Bürgermeisterkandidatin Beate Pliete (SPD) will den Tourismus in Haltern besser steuern, den Wirtschaftsstandort stärken und dem Klimaschutz in der Stadt mehr Raum geben.

© Ilka Bärwald

Bürgermeisteramt: SPD-Kandidatin Beate Pliete will alle Bürger mitnehmen

rnInterview zur Kommunalwahl

Sie möchte den Dialog mit den Bürgern ausbauen und Politik transparenter machen. SPD-Bürgermeisterkandidatin Beate Pliete will Haltern noch lebenswerter machen.

Haltern

, 20.08.2020, 05:00 Uhr / Lesedauer: 5 min

Beate Pliete ist die einzige Frau unter den Bewerbern für das Bürgermeisteramt in Haltern. Wir sprachen mit ihr über ihre Kandidatur, über Politik und Problemlösungen für die Stadt Haltern.

Sie haben die Wacholderheide als Treffpunkt gewählt, weil sie zu Ihren Lieblingsorten zählt. Können Sie uns kurz sagen, warum?

Die Wacholderheide liegt auf meinen fast regelmäßigen Spaziergängen. Hier passt es ganz gut mit den Hunden. Besonders im Frühjahr und im Herbst besuchen wir diese Heide oft. Ich genieße das, weil es hier recht ruhig ist, und weil es hier gut riecht. Hier fühle ich mich einfach wohl.

Sie bewerben sich zum zweiten Mal für das Bürgermeisteramt. Was hat Sie bewogen, noch einmal zu kandidieren?

Ich trete noch einmal an, weil ich beim letzten Mal nicht gewonnen habe. Ich möchte nach wie vor Bürgermeisterin dieser Stadt werden, weil ich etwas gestalten und bewegen möchte. Das gelingt in der Opposition zum Teil. Die SPD hat einiges erreicht, aber lange nicht alles umsetzen können, zum Beispiel unseren Eigenbetrieb Kommunales Bauen, Stichwort bezahlbares Wohnen. Das würde ich in dieser Stadt gerne angehen und verändern. Ich möchte außerdem transparente Politik machen und die Leute mitnehmen. Ich glaube, die Stadt braucht einen Politikwechsel.

Was bringen Sie für dieses verantwortungsvolle Amt in Haltern mit?

Die einen sehen das Amt aus einer Verwaltungsführungsrolle, die anderen aus dem politischen Gestaltungsanspruch. Ich komme aus Letzterem und glaube, dass man als Bürgermeister(in) eine Verantwortung hat, die Stadt politisch und gesellschaftlich zu gestalten. Diesen Anspruch möchte ich umsetzen. Dass ich Politik machen kann, habe ich in den letzten Jahren bewiesen. Man muss Rückgrat haben und Verantwortung übernehmen wollen. Man darf sich nicht verbiegen lassen, muss aber trotzdem kompromissbereit sein und auf die Leute zugehen, miteinander sprechen und verlässlich sein.

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Interview mit SPD-Bürgermeister-Kandidatin Beate Pliete

Auch in Haltern ist Politikverdrossenheit bei Bürgern zu spüren. Sie wollen Entscheidungen im Dialog herbeiführen. Wie kann das gelingen?

Da gibt es verschiedene Instrumente. Zum einen muss man das, was man entscheidet, transparenter machen, indem man es öffentlicher macht. Es darf keine Entscheidung sein, die ausschließlich in einem Ratssaal oder einem Zimmer

der Verwaltung getroffen wird. Man muss vorher und nachher mit den Bürgern sprechen, um die Entscheidung zu erklären, weil man natürlich nie alle Bürger damit glücklich machen kann. Es wird immer Interessen geben, die gegeneinander stehen und wo man eine Kompromisslösung finden muss. Diese muss man kommunizieren.

Das bedeutet konkret?

Ich stelle mir vor, sehr regelmäßig Bürgerdialoge zu machen, mehr noch als wir es bisher bei unseren Ortsteilforen oder bei ISEK gemacht haben. Wir haben mit dem Forum für Demokratie, Respekt und Vielfalt über einen sogenannten Bürgerrat gesprochen. Auch das kann ein Instrument sein, das dazu beiträgt, viele Bürger mitzunehmen.

Beate Pliete ist bereit, Verantwortung zu übernehmen und die Politik in Haltern transparenter machen.

Beate Pliete ist bereit, Verantwortung zu übernehmen und die Politik in Haltern transparenter machen. © Ilka Bärwald

Kinderbetreuung ist ein wichtiges Thema in der Stadt. Wofür setzen Sie sich in diesem Bereich ein?

Wir brauchen dringend eine weitere Kindertageseinrichtung. Wir haben nicht nur jedes Jahr zu wenig Plätze im Angebot. Es findet ein Windhundrennen um die Plätze statt. Das möchte ich gerne beenden. Die ganze Situation mit Not- und Überhanggruppen zeigt uns, dass es auch wirtschaftlich absolut sinnvoll wäre, eine weitere Kita in Betrieb zu nehmen.

Ich glaube, in der Bürgerschaft gibt es mittlerweile sehr viel Bereitschaft, aufs Rad zu wechseln, wenn das Angebot stimmt.

Und die Schulen?

Wir brauchen in den Schulen mehr Digitalisierung,. Dafür haben wir die Möglichkeiten, denn die Grundlagen sind durch die Verlegung der Glasfaseranschlüsse geschaffen. Jetzt müssen wir die Kinder, aber auch die Lehrenden in die Lage versetzen, mit diesen neuen Medien zu arbeiten. Gerade Corona hat gezeigt, wie nötig das ist. Und wir müssen das auch so gestalten, dass auch die mitgenommen werden, deren Elternhaus nicht so Technik affin oder finanziell in der Lage ist, diesen Weg mitzugehen. Nicht jeder kann seinem Kind einen Laptop kaufen. Das müssen wir so sozial gestalten, dass wir alle Menschen mit den neuen Medien vertraut machen können. Ich glaube, dass die künftige Berufswelt ohne eine digitale Kompetenz nicht mehr auskommen wird.

Wie könnte der Wirtschaftstandort Haltern gestärkt werden?

Wir müssen unsere Gewerbegebiete entwickeln. Wir als SPD setzen uns seit Jahren dafür ein, dass der Standort AV 8 weiter für Gewerbe und Industrie zur Verfügung steht. Es handelt sich um einen Standort, wo man die Industrie bereits akzeptiert hat und Fläche bereits versiegelt ist. Ich bin sehr dafür, dass man den Flächenverbrauch sehr schonend angeht, aber solche Flächen, die bereits versiegelt sind, weiterhin für Industrie und Gewerbe nutzt. Ich hätte mir sehr gewünscht, dass man das gemeinsam mit der Stadt Marl und dem Nachbarstandort AV 7 entwickelt. Das ist anscheinend nicht gelungen.

Die Wacholderheide zählt zu den Lieblingsorten von Beate Pliete

Die Wacholderheide zählt zu den Lieblingsorten von Beate Pliete. © Ilka Bärwald

Das Fahrrad spielt in Ihrem Verkehrskonzept als Fortbewegungsmittel vor allem im Stadtgebiet eine zentrale Rolle. Wie wollen Sie noch mehr Bürger aufs Rad bekommen und warum?

Der motorisierte Verkehr ist stark zunehmend. Das belastet die Straßen und die Anwohner, verursacht Lärm- und CO2-Emissionen, die wir alle reduzieren wollen. Dafür muss Radfahren attraktiv sein. Das ist es durch mehr und sichere Radwege. Wir haben einige Innenstadtbereiche, wo es keine Radwege gibt. Ich glaube, in der Bürgerschaft gibt es mittlerweile sehr viel Bereitschaft, aufs Rad zu wechseln, wenn das Angebot stimmt. In Innenstadtbereichen wie am Schüttenwall und an der Münsterstraße, aber auch Richtung Hamm-Bossendorf ist die Situation sehr unsicher. Hier brauchen wir ein gutes Angebot an Radwegen, zumal die Verbindung nach Hamm-Bossendorf auch von Schulkindern genutzt wird.

Sie fordern ein lokales Klimaschutzmanagement. Was sagen Sie zur neuen Klimaschutzbeauftragten in Haltern?

Die Verwaltung hat eine zentrale Forderung der Politik der Grünen und der SPD aus dem letzten Jahr umgesetzt. Wir haben immer gesagt, dass dieser Fachbereich der Verwaltung ausgebaut werden sollte. Die Klimaschutzmanagerin muss in den meisten Fragen, die wir im Rat entscheiden, mit einbezogen werden. Man muss alle Sachverhalte unter dem Aspekt des Klimaschutzes prüfen und natürlich dann am Ende Ökologie und Ökonomie abwägen.

Wir brauchen dringend eine weitere Kindertageseinrichtung.

Sie wollen das Generationenwohnen in Haltern fördern. Wie kann dieses Ziel konkret umgesetzt werden?

Es gibt beispielsweise in Haltern eine Interessengruppe für Mehrgenerationenwohnen. Diese sucht dringend eine Fläche. Wir brauchen mehr Flächen, wo wir genau definieren, dass wir dort Mehrgenerationenwohnen wollen. Dafür müssen wir städtische Flächen eruieren und für solche Projekte vorhalten. Ich glaube, dass man hier auch sehr viel informell unterstützen und gemeinsam mit solchen Interessengruppen weitere Projekte stemmen kann.

Die Baupolitik befindet sich im Spannungsfeld zwischen Unternehmerinteressen und Bürgerwünschen. Oder wie sehen Sie das?

Es ist eine riesige Herausforderung, die man aus ganz verschiedenen Perspektiven betrachten muss. Zum einen müssen wir in der Verwaltung den Bau- und Planungsbereich dringend personell stärken. Die Mitarbeiter, die dort beschäftigt sind, machen gute Arbeit. Aber es sind zu wenig. Hier muss man mehr Fachkompetenz einkaufen und auch mehr Stellen schaffen. Gerade weil es hier viele Problemstellungen gibt.

Zum Beispiel?

Dazu gehören die Interessen der Investoren, die bauen wollen, auf der anderen Seite die berechtigten Interessen der Anwohner, die ihr Umfeld erhalten möchten. Veränderungen sind immer schwer zu akzeptieren. Gleichwohl baut man Häuser 2020 nicht so wie 1980 oder 1960. Ich glaube, hier muss man die Leute mit Gesprächsangeboten miteinander vernetzen und die Prozesse transparent machen.

Beate Pliete will sich für mehr bezahlbaren Wohnraum in Haltern stark machen und die Bürger von Wohnbauprojekten profitieren lassen.

Beate Pliete will sich für mehr bezahlbaren Wohnraum in Haltern stark machen. © Ilka Bärwald

Und wie kann man in Haltern mehr Wohnraum für den kleinen Geldbeutel schaffen?

Wir setzen uns sehr für das bezahlbare Wohnen ein. Einer unserer Vorschläge ist der Eigenbetrieb Kommunales Bauland, der nicht nur ähnlich wie eine Wohnungsbau- oder Wohnunggesellschaft zu sehen ist. Wir hatten auch vorgesehen, dass es bei der Entwicklung von Baugrundstücken eine 25 Prozent-Quote gibt, die an die Stadt geht. Boden ist nicht vermehrbar und nicht ersetzbar. Diese Stadt gehört den Bürgerinnen und Bürgern und deshalb sollten diese auch davon profitieren, wenn es hier Baureifmachungen gibt. Die 25 Prozent-Quote hätte die Stadt in die Lage versetzt, eigene Ressourcen zu schaffen, um später einmal korrigierend in den Markt einzugreifen, indem man selbst Wohnungen baut. Wir müssen uns mit verschiedenen Wohnformen beschäftigen. Nicht jeder kann sich hier in Haltern ein Ein- und Zwei-Familienhaus leisten. Es muss an Stellen, die geeignet sind, Geschosswohnungsbau geben, die Katharinenhöfen zum Beispiel.

Fehlen im Halterner Rathaus weibliche Gesichter in wichtigen Funktionen?

Ja, das ist tatsächlich so. Ich bin der Meinung , dass Frauen Verantwortung übernehmen können und sollen. Ich habe den Bürgermeister im letzten Jahr dafür kritisiert, dass es die Frauen in der Führungsetage unserer Verwaltung offenbar nicht lange aushalten. Ich glaube, das sind hausgemachte Probleme und würde mir wünschen, dass es mehr Respekt und Toleranz gegenüber dem anderen Geschlecht gibt und man nicht in alten Klischees verharrt.

Wie sieht Haltern nach fünf Jahren aus, wenn Sie in dieser Zeit Bürgermeisterin wären?

Ich würde mir wünschen, dass es lebenswerter geworden ist, dass viele junge und ältere Menschen sagen „Ich habe hier eine Wohnung, in der ich gut leben kann, in der ich Haltern auch genießen kann.“ Ich würde mir auch wünschen, dass wir den Charme, den Haltern hat, erhalten. Ich glaube, wir müssen unbedingt etwas tun, um den Tourismus besser zu steuern, damit sich die Leute, die hier wohnen, nicht durch den Tourismus überfordert fühlen. Ich weiß, dass wir ihn brauchen, und er eine wichtige Rolle für den Handel und die Gastronomie spielt. Aber an den Hotspots ächzen die Anwohner doch sehr unter der Belastung. Hier würde ich gerne helfen, die Sache besser in den Griff zu bekommen, damit wir Haltern als freundliche und liebenswerte Stadt erhalten.

Zur Person

Beate Pliete (55) ist gebürtige Halternerin, absolvierte nach dem Abitur am Halterner Gymnasium eine Ausbildung als medizinisch technische Assistentin und arbeitete viele Jahre in diesem Beruf. Nach einer Familienphase war sie lange verantwortlich in einem Halterner Sporthaus beschäftigt. Beate Pliete ist verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne. 1994 trat sie in die SPD ein, seit 2009 ist sie Mitglied des Rates und seit 2013 Fraktionsvorsitzende. Seit 2009 ist sie im Team des SPD-Bundestagsabgeordneten Michael Groß tätig.