Seit gut einer Woche arbeitet die Firma Kalkofen an der Bedachung des Siebenteufelsturms. Die angewandte Methode ist alles andere als gewöhnlich.

Haltern

, 21.10.2018, 05:55 Uhr / Lesedauer: 4 min

Es rattert und quietscht unangenehm vom Dache des Siebenteufelsturms an der Turmstraße. Das Geräusch der Flex ist unverkennbar. Dann regnet es Holzspäne auf den Boden. Die Überreste guten Fichten- und Tannenholzes sind es, um genau zu sein.

Die zwei Dachdecker Nedim Dahic und Marcel Sandschneider von der Firma Kalkofen arbeiten hier täglich Stunden um Stunden auf dem staubigen Gerüst in etwa 24 Metern luftiger Höhe. Mit dem Trennschleifer werden die etwa zwei Meter langen Latten in kleine, turmgerechte Stücke zerlegt. „Das sind aufwendige Arbeiten, denn jede Latte hat ein anderes Maß und muss per Hand angepasst und zurecht gesägt werden“, sagt Nedim Dahic. Zuvor wurden Unterspannbahnen in Segmenten auf den Dachstuhl verlegt. Das ist die grüne Folie, die man auch auf Hausdächern sieht. Sie dient als Wetterschutz.

Über eine schmale Leiter muss Marcel Sandschneider mindestens zweimal täglich das Dach des Siebenteufelsturms auf 24 Metern Höhe erklimmen.

Über eine schmale Leiter muss Marcel Sandschneider mindestens zweimal täglich das Dach des Siebenteufelsturms auf 24 Metern Höhe erklimmen. © Alina Meyer

Um den Turm einzulatten, brauchen wir etwa 1600 Meter Latten. Für ein normales Haus wird gerade mal ein Viertel der Menge benötigt“, sagt Patrick Kalkofen, Technischer Leiter der Firma. Zuerst wird die Konterlattung - die Längslatten - gesägt, verlegt und verschraubt. Dann folgt die Tragelattung - die Querlattung. Mehrere Sägen, Bohrmaschinen und Holzlatten liegt am Dache des Turms bereit. „Das Material haben wir vor ein paar Tagen per Kran hier hochgeschafft“, sagt Kalkofen.

Etwa zwei-, dreimal täglich müssen die Handwerker das Dach des Turms über die schmalen Leitern Etage für Etage erklimmen. Bestenfalls einmal zu Schichtbeginn und einmal für die Mittagspause.

Arbeiten in 86 Metern Höhe auf der Zeche Auguste Victoria

Auch wenn die Aussicht über die Dächer von Haltern bei Sonnenschein schon spektakulär ist, sind solche Höhen für die Dachdecker keine Seltenheit. „Das ist unser Job. Als wir den Förderturm auf der Zeche Auguste Victoria in Marl abgedichtet haben, haben wir mal auf 86 Metern Höhe gearbeitet“, sagt Patrick Kalkofen. Das ist in der Tat noch mal eine andere Luftnummer.

Die 27 Meter Turmhöhe machen dem Halterner nichts aus. Völlig schwindelfrei steht der 25-Jährige freihändig auf dem hohlen Dachstuhl und schraubt die letzten Holzlatten mit dem Akkuschrauber fest. Besonders abgesichert sind die zwei Arbeiter nicht. „Wenn sie abrutschen sollten, fallen sie einfach in das Netz, das am Geländer befestigt ist“, sagt Kalkofen. Ist das denn schon mal passiert? Die beiden Handwerker schütteln die Köpfe. Auch abgerutscht ist zum Glück noch niemand.

Eine Holzlatte reiht sich an die andere

Die Holzkonstruktion an sich sieht schon sehr künstlerisch aus. Wie in einem Spinnennetz schmiegt sich eine Holzlatte reihum an die andere. „Die Latten müssen einen Abstand von etwa 15 Zentimeter haben. Sie müssen also sehr eng gelegt werden, deshalb dauern die Arbeiten solange“, sagt Nedim Dahic. Der Freitag ist der vierte Tag, an dem die Zwei an der Einlattung arbeiten.

„Nun kommen die Biberschwänze auf das Dach“, kündigt Patrick Kalkofen an. „Die Dachziegel“. Auch hier werden ungewöhnlich viele verbaut – in roter Farbe. „Bei einem normalen Haus brauchen wir 1500 Stück, der Turm verlangt schlappe 5000 Biberschwänze, auch wenn das Dach wesentlich kleiner ist.“ Diese Ziegel sind an der Unterkante halbrund geformt und in der Mitte durch einen Strich halbiert. Die Form erinnert an den Schwanz des namensgebenden Tiers.

Die Ziegel wurden allesamt in der sogenannten Strangfalzpresse hergestellt. „Das kann man sich so vorstellen wie das Plätzchenbacken mit dem Fleischwolf. Der Ziegel kommt aus der Presse raus und wird vorne abgeschnitten“, sagt Kalkofen.

„Das ist das Hübscheste, das es auf dem Dachdeckermarkt gibt“

Bei der Technik, die die Dachdecker verwenden, überdeckt der dritte Ziegel immer noch den ersten. „Das ist das Hübscheste, das es auf dem Dachdeckermarkt gibt“, sagt Kalkofen. Die besonderen Ziegel wiegen doppelt so viel wie ein normaler Dachziegel. Ein weiterer Vorteil: Die Deckung kann ohne Mörtel verlegt werden. Dieser müsse sonst regelmäßig wieder instand gesetzt werden. „Jeder einzelne Dachziegel muss außerdem gut verschraubt werden. Wir brauchen also nicht nur 5000 Dachziegel, sondern auch rund 12.000 Schrauben“, sagt der Technische Leiter.

Selbst der Laie merkt, dass es sich bei der Bedachung des Siebenteufelsturms nicht um eine Standardmethode handelt. „Das ist wahre Dachdeckerkunst, die wir hier betreiben. Wir decken das Dach im altertümlichen Sinne und wollen so den historischen Charakter des Turms aufrechterhalten. Mit den vielen Dachpfannen wollen wir das Dach langlebiger und haltbarer machen, zumindest für die nächsten 30 Jahre“, sagt Kalkofen.

Schneepfannengitter sind heute Pflicht

In der nächsten Woche werden also die Pfannen an das Dach geschraubt, danach soll auch der Landsknecht wieder oben an der Spitze des Turms thronen. „Den werden wir aber vorher nochmal restaurieren und wetterfest machen“, sagt der Technische Leiter. Auch er sehe nach dem vielen Jahren ziemlich mitgenommen aus.

Damit der Siebenteufelsturms auch nach Vollendung der Arbeiten wieder in hellem Lichte strahlt, werden die Lampen wieder auf dem Dach angebracht. Zusätzlich bekommt der Turm Schneepfannengitter, die sind heute zumindest bei öffentlichen Gebäuden Pflicht.

Bei Frost wird das Zeitfenster am Tag kleiner

„Wir hoffen, dass wir noch vor Beginn des Frosts fertig sind“, sagt Kalkofen. Sonst können wir hier nicht weiterarbeiten, weil die Ziegel dann zu glatt sind. Bei dem aktuellen Wetter weiß man ja nie, was einen erwartet.“ Bei Frost hätten die Arbeiter zum Teil nur ein Tageszeitfenster von etwa vier bis sechs Stunden. „In dieser Zeit muss man dann versuchen das zu schaffen, wofür man sonst acht Stunden hat.“

Besonders in diesem Jahr hatte die Firma Kalkofen mit dem Wetter zu kämpfen. „Von Dezember bis Februar hat es fast durchgehend geregnet, dann hatten wir mehrere Monate Sturmzeit, was unsere Arbeit auch nicht gerade erleichtert hat und dann war es im Sommer so unglaublich heiß.“

Die Rekordtemperatur auf dem Dach lag in diesem Jahr bei 78 Grad

Diese Hitze bekommen die Handwerker besonders auf den Dächern zu spüren: „Die Dächer heizen sich durch die Strahlungswärme extrem auf. Unser Rekordwert lag in diesem Sommer bei 78 Grad“, sagt Kalkofen. Die Dachdecker entscheiden nach eigenem ermessen, wann sie die Arbeiten unterbrechen müssen. Normalerweise ist bei 35 Grad Schluss.

26 Grad, kein Wind und ein bisschen Sonne - das sei laut Patrick Kalkofen das perfekte Dachdeckerwetter. Ein paar Tage gäbe es davon im Jahr. Noch ist jedenfalls kein Frost in Sicht. In etwa drei Wochen sollen die Arbeiten am Siebenteufelsturm abgeschlossen sein - und Nedim Dahic und Marcel Sandschneider auf einem anderen Dach sitzen.