Carsharing-Bedarf wird geprüft Stephan Schweitzer findet bei Grünen-Fraktion Gehör

Carsharing: Verwaltung soll den Bedarf in der Stadt prüfen
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Stephan Schweitzer schaut die Straße hinunter: „Hier stehen so viele Autos, die den ganzen Tag nicht genutzt werden“, sagt der Halterner. Das ist nicht nur in der Straße „In der Borg“ der Fall. Die Pkw-Dichte insgesamt steigt.

Noch nie gab es so viele Fahrzeuge pro Einwohner, hat das Statistische Bundesamt festgestellt. Der Trend zum Zweit- und Drittwagen hält an. „Und eigentlich braucht man nur einen Wagen richtig“, sagt Schweitzer. Er macht sich viele Gedanken über alternative Mobilität in Haltern.

„Ich will die Autos gar nicht verbannen“, betont er. Schließlich seien viele Menschen gerade in ländlichen Bereichen aufgrund mangelnder Infrastruktur darauf angewiesen. „Wie toll aber wäre es, wenn im Rahmen eines Carsharing-Projekts auch dort immer ein Fahrzeug zur Verfügung stünde?“, fragt er.

Zum Stichtag 1. Januar 2023 waren bundesweit rund 48,8 Millionen Pkw zugelassen. 78 Prozent aller Haushalte besaßen im vergangenen Jahr zumindest ein Auto. Der Anteil der Haushalte mit zwei Pkw lag bei 27 Prozent, während 6,2 Prozent über drei oder mehr Autos verfügten.

Zugeparkte Straßen und Gehwege

Auch das Ordnungsamt hatte im Februar eine „konstante Zunahme an Fahrzeugen auf Halterns Straßen“ festgestellt. So sei die Zahl der Pkw-Neuzulassungen von 21.311 im Jahr 2013 auf 24.547 im Jahr 2022 gestiegen. Weil die Zahl der Stellplätze an Wohnhäusern nicht genauso wächst, werden immer mehr Autos auf Straßen und Gehwegen abgestellt und blockieren mitunter sogar Rettungswege.

Stephan Schweitzer war im Bereich Logistik tätig, inzwischen ist er im Ruhestand. Seine Frau fährt täglich mit dem Wagen zur Arbeit nach Dortmund. „Mit unserem zweiten Wagen fahre ich fast nur zum Einkaufen, das könnte ich auch mit dem Fahrrad machen“, ist Schweitzer ehrlich. „Oder mich mit meiner Frau zwecks gemeinsamer Nutzung eines einzigen Fahrzeugs besser absprechen.“ Und für Fälle, in denen dann doch einmal ein weiteres Fahrzeug benötigt werde, böte sich doch ein Carsharing-Projekt an.

Man will flexibel sein

Stephan Schweitzer hat die Nachbarn befragt. Beim Thema Verzicht auf den Zweitwagen halten sich viele zurück, hat er festgestellt. „Man will die eigene Sicherheit, jederzeit überall hinzukommen und flexibel zu sein, nicht aufgeben“, mutmaßt er. Ein Stadtteilauto sei aber eine echte Alternative: „Es gibt immer ein Fahrzeug, wenn ich es brauche.“

Grüne greifen Thema auf

Bei den Grünen stieß der Halterner mit einem entsprechenden Bürgerantrag auf offene Ohren. Die Fraktion hat das Thema im Rat der Stadt eingebracht. „Carsharing hat das Potenzial, die Anbindung der Ortsteile zu verbessern und attraktiver zu gestalten sowie mit seinem verkehrsreduzierenden Effekt eine Maßnahme unseres Klimaschutzkonzepts zu werden“, stellt Fraktionsgeschäftsführerin Ulrike Doebler im Antrag der Grünen fest.

„Viele Haushalte könnten auf einen Zweit- oder Drittwagen verzichten, wenn Sharing-Alternativen zur Verfügung stünden oder wären bereit, ein eigenes Fahrzeug in einem Carsharing-Pool gegen Nutzungsentgelt zur Verfügung zu stellen“, meint die Fraktion. Für Personengruppen, die sich gar kein eigenes Fahrzeug leisten können oder möchten, seien solche Projekte zudem „von hoher sozialer, wirtschaftlicher und ökologischer Bedeutung“.

Ihr Fazit: „Für Haltern am See wäre ein gewerbliches Carsharing-Angebot für das gesamte Stadtgebiet wünschenswert.“

Lennart Topp (Stadtteilauto cambio Regio, l.) übergab den Autoschlüssel an Nicolas Brinckmann (WohnBau Münsterland).
In Dülmen wurde im Februar eine Stadtteilauto-Station offiziell eröffnet. Lennart Topp (Stadtteilauto cambio Regio, l.) übergab den Autoschlüssel an Nicolas Brinckmann (WohnBau Münsterland). © Thomas Aschwer

Die Beschlussvorlage wurde in der Ratssitzung Ende September mehrheitlich durchgewunken. Nun soll die Verwaltung das Interesse der Öffentlichkeit am Thema Carsharing abfragen und Möglichkeiten eines Angebots für Haltern untersuchen. Stephan Schweitzer ist sicher: „Wenn Carsharing in Dülmen funktioniert, warum dann nicht auch in Haltern?“

Für den ländlichen Raum

In der münsterländischen Nachbarstadt betreibt das aus dem Umweltverein Verkehrswende in Münster entstandene Unternehmen Stadtteilauto (cambio Regio) erfolgreich eine Carsharing-Station. Und auch in deutlich kleineren Städten und Gemeinden als Haltern, unter anderem in Ostbevern, Nottuln-Appelhülsen, Havixbeck und Senden, ist es aktiv. „Haltern könnte für uns auch sehr spannend sein“, erklärt Stadtteilauto-Projektmanager Stephan Domke auf Anfrage. Gerade für den ländlichen Raum „und auch gerne in Stadtteilen“ gebe es interessante Modelle.

Domke verschweigt nicht, dass ein Ankermieter - einer, der das Fahrzeug regelmäßig nutzt - zu Beginn eines solchen Projekts zwar nicht erforderlich, aber hilfreich sein könne. „Denn Carsharing funktioniert nicht von heute auf morgen.“

Erfahrungsgemäß dauere es etwa ein halbes Jahr, bis Bürger sich von ihrem Zweitwagen trennten und vollends auf das Carsharing-Projekt einlassen würden. Ein Ankermieter könne auch die Stadtverwaltung sein.

Stellplatz am Bahnhof

Und wo sollte ein solches Auto stehen? Stephan Schweitzer hat auch hier eine Antwort parat: „Die Stadt könnte am Bahnhof einen Stellplatz zur Verfügung stellen.“

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