Elektronische Patientenakte kommt „Vor allem ältere Menschen werden damit überfordert“

Elektronische Patientenakte: „Ältere Menschen werden überfordert“
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Schon bei der Einführung des E-Rezepts ruckelte es gewaltig. Jetzt kommt der nächste Schritt: Ab dem 15. Januar 2025 wird die elektronische Patientenakte (ePa) flächendeckend eingeführt. Sich dort anzumelden und sie zu befüllen und zu verwalten, ist aber nicht ganz einfach. Rüdiger Haake, Vorsitzender des Halterner Seniorenbeirats, befürchtet, dass insbesondere ältere Menschen damit überfordert sein werden. Halterner Ärzte rechnen mit noch mehr Bürokratie.

Mit dem „Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens“ sowie dem „Gesetz zur verbesserten Nutzung von Gesundheitsdaten“ will die Bundesregierung die Beschleunigung der Digitalisierung im Gesundheitswesen vorantreiben. Als Kernelement wird die elektronische Patientenakte (ePA) ab 2025 für alle gesetzlich Versicherten bereitgestellt. Mit der Umsetzung ist die Gematik betraut, die Nationale Agentur für Digitale Medizin.

In der elektronischen Patientenakte können Patienten alle wichtigen Informationen rund um Ihre Gesundheit dauerhaft digital speichern. Mit der ePA haben sie immer alle Unterlagen zusammen, die sie benötigen. Mehrfachuntersuchungen können so vermieden werden, Medikamente von unterschiedlichen Ärzten oder auch Krankenhäusern miteinander abgeglichen werden. Ärztewechsel werden leichter, Zweitmeinungen können schneller eingeholt werden.

Mehrere Vorstufen

Eingeführt wurde die elektronische Patientenakte in einer ersten Vorstufe bereits 2021. Am 15. Januar 2025 soll sie dann flächendeckend allen Patienten zur Verfügung stehen. Bislang nutzt nur etwa ein Prozent der gesetzlich Krankenversicherten die ePa, informiert die Kassenärztliche Bundesvereinigung.

„Ich habe bei den Kolleginnen und Kollegen im Seniorenbeirat rumgefragt, die meisten sagen: ‚Davon habe ich schon gehört, mich aber noch nicht damit befasst.‘ Angelegt hat sie keiner, ich selbst auch nicht“, sagt Rüdiger Haake. „Wenn sie 2025 kommt, wäre es ja wohl mal an der Zeit, eine umfassende Informationskampagne zu starten.“

Haake nennt ein Beispiel, in dem die ePa sehr sinnvoll gewesen wäre: Das Ergebnis einer Untersuchung wurde bei ihm nur an den überweisenden Facharzt, nicht aber an seinen Hausarzt übermittelt. „Hätte ich die ePa, hätten beide Ärzte darauf problemlos Zugriff, das macht also durchaus Sinn.“

Nutzung ist freiwillig

Die ePA ist eine versichertengeführte elektronische Akte, deren Nutzung für die Versicherten freiwillig ist. Wer sie nicht nutzen möchte, muss nach dem 15. Januar 2025 bei seiner Krankenkasse widersprechen. Patienten können selbst bestimmen, ob und in welchem Umfang sie die ePA nutzen möchten, welche Daten in der Akte gespeichert oder gelöscht werden sollen und welchem Behandler sie ihre Daten zur Verfügung stellen wollen.

Der Weg, eine elektronische Patientenakte anzulegen, ist aber nicht ganz einfach. Er besteht aus mehreren Schritten. Zunächst muss man sich bei seiner Krankenkasse eine App zur Nutzung herunterladen. Um die ePa zu erhalten, muss zusätzlich ein Antrag bei der Krankenkasse gestellt werden. Anschließend kann man sich in der App registrieren, entweder über die elektronische Gesundheitskarte und die dazugehörige PIN (ebenfalls von der Krankenkasse) oder mit einer Zwei-Faktor-Authentifizierung, bei der zwei Sicherheitsstandards eingehalten werden müssen.

Rüdiger Haake ist Vorsitzender des Halterner Seniorenbeirats.
Rüdiger Haake ist Vorsitzender des Halterner Seniorenbeirats. © Jürgen Wolter

Diese Schritte dürften insbesondere ältere Menschen überfordern und abschrecken, befürchtet Rüdiger Haake. „Letztlich ist man als Patient auch noch gefragt, wenn es um das Befüllen der elektronischen Akte geht. Ältere Arztdokumente muss man selbst einscannen oder von den Ärzten einstellen lassen. Da diese die ePa aber neben ihrer normalen Praxisdokumentation befüllen müssen, bedeutet das meiner Meinung nach auch für die Praxen wieder Mehrarbeit.“

Auch ohne PC oder Handy kann die ePa genutzt werden, die Patienten müssen dann aber ihre Ärzte jeweils auffordern, die Akte zu befüllen. Aber was ist mit dementen Menschen, was mit Pflegebedürftigen? Rüdiger Haake sieht noch viele unbeantwortete Fragen.

Mehrarbeit für die Ärzte

Von Halterner Ärzten wird die ePa grundsätzlich begrüßt. „Leider ist die deutsche Variante wieder mal sehr kompliziert, umständlich und zeitaufwändig zu befüllen“, schreibt dazu Ärztesprecherin Dr. Astrid Keller auf unsere Anfrage. Die wenigsten Patienten hätten bisher die dazu nötige PIN der Krankenkasse.

Ärztesprecherin Dr. Astrid Keller.
Ärztesprecherin Dr. Astrid Keller begrüßt zwar grundsätzlich die ePa, sieht aber noch viele praktische Mängel. © privat

„In der Regel befüllt der Hausarzt die ePa, der bereits jetzt mit der Pflege der Medikamentenpläne, dem Versenden von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, von E-Rezepten und vielen weiteren Formularen so überfrachtet ist, dass die Bürokratie noch weiter überhandnimmt“, so Dr. Keller weiter. „Die jetzigen E-Funktionen sind im Verlauf komfortabler geworden, aber trotzdem kostet es uns täglich Nerven und viel Arbeitszeit, die für die Patientenversorgung fehlt. Momentan ist es noch nicht alltagstauglich und wird nur sporadisch mal ausgefüllt, so ist auch die Rückmeldung der Kollegen.“

Der eigentliche Grundgedanke sei gut, die Ausführung zum aktuellen Zeitpunkt mangelhaft, sagt Astrid Keller. „Ganz zu schweigen von dem Geld, das es sicher gekostet hat. Aber wir geben die Hoffnung nicht auf, dass irgendwann die Praktikabilität der Realität angepasst wird.“