„Die Digitalisierung schreitet rasant voran“, sagt Ulrich Wessel, Schulleiter des Joseph-König-Gymnasiums in Haltern. „Vor fünf Monaten kannte keiner von uns die künstliche Intelligenz ‚Chat-GPT‘ und schon heute müssen wir an neuen Unterrichtsstrategien arbeiten.“
Erst Ende November 2022 wurde die künstliche Intelligenz „Chat-GPT“, die von OpenAI (AI) entwickelt wurde, für die Öffentlichkeit frei zugänglich. Die KI kann eigenständig, durch gezielte Fragestellungen, qualitative Texte erstellen. Das Online-Tool stellt das Bildungssystem sowie den schulischen Alltag vor neue Herausforderungen.
„Mit der zunehmenden Popularität von Chat-GPT ist es mittlerweile unabdingbar, sich im Unterrichtskontext diesem Thema zu verwehren“, sagt Wessel. Deshalb müsse vor allem die Medienerziehung stärker fokussiert werden.
„Aktuell besteht bei drei Facharbeiten ein Verdacht, dass mithilfe einer künstlichen Intelligenz geschrieben wurde.“ Die fast fehlerfreie und qualitativ-gute Arbeit stimme bei keinem der drei mit dem Niveau der vorherigen Leistungen überein.
Medienerziehung wird wichtiger
Eine einheitliche Regelung für einen vorsätzlichen Täuschungsversuch dieser Art gibt es derzeit noch nicht. Die Verwendung der erstellten Texte gilt nicht unbedingt als Plagiat, da die Ursprungsquelle unbekannt ist und nicht überprüft werden kann.
„Aber es wurden zusätzliche Hilfsmittel genutzt, die nicht gekennzeichnet wurden und das ist nicht erlaubt“, so der Schulleiter. Sollte es sich um einen vorsätzlichen Täuschungsversuch handeln, dann „muss zuerst die Schwere der Täuschung eingeschätzt und tatsächlich festgestellt werden. Je nachdem wird die Facharbeit dann mit einer 6 bewertet.“

Die rasante Entwicklung zwingt Lehrkörper sowie Bildungspolitiker, über neue Prüfungsformate nachzudenken. Dem stimmt auch Schulleiter Ulrich Wessel zu: „Ich denke, dass die Leistungsnachweise praktischer und weniger Literatur basiert werden müssen.“ Das könnte beispielsweise eine mündliche Prüfung oder der Einbezug von praktischen Experimenten sein.
KI macht auch Fehler
Miriam Krieger unterrichtet Mathematik und Biologie am Joseph-König-Gymnasium. Sie hat bereits die Anwendung von Chat-GPT in ihrem Unterricht eingebaut. „In Mathematik konnten wir gemeinsam Fehler identifizieren“, erzählt die Lehrerin.
„Denn zum Beispiel war der Rechenweg anders, als wir im Unterricht gelernt haben. Anstatt der bekannten p-q-Formel, kam eine andere zum Einsatz, die wir nicht gelernt haben.“ Hier würde man dann beispielsweise auch einen Täuschungsversuch erkennen.
Die Abiturientinnen Louisa, Helena und Emma haben bislang Chat-GPT nicht genutzt. „Mich hat vor allem die Registrierung abgeschreckt und weil ich nicht wusste, was mit meinen Daten passieren wird, habe ich die Anmeldung abgebrochen“, sagt Louisa Balding.

Generell sehen die drei Halternerinnen die Entwicklung kritisch. „Irgendwie habe ich das Gefühl, dass so die eigene Leistung immer weniger wert wird“, meint Helena Schrief. „Und auch später Konsequenzen in verantwortungsvollen Berufen haben wird“, ergänzt Emma Sandrock. „Wenn angehende Ärzte die Prüfung bestehen, aber im Alltag gar nicht wissen, was sie tun, macht mir das schon Angst.“
Beziehungsarbeit ist wichtig
Eine KI ist nur so schlau, wie die Menschen, die sie programmieren. Deshalb ist auch Chat-GPT nicht unfehlbar. „Aus diesem Grund ist es um so wichtiger, den Schüler einen reflektierten Umgang beizubringen“, sagt Nicole Preissler. Sie unterrichtet Geografie und Sozialwissenschaften.
„Lehrerinnen und Lehrer werden deshalb immer mehr zur Lernbegleitung und müssen verstärkt auf einen kritischen Umgang mit künstlicher Intelligenz setzen. Letztendlich können wir die Schülerinnen und Schüler nicht davon abhalten und das ist auch nicht unser Ziel.“
Kritischer Umgang mit KI ist wichtig
Diese Umgangsempfehlung geht auch aus dem aktuellen Handlungsleitfaden des Ministeriums für Schule und Bildung des Landes NRW hervor. „Vor dem Hintergrund des Bildungs- und Erziehungsauftrags der Schule muss sich das Bildungssystem daher mit neuen Entwicklungen und Auswirkungen befassen“, so wird es in dem Schreiben des Landes formuliert.
„Wir möchten Sie daher bitten, sich offen und konstruktiv mit den neuen Möglichkeiten auseinanderzusetzen und diese im Unterricht zu thematisieren.“ Insbesondere sei es wichtig, das Thema „Fehlinformation“ im Unterricht in den Blick zu nehmen.
Chatbot im Kindergarten: Künstliche Intelligenz hilft Kindern bei ihrer Abenteuergeschichte
Wasserwerk Haltern: Künstliche Intelligenz jagt den günstigsten Strompreis
Internet-Hype um künstliche Intelligenz: Was der Chatbot über die Stadt Haltern ausspuckt