichen kommen jetzt auch nicht mehr, sie zieht es eher in die Stadt zum Paul-Gerhardt-Haus, weil sie dort mehr Freunde treffen

Am 16. Oktober um 15 Uhr sind alle interessierten Flaesheimer eingeladen, um sich die Gestaltung einer Abschiedsfeier zu überlegen. Am 14. Januar wird es einen Abschiedsgottesdienst geben. Doch der Verkauf der Immobilie bedeutet nicht, dass die evangelischen Christen keinen Anlaufpunkt vor Ort mehr haben. Gespräche mit der katholischen Pfarrei St. Sixtus sind angedacht.
Großes Einzugsgebiet
Die Freie Gemeinde Wendepunkt wird das Haus voraussichtlich mit allem Mobiliar übernehmen. Nur die Orgel möchte Pfarrerin Vokkert mit in die Erlöserkirche nehmen. Vielseitiges Gemeindeleben soll sich im Gemeindezentrum entwickeln. „Wir möchten viele Menschen erreichen und einladen“, betont Pfarrer Undt. Das Einzugsgebiet der vor 31 Jahren gegründeten Gemeinde ist groß: Es kommen Gläubige aus Haltern, Dorsten, Heiden, Rhade oder Olfen zu den Gottesdiensten und Veranstaltungen.

Die Freie Gemeinde Wendpunkt hat einen evangelischen Hintergrund, trägt ein konservatives Profil und ist missionarisch unterwegs. „Wir leben nicht von Kirchensteuern, sondern von Spenden“, erklärt Dietmar Kranefeld. „Bei uns treten Menschen bewusst ein, eine persönliche Glaubensbeziehung zu Jesus Christus prägt unser Gemeindeleben.“ Aktuell gibt es 23 Mitglieder, zu den Gottesdiensten kommen rund 40 Besucherinnen und Besucher. „Wir pflegen ein sehr lebendiges Miteinander“, betont Dietmar Kranefeld.
Zustimmung bei Gemeinden
Frauenfrühstückstreffen, Frauengesprächskreis, Männertreff, Biblischer Unterricht für Teens, Seniorentreff „Die Offene Tür“, Sing & Pray-Abend, Deutschkurse für Ukrainerinnen, Bibelgesprächskreis, Mittagscafé oder gemeinsame Mittagessen machen dieses Miteinander aus. Dass der Wendepunkt nach Flaesheim umzieht, sei auf der Mitgliederversammlung sehr gut angenommen worden, so Walter Undt.
Zustimmung gab es auch im Presbyterium, wie Claudia Weber und Mechthild Wiedtemann betonen. „Die Veränderungen in der Kirche sind gerade rasant und abgeben tut weh, aber es ist nur halb so schlimm, wenn es eine gute Anschluss-Lösung gibt wie jetzt.“
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