Bürgermeister von Haltern zu sein, war für Bodo Klimpel lange „der beste Job der Welt“. Nun sucht er einen beruflichen Neuanfang und zieht Bilanz nach 16 Jahren als Chef im Rathaus Haltern.
2004 ging die CDU erstmals mit Bodo Klimpel, dem damaligen Stadtkämmerer, als Bürgermeisterkandidat ins Rennen. Klimpel gewann insgesamt drei Wahlen. 2019 kündigte er an, sich beruflich neu orientieren zu wollen. Silvia Wiethoff und Elisabeth Schrief sprachen mit Bodo Klimpel über seine Bürgermeisterzeit in Haltern am See.
Sie waren von 2004 bis 2020 Bürgermeister von Haltern am See. War das vorübergehend der beste Job der Welt?
Für mich war der beste Job der Welt eigentlich schon immer Fußballprofi, da ich das mangels Talent nicht geworden bin, würde ich sagen: Ich bin sehr zufrieden mit diesem Job. Es ist ein schönes Amt, aber da mag es auf der Welt noch zwei, drei andere Jobs geben, die auch sehr schön sind.
War die Nominierung 2004 beruflich die Chance, auf die Sie immer gewartet haben?
Das kann ich so nicht sagen. Ich habe mich eigentlich immer dann mit den Schritten in meiner Karriere beschäftigt, wenn sie anstanden. Ich habe das nicht geplant. Ich war zum damaligen Zeitpunkt gerade drei Jahre Kämmerer in Haltern.
Drei Amtsperioden liegen nun hinter Ihnen. Sind Sie jetzt amtsmüde oder was ist der Grund, dass Sie eine beruflichen Veränderung anstreben?
Amtsmüde nicht, dazu sind die Halterner auch zu quirlig. Aber es ist schon die Entscheidung: Ich bin jetzt 56 und möchte noch einmal etwas anderes machen. Dazu habe ich mich entschlossen.
Was waren Ihre erfolgreichsten Projekte, an die Sie sich besonders gern erinnern?
Ich erinnere mich sehr gerne anfangs meiner Amtszeit an die Offene Ganztagsschule. Das war damals etwas ganz Neues. Ich erinnere mich auch sehr gerne an die neue Gestaltung der Sythener Ortsmitte. Allerdings erst, als sie fertig war. Dann erinnere ich mich sehr gerne an die Entwicklung der Baugebiete wie Elterbreischlag. Ich freue mich ebenso darüber, dass wir es geschafft haben eine große Zahl an Kita-Plätzen neu zu schaffen und auch darüber, dass wir nun in jedem Ortsteil einen Kunstrasenplatz haben.
Was ist nicht gut gelaufen?
Ich habe jeden Fehler, den ich begangen habe, sehr bereut und bin in der Tat sehr selbstkritisch. Da hätte das eine oder andere anders laufen können. Wichtig ist aber, dass man das erkennt und einsieht. Stichwort Elterbreischlag (Bauprojekt Seniorengerechtes Wohnen/Anm. d. Red.). Das ist natürlich eine Sache, die mir sehr ans Herz gegangen ist und die mich sehr mitgenommen hat. Da ist es wichtig, dass man mit diesen Situationen leben lernt und sich davon nicht unterkriegen lässt.
Sie haben es in Ihrer Bürgermeisterzeit geschafft, den städtischen Haushalt wieder in Ordnung zu bringen. Weil dafür von den Bürgern Opfer abverlangt wurden, haben Sie einige Prügel einstecken müssen. War es dennoch der richtige Weg?
Der Weg war richtig, weil wir bis auf den Bildungsbereich alle Bereiche an der Konsolidierung beteiligt haben. Natürlich ist die Kritik an einigen Maßnahmen nicht unberechtigt. Die Alternative wäre allerdings gewesen, dass wir 2014 in eine bilanzielle Überschuldung gegangen wären. Wir wären wirklich schlichtweg pleite gewesen, hätten hier einen Sparkommissar gehabt und hätten überhaupt nicht mehr selber entscheiden können. Insofern glaube ich, dass dieser damalige Weg mit diesem einstimmig beschlossenen Haushaltssanierungsplan der richtige war.
Die Stimmung im Rathaus war nicht immer die beste. Lange Zeit haben sich zwei Dezernate mehr bekämpft als dass sie zusammengearbeitet haben. Wie belastend war das?
Bei einer Organisationseinheit wie sie die Stadt Haltern darstellt, ist nie Friede, Freude, Eierkuchen. Da muss ein Bürgermeister immer zwischen den einzelnen Ämtern und Dezernaten vermitteln, weil es wichtig ist, dass insgesamt die guten Lösungen nach vorne kommen. Ich habe von Anfang an immer versucht, klar zu machen, dass es nicht zufriedenstellend ist, wenn das Amt A einen guten Job macht und das Amt B nicht. Schlussendlich werden wir immer als Verwaltung gesehen. Deshalb ist es wichtig, dass alle an einem Strang ziehen. Das ist ein großer Koordinierungsaufwand, den jeder Bürgermeister zu leisten hat und der sehr anspruchsvoll ist.
Gaben diese Querelen den Ausschlag, auf einen Beigeordneten in der Bauverwaltung zu verzichten?
Die ganze Debatte kriegt einen Beigeschmack, den ich nicht mag. Man muss immer Realist sein. Einen technischen Beigeordneten für die Besoldungsstufe, die wir bezahlen können, haben wir zu dem Zeitpunkt nicht bekommen. Insofern war dann die Frage: Finden wir eine Lösung mit einem Dezernenten. Ich glaube, dass es die richtige Entscheidung war. Möglicherweise wäre das Amt sonst bis heute nicht besetzt.
Nach dem Fortgang beider Baudezernentinnen in relativ kurzer Zeit könnte der Eindruck entstehen, dass Frauen in der Führungsetage der Stadtverwaltung keine Chance haben. Woran ist das Miteinander gescheitert?
Frau Brachthäuser hatte ein Angebot vom Bistum Münster bekommen, das sehr attraktiv war und gut zu ihr passte. Bei Frau Dr. Rüdiger war es so, dass sie nach Aufnahme ihrer Tätigkeit bei der Stadt Haltern das Angebot für eine Stelle erhielt, die sie vorher immer gern gehabt hätte. Sie hat sich für das Angebot entschieden. Wir haben im Verwaltungsvorstand immer sehr gut zusammengearbeitet. Wir haben hier in der Verwaltung durchaus Frauen in Führungspositionen und ich habe in meinem Leben schon so oft Chefinnen gehabt. Da gibt es also keine Vorbehalte.
Wie würden Sie Ihr Verhältnis zu den Ratsparteien beschreiben?
Geschäftsmäßig gut. Punkt. Ich glaube, Politik hat immer mit persönlichen Verhältnissen zu tun. Mit dem einen versteht man sich besser, mit dem anderen nicht. Ich habe mir immer zum Ziel gesetzt, zu den Fraktionen zu gehen, wenn sie mit mir sprechen wollten. Ich kann mich an keine Situation erinnern, in der ich einer Fraktion einen Korb gegeben hätte.
Das Verhältnis zu politischen Gegnern oder Widersachern war nicht immer entspannt. Bisweilen sind Sie aus der Haut gefahren. Verliert man mit der Zeit eine gewisse Gelassenheit?
Ich mag nicht, wenn man Argumente ignoriert. Und wenn man immer etwas wiederholt, wird es dadurch ja nicht richtig, indem man es permanent wiederholt. Das mag den Eindruck erweckt haben, dass ich manches Mal genervt war. Provokationen gehören zum politischen Tagesgeschäft dazu.
Sie haben dennoch versucht, in interfraktionellen Runden Dampf aus dem Kessel zu nehmen. In Ausschüssen und im Rat blieben Diskussionen dann häufig fad. War diese Art der Politik dennoch der richtige Weg?
Es ist richtig, dass man Entscheidungen vorbereitet und Gespräche führt. Es ist in Haltern Tradition, dass nicht eine Partei dominierend ist und der Bürgermeister über eine absolute Mehrheit verfügt. Dann muss man Mehrheiten finden. Es ist normal, dass man Entscheidungen auslotet. Viele Beschlüsse fielen einstimmig. So schrecklich kontrovers sind die Sitzungen nicht. Sicherlich gab es in der letzten Periode die größten Kontroversen meiner Amtszeit. Ich wurde in einer Art und Weise angegangen, wo ich auch mal schlucken musste.
Gab es deshalb Momente, in denen Sie es bereut haben, Bürgermeister von Haltern geworden zu sein?
Nicht eine Minute.
Was war Ihre größte menschliche Enttäuschung?
Da muss ich wirklich politisch denken. Da möchte ich bitte nichts zu sagen.
Was war Ihr größter Glücksmoment?
Da gab es so viele. Ich habe mich unheimlich über das erste Haus im Elterbreischlag gefreut. Ich habe mich sehr gefreut, als die Baustelle am Dorfplatz Sythen lief. Es ist immer wieder etwas Schönes, wenn man Kräne stehen sieht und die Stadt sich entwickelt. Dass wir stark in die Entschuldung gegangen sind und über 30 Millionen Euro entschulden konnten, macht mich auch stolz.
Sie hatten als Bürgermeister viele Gäste. Welcher Gast hat Sie am meisten beeindruckt?
Ohne Zweifel Bundeskanzlerin Angela Merkel und Alt-Bundespräsident Joachim Gauck. Beeindruckt haben mich deren Natürlichkeit, Spontanität und Klugheit.
Wie viele Reden haben Sie gehalten?
Im Schnitt habe ich pro Jahr 70 Reden oder Grußworte gehalten. Als Kämmerer war ich es nicht gewohnt, vor Publikum zu sprechen. Ein guter Lehrmeister war mein damaliger Stadtsprecher Heinz Kallhoff, er hat mir gesagt, fünf Stichpunkte reichen, um eine freie Rede halten zu können.
Waren Sie auch mal sprachlos?
Das ist mir zum Glück nie passiert. Dazu muss ich aber auch sagen, dass ich Zentner an Papier gelesen habe, um mich in alle Themen einzuarbeiten. Ich habe tatsächlich schnell gelernt, auf alles und alle einzugehen. Natürlich gab es auch Themen, die ich nicht so sehr mochte. Aber meine Eltern haben mich zu Pflichterfüllung erzogen. Das hat mir immer geholfen.
Hätten Sie gern, dass eine Straße nach Ihnen benannt wird?
Nein. Man darf sich nicht so wichtig nehmen. Haltern als Stadt ist 731 Jahre alt, 715 Jahre vor mir hat es die Stadt gegeben und 715 Jahre nach mir wird es sie auch noch geben. Ich habe mich 16 Jahre bemüht, einen guten und ordentlichen Job als Bürgermeister zu machen und war jederzeit ansprechbar. Wenn man sich so an mich erinnert, ist es gut.
Wenn Sie als Rheinländer Außenstehenden Haltern und seine Menschen beschreiben sollten, was würden Sie sagen?
Als ich 2011 nach Haltern kam, hatte man mich vorher gewarnt und gesagt „Bevor Du mit den Westfalen auskommst, musst Du erst mal mit ihnen einen Sack Salz essen“. Das habe ich nie erlebt. Wenn man offen auf die Münsterländer und Westfalen zugeht, sind sie auch offen zu einem. Man muss natürlich die Gewohnheiten und das Brauchtum akzeptieren.
Muss man denn trinkfest sein?
Ach, wissen Sie, das muss man als Rheinländer auch sein (schmunzelt).
Wieviel Halterner bleibt bei Ihnen stecken, wenn Sie sich neuen Aufgaben widmen?
Dass Haltern die schönste Stadt im Kreis Recklinghausen ist, sagen viele Bürger im Kreis selber. Das ist keine Wortschöpfung von mir. Wenn man Bürgermeister ist, ist man natürlich auf die Stadt, die man repräsentiert, stolz. Dass Haltern objektiv eine sehr schöne Stadt ist mit einer traumhaft schönen Landschaft, das ist klar. Haltern am See ist eine Stadt, in der der Kreis Recklinghausen zweifelsohne besonders schön ist.
Haltern am See ist für mich Heimat. Hier lebe ich gern und hier arbeite ich gern: Als Redakteurin interessieren mich die Menschen mit ihren spannenden Lebensgeschichten sowie ebenso das gesellschaftliche und politische Geschehen, das nicht nur um Haltern kreist, sondern vielfach auch weltwärts gerichtet ist.

Jeder Mensch hat eine Geschichte zu erzählen und hinter jeder Zahl steckt eine ganze Welt. Das macht den Journalismus für mich so spannend. Mein Alltag im Lokalen ist voller Begegnungen und manchmal Überraschungen. Gibt es etwas Schöneres?
