Yazan Alhamad arbeitete in seiner Heimat Syrien als Maschinenbauingenieur, wollte dort Fachinformatik studieren. Aber daraus wurde nichts. „Der Krieg hat meinen Traum zerstört“, sagt er. Jetzt hofft er, in Deutschland diesen Weg einschlagen zu können. Und er weiß: Der Schlüssel dazu ist das Erlernen der deutschen Sprache.
Seit einem Jahr ist der 27-Jährige in Deutschland, seit vier Monaten lebt er in Haltern in der Unterkunft an der Annabergstraße. Und seit acht Monaten lernt er Deutsch. Das Verblüffende dabei: Man kann sich schon jetzt fließend mit ihm unterhalten.
Das Gleiche gilt für Razeya Razooli aus Afghanistan. Dort hat sie Englisch unterrichtet, auch sie möchte gern Informatik studieren und lernt seit sieben Monaten Deutsch. Wie haben es die beiden geschafft, sich in so kurzer Zeit die Sprache anzueignen?
Erst alleine gelernt
„Ich habe erst alleine angefangen zu lernen, dann habe ich mir YouTube-Videos angeschaut und in meinem Zimmer gelernt“, sagt die 21-Jährige. Yazan hat es ähnlich gemacht. Inzwischen finden beide Unterstützung im Vitushaus in Haltern: In der Seestadt geben rund 30 Ehrenamtliche Deutschkurse in den unterschiedlichen Qualifikationsstufen.
Einer von ihnen ist Udo Dilewski. Yazan und Razeya besuchen bei ihm den B2-Kurs, also den Fortgeschrittenen-Kurs. „Sie absolvieren diese Kurse parallel zu den Integrations-Kursen, alle haben den B1-Grundkurs bereits mit Erfolg abgeschlossen“, so Udo Dilewski.
Im Kurs sitzen auch Hanna Formina und Olga Solousova, die vor knapp zwei Jahren aus der Ukraine geflohen sind und seitdem in Haltern leben. Kurz danach, bei ihrem ersten Sprachkurs, war eine Verständigung nur umständlich auf Englisch möglich. Heute klappt das auch fließend auf Deutsch.

„Sprache ist das Wichtigste“, sagt Hanna Formina. Sie ist sehr froh darüber, dass sie sich jetzt überall problemlos verständigen kann, beim Einkaufen, beim Arzt oder auch mit Behörden. Aktuell lernen die Kursteilnehmer, wie man offizielle Gespräche führt, auch am Telefon, wie man sein Gegenüber anredet, wie man Briefe formuliert.
Neues Selbstbewusstsein
„Wir wollen nicht nur die Sprache lernen, wir wollen auch mehr über Deutschland erfahren“, sagen die beiden Ukrainerinnen. Man spürt, dass die wiedergewonnene Selbstständigkeit auch ihr Selbstbewusstsein gestärkt hat. Jetzt stehen sie an der Schwelle, sich um Arbeitsstellen zu bemühen.

„Wer zum Beispiel im August eine Ausbildung beginnen möchte, sollte sich jetzt bewerben“, sagt Udo Dilewski. „Deshalb sind wir gerade dabei, zu vermitteln, wie man einen Lebenslauf schreibt und wie man sich bewirbt.“
Olga Solousova hat in der Ukraine im Versicherungswesen gearbeitet und würde sich freuen, in diesem Bereich wieder tätig werden zu können. Hanna Formina kennt sich aus im Bereich Großhandel und Logistik. Für sie als alleinerziehende Mutter kommt aber eher eine Teilzeitstelle in Betracht. Auch eine Ausbildung würde sie machen.
Schulabschlüsse erwerben
Yazan Alhamad und Razeya Rasooli haben weitergehende Pläne. Beide würden gern in Deutschland studieren, dafür müssen sie aber noch weitere Aufbaukurse absolvieren, um die erforderlichen Schulabschlüsse zu erreichen. „Ihre Abschlüsse werden in Deutschland nicht 1:1 anerkannt. Die kann man zum Beispiel an der Abendschule in Recklinghausen erwerben“, sagt Udo Dilewski. „Sprachlich braucht man für ein Studium einen Abschluss des C1-Kurses“.

Razeya lebt zurzeit noch an der Gildenstraße, hat aber eine Wohnung in Hullern in Aussicht. Yazan engagiert sich bereits selbst als Sprechlehrer, er unterrichtet syrische Geflüchtete, die in Haltern im Kirchenasyl untergebracht sind. „Wie man in so kurzer Zeit so schnell Deutsch lernen kann, ist mir ein Rätsel“, gibt Udo Dilewski zu. „Ich glaube, das hätte ich nicht geschafft.“
Nicht immer funktioniert das Erlernen der deutschen Sprache so reibungslos. Die Durchfallquote beträgt in den Kursen mehr als 50 Prozent. „Es wird in manchen Kursen oft zu viel Grammatik vermittelt und zu wenig gesprochen“, sagt Olga Solousova. „Aber nur über das Hören und Sprechen lernt man, die Sprache selbst anzuwenden.“ Das versuchen die Kursleiter in Haltern zu berücksichtigen, um den Teilnehmern möglichst schnell die Integration zu ermöglichen.
Ehrenamtliche Deutschlehrer gesucht
Rund 30 ehrenamtliche Halterner geben Deutschunterricht für Geflüchtete, in Kursgruppen oder auch im individuellen Unterricht zu Hause. Von Alphabetisierungskursen bis zu den B2-Prüfungen ist alles dabei. Viele Teilnehmer stehen aber noch auf der Warteliste. Die Wartezeit für Anfängerkurse beträgt 3-4 Monate.
„Wir brauchen deshalb noch weitere Deutschlehrer, vor allem auch im Hinblick auf die zu erwartende ZUE, die in Haltern entstehen soll“, sagt Lisa Bork von der Caritas, die die Aktivitäten koordiniert.
Die Kurse finden unter anderem im Vitushaus, im Josefshaus, in der Unterkunft am Lorenkamp, im Paul-Gerhardt-Haus und in der Katharina-von-Bora-Schule statt. Wer sich vorstellen könnte, Einzelpersonen oder Gruppen zu helfen, Deutsch zu lernen, kann sich mit Lisa Bork unter der Telefonnummer 0151/16224576 in Verbindung setzen.
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