Marianne Stenner, Marlies Breuer, Illa Schaefer, Bernd Valtwies und Johannes Beckmann tüten die Weihnachtspost des Altertumsvereins ein.

© Elisabeth Schrief

Kriegsgefangen in Haltern: Von Speck geträumt, Kartoffelschalen gegessen

rnWeihnachtspost

Wenn der Magen leer ist, dann schmerzt er. „Es ist ein Gefühl nicht von dieser Welt“, schreibt ein britischer Gefangener aus dem Lager Sythen. Nachzulesen in einer besonderen Weihnachtspost.

Haltern

, 18.12.2021, 12:00 Uhr / Lesedauer: 2 min

Der Verein für Altertumskunde und Heimatpflege Haltern hat es sich unter anderem zur Aufgabe gemacht, historische Ereignisse vor 1945 aufzuarbeiten. In diesem Jahr geht es um das Thema „Kriegsgefangen im Ersten Weltkrieg“, ausgearbeitet hat es Autorin Eva Masthoff. Die Schrift wurde allen Vereinsmitgliedern als Weihnachtspost zugestellt.

Ausgangspunkt der Recherchen war eine E-Mail des britischen Historikers Alan Roberts an den Halterner Arzt Dr. Hermann Kremer. Daraus ergaben sich überraschende Erkenntnisse, die schließlich zu den Beschreibungen aus dem Gefangenenlager für deutsche Offiziere in England, über die abenteuerliche Flucht zwei englischer Soldaten durch Haltern mit Festsetzung im Gefängnis an der Goldstraße, bis hin zu berührenden Geschichten aus dem Kriegsgefangenenlager am heutigen Silbersee II führten.

Recherchen zum Gefangenenlager in der Sythener Mark

„Besonders interessant sind für uns die Recherchen zum Kriegsgefangenenlager in der Sythener Mark“, schreibt Vorsitzender Franz Schrief im Vorwort. Denn dort befand sich ab 1914 ein Lager für 10.000 Gefangene, vor allem aus Belgien, Großbritannien, Frankreich und Russland. Eva Masthoff hat berührende Geschichten, wie die des hungernden Soldaten, zusammengetragen, der von Frühstücksspeck und Marmelade träumte, aber nur Kartoffelschalen zu essen hatte.

Eva Masthoff hat intensiv recherchiert, um dann berührende Geschichten über Gefangene im Ersten Weltkrieg aufzuschreiben.

Eva Masthoff hat intensiv recherchiert, um dann berührende Geschichten über Gefangene im Ersten Weltkrieg aufzuschreiben. © Benjamin Glöckner (A)

„Dr. Kremer hatte mich gebeten, die Anfrage von Alan Roberts nach einem Seekadetten Hans Sujata und dessen Heimatadresse in der russischen Siedlung Alexandrowka zu beantworten“, erinnert sich Eva Masthoff an den Ausgangspunkt einer aufwendigen Arbeit im August 2019. Bekanntlich hat Dr. Hermann Kremer (der im Dezember überraschend verstorben ist) zwei Häuser in der Alexandrowka restauriert und eines als Museum hergerichtet. „Mit der Übersetzung hätte die Geschichte auch für mich ein Ende gehabt, hätte diese nicht mein Interesse gezündet.“

Eva Masthoff: „Jeder Kontakt löste neue Fragen aus“

Eva Masthoff hegte nämlich die vage Hoffnung, dass sich unter den Kriegsgefangenen im englischen Lager auch solche aus Haltern oder näherer Umgebung befunden hatten. Was zwischen Mitte August 2019 und Juni 2020 also folgte, war ein reger, oftmals fieberhafter und immer fruchtbarer E-Mail-Austausch mit Alan Roberts und später mit Anne Buckley in Skipton, Dozentin an der Universität Leeds. „Jede Antwort beider Kontakte auf meine Flut von Fragen löste bei mir eine weitere Litanei von Fragen aus“, erzählt Eva Masthoff über ihre am Ende fast einjährige Arbeit.

Jetzt lesen

Wo immer Roberts sich während der letzten Etappen seiner eigenen Spurensuche befand, hielt er parallel Ausschau nach Dokumenten, Briefen, altem Fotomaterial sowie Literatur über britische Gefangene im Kriegsgefangenenlager bei Hausdülmen. Eva Masthoff sprach Halterner an, die weitere Beiträge leisten konnten. Menschen wie etwa den Sythener Heimatfreund und Sammler Markus Stuckstette oder den Autoren und Fotografen Rolf Behlert.

Eine Bereicherung für Halterns Heimatgeschichte

Die Leser der Ausarbeitung sind begeistert. Sie sprechen von einer „höchst interessanten Arbeit über individuelle Spuren, die ein solch epochales Ereignis, wie der erste Weltkrieg, hinterlässt – bis vor unsere eigene Haustür.“ Oder: „Ich habe Ihre Schrift mit großem Interesse gelesen und sehr viel Neues erfahren, sie ist eine Bereicherung der Haltener Kultur- und Heimatgeschichte.“

Der Vorstand des Altertumsvereins dankt Eva Masthoff, dass sie mit großem Zeitaufwand und intensiver Recherche im In- und Ausland das Schicksal einzelner Kriegsgefangener aufgearbeitet hat. „Sind doch die Geschichten einzelner Personen berührender und greifbarer als ein nüchterner historischer Überblick“, sagt Franz Schrief.

Wer an der Veröffentlichung interessiert ist, kann sich beim Vorstand des Altertumsvereins melden. Es gibt noch einige Restexemplare, diese sind allerdings nicht kostenlos.

Schlagworte: