Das Lea-Drüppel-Theater hat sich nach einem Jahr zum festen Ort des Schauspiels entwickelt

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Das Lea-Drüppel-Theater hat sich nach einem Jahr zum festen Ort des Schauspiels entwickelt

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Das Theater ist ein Gedenkort und Experimentierfeld zugleich. Vor einem Jahr wurde es eröffnet. Gründerin Anne Drüppel sagt: „Dieses Projekt hat mich in meiner Trauer ruhiger gemacht.“

Haltern

, 29.09.2018, 05:57 Uhr / Lesedauer: 3 min

Das Gästebuch liegt aufgeschlagen am Eingang des Lea-Drüppel-Theaters. Sonnenstrahlen fallen an diesem Morgen auf die Seiten. Welch ein schöner Zufall. „Mit Bewunderung für Ihr Engagement haben wir hier gespielt“, notierte in schwungvoller Schrift der französische Chanson-Sänger Jean-Claude Séférian. Kurz vor Weihnachten 2017 stand er auf der Bühne des Lea-Drüppel-Theaters. „Ein mega-schöner, wertvoller Ort, der voller Energie steckt“ – so sehen Besucher das kleine Theater an der Zaunstraße. Und schreiben das ebenfalls auf.

Vor einem Jahr wurde die Spielstätte eröffnet. Dank Unterstützung von vielen Seiten entwickelte sich Leben in dem Bühnenraum, der einst Kinosaal war. Seit der Eröffnung am 30. September 2017 haben hier 30 Veranstaltungen mit über 2000 Gästen stattgefunden. „Das Jahr war ereignisreich genug, damit wir sagen können: Ja, es war ein wagemutiger Schritt, aber wir fühlen uns heute bestätigt in unserer Entscheidung“, sagt Anne Drüppel, Gründerin und Vorsitzende des Lea-Drüppel-Theatervereins.

Anne Drüppel und Hans-Dieter Speikamp blicken auf ein Jahr Lea Drüppel-Theater zurück.

Anne Drüppel und Hans-Dieter Speikamp blicken auf ein Jahr Lea Drüppel-Theater zurück. © Schrief

Dieses Theater hat mich in meiner Trauer ruhiger gemacht“, die Gedanken von Anne Drüppel gehen zurück auf ein Datum und Ereignis, das mit Wucht ihr und das Leben vieler anderer dramatisch verändert hat. Lea starb im Alter von 15 Jahren beim Flugzeugabsturz am 24. März 2015 in den französischen Alpen mit weiteren 15 Schülerinnen und Schülern sowie zwei Lehrerinnen des Joseph-König-Gymnasiums – weil ein lebensmüder Co-Pilot nicht allein sterben wollte.

Die Lufthansa-Stiftung legte damals einen Fonds auf. Mit jeweils 100.000 Euro unterstützt sie herausragende Projekte von Angehörigen, die das Andenken an die 149 Opfer wach halten. Anne Drüppel stellte sich ein Theater vor. Denn ihre Tochter liebte die Musik und das Schauspiel. „Es war ihr Traum, in Haltern ein Theater zu führen. Diesen Traum hat sie sehr ernst genommen und ihr Leben darauf ausgerichtet“, erzählt Anne Drüppel. Die Gründung des Theaters war ihre Strategie, mit der Trauer um ihre Tochter umzugehen und ihrem Leben eine neue Ausrichtung zu geben. Freunde gingen mit ihr, darunter Dr. Hans-Dieter Speikamp, mit dem sie im Badminton-Team des SV Lippramsdorf spielt. Er regelte von Anfang an die Finanzen und managt heute zusätzlich die Veranstaltungen. Die Gründung des Theaters hat Mühe, Zeit und Geld gekostet.

„Eine lebendige Erinnerung an Lea“

Es gibt mir ein gutes Gefühl, dass wir zusammen eine lebendige Erinnerung an Lea geschaffen haben“, Anne Drüppel ist dankbar für jede Unterstützung, sei es durch die Mitglieder des Theatervereins, sei es durch Sponsoren, Gäste oder Künstler. Ohne Spenden wird das Theater nie auskommen. Denn das eigentliche Ziel, Kindern und Jugendlichen unter erfahrener Führung die Musik und das Bühnenspiel nahe zu bringen, verschlingt mehr Geld, als Aufführungen einspielen können. Professionelle Künstler füllen zwar den kleinen Theatersaal mit 70 Plätzen, aber um Gewinne zu erwirtschaften, müssten mehr Karten verkauft werden. „Das ist ein Plus-Minus-Null-Geschäft“, sagt Kassenwart Hans-Dieter Speikamp. „Wir werden dieses Theater nie kommerziell betreiben können, das geht nur über Spenden und ehrenamtliche Hilfe.“ Hier im Theater geht es um noch viel mehr als gute Unterhaltung. Hier sollen junge Menschen gefördert und in ihrer Persönlichkeit gestärkt werden.

Elfmal hat das junge Ensemble seit Eröffnung das bezaubernde Mutmacher-Stück „Honk – anders als der Rest“ aufgeführt, alle Vorstellungen waren ausverkauft. Jetzt studiert das Ensemble ein Stück mit dem Arbeitstitel „Stärke und Macht“ ein. Geschichte und Musik werden von den jungen Darstellern selbst entwickelt. Die Leitung hat Theaterpädagogin Silke Eumann. Im März soll Premiere sein. „Diese Arbeit ist anspruchsvoll und zeitintensiv. Ich freue mich, dass 90 Prozent des alten Ensembles wieder mit dabei ist“, sagt Anne Drüppel. Zusätzlich verantwortet Jasmin Pawlak eine Schnupperbühne als Workshopprojekt. Mit Lena Meinhardt (2. Vereinsvorsitzende) und Rebecca Groß wirbt sie in Schulen für Musik-, Gesang- und Tanzprojekte. „Im Drüppel-Theater sollen sich junge Menschen auf der Bühne ausprobieren. In den vergangenen Monaten war das Programm ereignisreich genug, wir können getrost sagen: Wir machen weiter“, gibt Hans-Dieter Speikamp der Idee eine realistische Perspektive.

Besonderes Highlight am 20. Oktober

Auch auf der Kleinkunstbühne läuft es gut: Freddy Allerdisse (Poetry-Slam/Comedy-Night) oder Florian Albers (Klavier/Gesang) sind Selbstläufer. Am 20. Oktober steht ein besonderes Highlight an. Nachwuchsregisseur Ruben Michael bringt die Mono-Oper „Das Tagebuch der Anne Frank“ zur Aufführung. Der 17-Jährige sagt: „Das Lea-Drüppel-Theater eignet sich hervorragend für die Umsetzung dieser Oper. Die bewegende Entstehungsgeschichte gerade dieses Theaters fordert geradezu unbedingte Umsetzung eben dieses Stoffes an eben diesem Ort.“ Darüber hinaus müsse man eine derart kleine Bühne mit dieser bühnentechnischen Ausstattung lange suchen.

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Nach einem Jahr hat sich aus der überschwänglichen Begeisterung ein normaler Theateralltag entwickelt, das sieht Anne Drüppel genauso wie Hans-Dieter Speikamp. Das Haus hat sich überzeugend den Ruf als wichtigen Baustein der Halterner Kulturlandschaft erarbeitet. „Ich sehe dieses Theater als meine Lebensaufgabe an, aber allein könnte ich die vielgestaltigen Anforderungen gar nicht leisten“, das wird Anne Drüppel auch herausstreichen, wenn sie demnächst in Düsseldorf bei der Lufthansa das Projekt anderen Angehörigen der Unglücksopfer vorstellt.

Aus dem fensterlosen, kühlen Theatersaal geht es zurück zum Eingang, zurück in die Sonne. Noch einmal schweift der Blick durch das Gästebuch. „Ich habe einen riesen Respekt, dass Sie trotz allem so stark sind“, schreibt ein Gast an Anne Drüppel. Sie ist stark, weil sie Lea im Herzen hat.