Die Ankündigung für den ersten Christopher Street Day (CSD) auf dem Marktplatz im Herzen der Stadt hat ein Halterner aufmerksam aufgenommen. Er spricht offen mit der Redaktion, seinen Namen möchte er jedoch nicht öffentlich lesen.
Das Event, das die Begegnung mit queeren Menschen unterstützen soll, entspricht seinen Wünschen. Als schwuler Mann in Haltern sagt er: „Ich würde mir einen größeren Zusammenhalt in der Stadt wünschen. Aber die Gesellschaft ist noch nicht so weit.“
Immerhin, Toleranz und Respekt erlebt er selbst in seinem Umfeld durchaus. Aber es gebe immer zwei Seiten und noch herrsche hier ein Ungleichgewicht hin zum Negativen. Die abwertenden Kommentare in den sozialen Medien, die auf den Online-Bericht auf der Plattform der Halterner Zeitung folgten, haben ihn deshalb nicht überrascht („Das spiegelt die Halterner Gesellschaft wider.“). Nach seiner Erfahrung ist es immer noch am besten, sich als schwuler Mensch im Alltag zurückzunehmen und am besten nicht aufzufallen.
„Ich will der Konfrontation aus dem Weg gehen“, sagt der Mann, der in Haltern geboren und aufgewachsen ist. Nach zehn Jahren Aufenthalt in einer Stadt nahe Köln kehrte er nach Haltern zurück und lebt heute mit seinem langjährigen Partner in einem Ortsteil. „Ich bin ein Heimatmensch“, erklärt der Angestellte in einem großen deutschen Unternehmen. Seinen Umzug aufs Dorf hat er nicht bereut. Unter den Mietern in seinem Wohnhaus ist das schwule Paar akzeptiert. „Ich will hier am liebsten nie wieder weg“, fühlt sich der Halterner mit seinem Lieblingsmenschen angekommen.
„Möglichst nicht auffallen“
Trotzdem gehört die Angst auch nach seinem Coming-out 1999 zu seinem Leben. Es sind die Blicke und Schimpfworte, die ihn im Alltag verletzen. „Schwuchtel“ oder „warmer Bruder“, wie oft hat er diese Bezeichnungen schon gehört und sich in sein Schneckenhaus zurückgezogen? In Haltern würde er mit seinem Partner nicht Hand in Hand spazieren gehen. Selbst vor Freunden vermeidet er es, seinen Partner zu küssen. So kommt man nach seiner Erfahrung als schwuler Mann am besten durchs Leben.
Dabei war sein Coming-out Ende der 90er so richtig spektakulär („Es war ein Befreiungsschlag, weil das Versteckspiel aufhörte.“). Er saß im Publikum einer RTL-Talkshow mit Oliver Geissen, als ihm sein Freund mit Herzchenluftballon auf der Bühne vor einem Millionenpublikum seine Liebe gestand. „Ich hatte natürlich was geahnt, habe mir aber gedacht, dann hast du es endlich hinter dir“, erinnert sich der Halterner.
Bis dahin wussten nur seine Familie und ein kleiner Freundeskreis Bescheid. Wichtig ist ihm bis heute die Antwort seiner Mutter auf die Eröffnung, dass er sich zu Männern hingezogen fühlt. „Hauptsache, du bist glücklich“, habe diese gesagt.

Mit den erheblichen Konsequenzen des öffentlichen Liebesgeständnisses unter Homosexuellen hatte er als junger Mensch Ende der 90er nicht gerechnet. „Ich war etwa zwei Jahre lang Stadtgespräch in Haltern“, beschreibt er heute, wie sich die Situation für ihn angefühlt hat. Und weiter: „Freunde haben sich abgewendet. Das Thema wurde weitergetragen. Wenn ich durch Haltern gelaufen bin, haben sich die Leute umgedreht.“
„Ich ging mit einem flauen Gefühl durch die Stadt. Das habe ich heute immer noch“, sagt er und teilt außerdem mit, dass er Halterner kenne, die ihre Homosexualität aus Angst vor negativer Wirkung niemals öffentlich machen würden. Das habe auch mit der Sorge vor wirtschaftlichen Konsequenzen zu tun. Er selbst bleibt immer vorsichtig und spricht zum Beispiel von seiner „besseren Hälfte“, wenn er neue Leute kennenlernt. Das ist erst einmal neutral.
Reaktionen des Umfelds
Erst wenn er die Lage abgecheckt hat, wagt er sich weiter vor und erwähnt seinen Freund. Gespannt wartet er dann auf eine Reaktion. „Wenn jemand zurückschreckt, investiere ich keine Zeit mehr in diesen Kontakt“, berichtet der Halterner. Zuletzt hat er einen Arbeitskollegen mit Migrationshintergrund über seine Lebenssituation aufgeklärt. Der habe cool reagiert und gesagt: „So lange ich dich nicht heiraten muss.“
Das hat ihn sehr gefreut, denn bei der Begegnung mit diesem Personenkreis hat er Toleranz schon mehr als einmal vermisst. Überhaupt hat sich die Weltlage für queere Menschen noch wenig verbessert. In vielen Ländern werden sie verfolgt. Das muss das schwule Paar in Haltern auch bei der Urlaubsplanung bedenken. „Ich würde gerne mal nach Ägypten, aber das kannst du vergessen“, schildert der Halterner die persönlichen Konsequenzen.
Gerade im Urlaub wolle er so sein dürfen, wie er ist. Letztendlich wünscht er sich, in seinem Menschsein angenommen und respektiert zu werden. Hier sieht er noch Luft nach oben, auch in Haltern. Den CSD in der Stadt will er mit seinem Partner nicht besuchen. Er würde zu viel Aufmerksamkeit für sich persönlich befürchten. Aber die Berichterstattung über das Event, das echte Begegnung ermöglichen und zum Abbau von Vorurteilen beitragen soll, will er verfolgen. Er ist gespannt auf die Resonanz in Haltern.
Der erste Christopher Street Day in Haltern findet am 19. August (Samstag) ab 11 Uhr auf dem Marktplatz in der Innenstadt statt. Das Aktionsbündnis CSD hat ein vielfältiges Programm vorbereitet, das Informationen und Unterhaltung bietet.
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