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Annegret Laakmann ist überzeugt: „Das System Kirche kollabiert“
Missbrauch in der Kirche
Annegret Laakmann glaubt nicht mehr an einen Reformwillen der katholischen Kirche. „Hoffnungslos hoffnungsvoll kann ich nicht mehr sein“, antwortet sie auf ein Interview mit Pfarrer Ostholthoff.
Es war nie der Wunsch von Annegret Laakmann aus Flaesheim, Priesterin zu werden. Aber sie kämpft seit Jahrzehnten dafür, dass die Berufung von Frauen anerkannt wird und dass sie das Amt bekommen. Und sie ging auf die Straße, als die ersten Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche publik wurden.
Das Interview der Halterner Zeitung mit Pfarrer Michael Ostholthoff zur Causa Ratzinger trieb sie zu einer Antwort an. „Hoffnungslos hoffnungsvoll“ könne sie leider nicht mehr sein. Es sei gut für Haltern und für die römisch-katholische Kirche, einen Priester wie Michael Ostholthoff als Pfarrer zu haben. Aber die „Zeit für die Wahrheit“ sei längst vorbei.

Pfarrer Michael Ostholthoff hatte für seine furchtlose Predigt im Sonntagsgottesdienst viel Applaus erhalten.
Annegret Laakmann (78) zweifelt daran, dass sie dieser Kirche wirklich noch glauben kann. Nachdenklich erinnert sie an den Sommer 2002: Damals schaltete die „KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche“ einen Notruf für Betroffene von sexualisierter Gewalt durch Priester und Ordensleute. Aus den USA waren Berichte über Missbrauch von Kindern und Jugendlichen über den Atlantik geschwappt. „Der damalige Vorsitzende der Bischofskonferenz meinte, wir in Deutschland ‚müssten uns diesen Schuh nicht anziehen‘.“
Ortspriester fühlten sich unter Generalverdacht
Die Halterner Zeitung veröffentlichte auf Bitten von Annegret Laakmann eine Zeit lang die Notrufnummer. „Bis mir eines Tages mitgeteilt wurde, die Ortspriester fühlten sich unter Generalverdacht, man könne die Nummer nicht weiter veröffentlichen“, erzählt sie. Genauso war es.
„Die KirchenVolksBewegung entstand aus dem KirchenVolksBegehren - manche erinnern sich vielleicht noch an die Unterschriftensammlung auch auf der Rekumer Straße im Herbst 1995. Anlass für diese Unterschriftenaktion für eine Reform der Kirche waren damals die Vorwürfe ehemaliger Priester-Seminaristen gegen den Wiener Kardinal Hans Hermann Groër, er habe sie sexuell missbraucht. Der Hahn kräht nicht erst seit den Gutachten von Köln und München in letzter Zeit.“
Der Bischof, der von Pfarrer Ostholthoff zitiert wird mit: „Eine Kirche die nicht dient, dient zu nichts“ ist Jacques Gaillot. „Er wurde als Bischof von Évreux abgesetzt, weil er dem damaligen Papst zu liberal und den Ausgegrenzten zu sehr zugewandt war“, sagt Annegret Laakmann.
„Das Vertuschen und Verdrängen ist eine uralte Tradition“
Mit Menschen am Rande mag sich die kirchliche Hierarchie nicht gerne abgeben, bedauert die Flaesheimerin. 1998/1999 sei der Ausstieg der katholischen Kirche in Deutschland aus der Schwangerenkonfliktberatung auf Bitten des Papstes erfolgt. An Frauen in einer Notsituation mache man sich lieber nicht die Finger schmutzig - obwohl die Änderung der Paragrafen 218/219 StGB nach der Wiedervereinigung unter Mitwirkung der christlichen Kirchen, auch der römisch-katholischen, erarbeitet worden sei.
Annegret Laakmann ist überzeugt: „Es ist nicht das System Ratzinger, das jetzt kollabiert. Es ist das System römisch-katholische Kirche mit der Verteufelung der Sexualität (und der Frauen), das Schützen der Heiligen Mutter Kirche. Das Vertuschen und Verdrängen ist eine uralte Tradition und das konnte leider durch das Zweite Vatikanische Konzil nicht überwunden werden.“
„Alle hoffnungsvollen Gesprächs-Ergebnisse sind versandet“
Auf ein Gelingen des Synodalen Weges wagt Annegret Laakmann nicht zu hoffen. Schon die hoffnungsvollen Ergebnisse der Würzburger Synode 1971 bis1975, der Diözesansynoden und -foren in den 1990er-Jahren und des Gesprächsprozesses
2010 bis 2015 seien versandet.
Und selbst wenn die deutsche Kirche zu einem reformerischen Durchbruch käme, was könne sie damit bewirken?, fragt die Flaesheimerin. „Glauben wir wirklich als kleiner Teil der Weltkirche, die restlichen 98 Prozent der Gläubigen in der Weltkirche schauen auf uns und folgen uns nach? Und die Bischöfe weltweit gestehen ihre Fehler ein und der Papst ändert das Kirchenrecht und alles wird gut?“
Zur Person
Annegret Laakmann aus Flaesheim erhielt 2018 die Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Sie war maßgeblich an der Gründung des Vereins „Frauenwürde e. V.“ beteiligt, der mittlerweile sechs Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen bundesweit unterhält. Bis heute ist sie ehrenamtliche Bundesvorsitzende. Auch in der staatlich anerkannten Beratungsstelle „Mirjam“ in Olpe arbeitet sie im Vorstand des Trägervereins. Besonders wichtig ist ihr zudem die Stellung der Frau in der katholischen Kirche: Im Jahr 1987 gründete sie zusammen mit weiteren Frauen die Initiative „Maria von Magdala“, die sich bundesweit bis 2014 für die Zulassung von Frauen zu allen kirchlichen Ämtern und Chancengleichheit von Theologinnen einsetzte. Sie war Teil des Organisatorenteams des deutschen „KirchenVolksBegehrens“, eines der ersten Mitglieder der daraus entstandenen Reformbewegung „KirchenVolksBewegung“ und engagierte sich als Referentin für „Wir sind Kirche Deutschland“. 2002 arbeitete Annegret Laakmann entscheidend an der Einrichtung des Nottelefons für Opfer sexueller Gewalt in der Kirche mit und ist Mitorganisatorin der Bewegung für die Ordination von Frauen, der „Aktion Lila Stola“. Haltern am See ist für mich Heimat. Hier lebe ich gern und hier arbeite ich gern: Als Redakteurin interessieren mich die Menschen mit ihren spannenden Lebensgeschichten sowie ebenso das gesellschaftliche und politische Geschehen, das nicht nur um Haltern kreist, sondern vielfach auch weltwärts gerichtet ist.
