Im April wurde die Notunterkunft Seestadthalle zu einer „Mischeinrichtung für geflüchtete Menschen aller Nationen“. Dass die Lebensbedingungen und die Verweildauer der Geflüchteten sich damit dramatisch geändert haben, war lange nicht bekannt
Im Februar 2023 hatte die Bezirksregierung Münster um eine Verlängerung der Nutzungsdauer bis Ende September und um eine Änderung der Nutzungsbedingungen gebeten. Seit Mitte April wurden dann keine Ukrainer mehr in der Seestadthalle untergebracht.
Der Asylkreis Haltern, ein Netzwerk von ehrenamtlich tätigen Menschen, örtlichen Kirchen und verschiedenen Institutionen wie dem Caritasverband Ostvest, das geflüchtete Menschen unterstützt, kämpft seit Monaten für eine Veränderung der Situation.
232 Bewohner
Insgesamt 232 Personen aus Syrien, Afghanistan, Irak, Iran, Türkei, Nigeria, Tunesien, Marokko, Myanmar und Algerien (Stand 14. August) wohnen in der Seestadthalle - allein reisende Männer und Frauen, keine Kinder. Jeweils sechs Personen teilen sich einen abgetrennten Bereich. Nach Angaben der Bezirksregierung wohnen sie bis zu vier Monate dort. Nach der Schließung der Seestadthalle droht ihnen eine erneute Unterbringung in einer anderen Not- oder Sammelunterkunft.
Der Asylkreis lehnt längerfristige Unterbringungen in solchen Unterkünften ab: Als geschlossene Systeme verhinderten sie jegliche Integrationsbemühungen der Zivilgesellschaft und förderten missbrauchsanfällige Abhängigkeitsverhältnisse.
Für Geflüchtete aus der Ukraine galt stets eine maximale Verweildauer von zwei Wochen.
Besondere Angebote gibt es kaum. Lediglich sportliche Betätigung ist mithilfe des TuS Haltern möglich. „Diese Lebensumstände tragen nicht gerade zur Zufriedenheit der Geflüchteten bei“, sagt Hermann Döbber vom Asylkreis. In der Folge sei auch die Nachbarschaft zunehmend beunruhigt, es habe bereits vereinzelt Beschwerden gegeben.
Belastung durch Asylverfahren
Hinzu komme die besondere Belastung aufgrund des Asylverfahrens. Bei den Geflüchteten handelt es sich um „allgemeine Asylbewerber“. Während ukrainische Staatsangehörige sich visumfrei in Deutschland und 90 Tage frei und ohne Registrierung in der EU aufhalten dürfen, müssen diese Asylbewerber sich dem streng reglementierten Asylverfahren stellen.
Jeder Asylantrag soll nur durch einen einzigen Mitgliedsstaat des Dublin-Abkommens (EU, Schweiz, Norwegen, Island, Fürstentum Liechtenstein) geprüft werden. Das Dublin-Verfahren bestimmt den zuständigen Mitgliedstaat. In aller Regel ist dies der Staat, der zuerst von den Geflüchteten betreten wurde.

Damit droht vielen Geflüchteten, auch denen in Haltern, die Überstellung in den für das Asylverfahren zuständigen Staat. „Man kann sich vorstellen, wie groß die Sorge der Geflüchteten, die in Deutschland bleiben wollen, ist“, sagt Hermann Döbber. „In ihrer großen Notlage suchen sie überall in der Stadt Hilfe.“ Denn für eine Verfahrensberatung sorge die Bezirksregierung nicht. Auch mangele es an einem unabhängigen Beschwerdemanagement sowie an Deutschkursen und Dolmetschern.
„Total überfordert“
Der Asylkreis steht seit April mit einem Beratungsmobil regelmäßig vor der Seestadthalle. Der Zulauf ist groß.
„Wir sind kapazitätsmäßig total überfordert“, heißt es. Der Asylkreis sei von der Umwidmung überrascht worden. „Wir konnten uns nicht auf die Situation und Bedarfe dieser Menschen vorbereiten, weil Bezirksregierung und Stadt uns nicht über die deutlich verschlechterten Aufenthaltsbedingungen informiert haben.“
Die Bezirksregierung hat inzwischen auf die Vorwürfe reagiert und sich mit Vertretern des Asylkreises und der Stadt getroffen. Ein Beschwerdemanagement und eine Verfahrensberatung könne bei Notunterkünften nicht standardmäßig angeboten werden, teilte die Behörde mit. „Zurzeit finden Gespräche statt, um für die Zeit bis zur Schließung der Einrichtung ein Beschwerdemanagement und eine Verfahrensberatung per E-Mail und per Telefon über eine Zentrale Unterbringungseinrichtung im Regierungsbezirk Münster anbieten zu können.“
Zu spät?
Die Bemühungen kommen spät. Zum 30. September wird die Notunterkunft Seestadthalle bereits geschlossen. „Es ist fraglich, ob so überhaupt noch vielen Geflüchteten geholfen werden kann“, meint der Asylkreis. Für einige Menschen sei die begründete Widerspruchsfrist gegen einen Ablehnungsbescheid dann längst abgelaufen.
„Die Bewohner sollen nach Möglichkeit in andere Kommunen verlegt werden“, erklärte die Bezirksregierung weiter. „Sofern dies nicht möglich ist, werden sie in andere Landeseinrichtungen innerhalb des Regierungsbezirks Münster verlegt.“
Ob einige Geflüchtete aus der Seestadthalle eine neue Bleibe in den Wohncontainern an der Annabergstraße finden, ist offen. „In die neue Unterkunft kommen Bewohnerinnen und Bewohner, die uns von der Bezirksregierung Arnsberg zugewiesen werden. Diese entscheidet auch darüber, ob Geflüchtete, die derzeit in der Seestadthalle leben, dort untergebracht werden“, sagt Stadtsprecherin Sophie Hoffmeier.
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