Bitterer Nachgeschmack nach Schützenfest in Haltern Unfassbare Reaktionen zu sexueller Gewalt

Bitterer Nachgeschmack: Unfassbare Reaktionen zu sexuellen Übergriffen
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Anne Schiebener

Im ersten Moment war ich perplex. Mir ist keine schlagfertige Antwort eingefallen. „Nur, weil man damals nicht darüber berichtet hat, heißt das lange nicht, dass es in Ordnung war“, habe ich schließlich gesagt, das Telefonat beendet und das Gesagte sacken lassen.

Es ging um die Polizeimeldung, die wir veröffentlicht haben. Drei Mädchen wurden beim Schützenfest in Haltern sexuell belästigt. Der Vorfall hat hohe Wellen geschlagen - in ganz unterschiedliche Richtungen.

Die Polizei würde den Vorfall herunterspielen, hieß es in den sozialen Netzwerken. „Sexuell belästigt ist harmlos“, „ganz stark untertrieben“ oder „Vergewaltigung war das!“ - Nachrichten wie diese erreichten uns in Vielzahl.

Für die Polizei ist der Sachverhalt nach derzeitigem Kenntnisstand aber klar: Die Hinweise deuten auf sexuelle Belästigung hin. Mich schockiert, dass das vielen Leuten scheinbar noch nicht krass genug ist. Auch wenn nicht „Vergewaltigung“ darüber steht, haben die Männer eindeutig eine Grenze überschritten. Sie haben die Mädchen geküsst, sie haben sie berührt - all das ohne deren Zustimmung.

Täter-Opfer-Umkehr

Noch mehr hat mich allerdings der eingangs erwähnte Anruf schockiert. „Was haben 15-Jährige überhaupt so spät auf dem Schützenfest zu suchen? Wieso muss die Zeitung so groß darüber berichten? Früher - undenkbar. Sonst wäre ich mit 23 auch ein Vergewaltiger gewesen. Die Mädchen müssen ja auch nicht mit kurzen Hosen und hohen Hacken da rumlaufen.“

Das war in etwa der Wortlaut. Ich habe nicht mitgeschrieben, weil ich solche Sätze nicht erwartet habe. „Selbst schuld“, schwingt da mit. „Zieht euch vernünftig an und geht früher nach Hause.“ Alles daran ist falsch. Die Mädchen sind nicht schuld daran, dass sie begrabscht wurden. Es gibt genau drei Schuldige - und zwei davon waren zu Recht in Polizeigewahrsam.

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