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7-Tage-Inzidenz unter 20: Warum steht Haltern im Vergleich so gut da?
Coronavirus
Am Freitag vermeldete der Kreis für Haltern eine 7-Tage-Inzidenz von 15,9. Das ist kreisweit der mit Abstand niedrigste Wert und derzeit auch bundesweit ein Spitzenwert. Woran liegt das?
Nur selten gibt es gute Nachrichten im Zusammenhang mit der weltweiten Corona-Pandemie. Doch die Entwicklung der 7-Tage-Inzidenz (Fälle der letzten sieben Tage pro 100.000 Einwohner) für Haltern ist ein kleiner Lichtblick in diesen Tagen. Innerhalb einer Woche ist der Wert von 81,9 (Stand: 15. Januar) auf 15,9 (Stand: 22. Januar) gesunken. Lediglich sechs Neuinfektionen hat es in diesem Zeitraum in der Seestadt gegeben.
Zum Vergleich: Im gesamten Kreis Recklinghausen lag die 7-Tage-Inzidenz am Freitag bei 134,7. Dorsten konnte mit 85,7 den zweitbesten Wert aufweisen. Schlusslicht ist Castrop-Rauxel mit 226,3. Haltern führt die Rangliste also mit deutlichem Abstand an, steht damit sogar vor Münster (39,1), dem Spitzenreiter der Kreise und kreisfreien Städte in NRW. Schon seit dem 14. Januar zeigt die Kurve in Haltern deutlich nach unten.
Halterns Bürgermeister Andreas Stegemann (CDU) ist darüber erfreut. Ein Teil dieses Erfolgs sei sicher auch mit der großen Solidarität und Disziplin der Menschen in Haltern zu begründen. Nämlich: Achtung haben gegenüber den Mitmenschen und für sich selbst. „Ich bin sehr glücklich über diese Entwicklung und bedanke mich bei den Bürgerinnen und Bürgern unserer Stadt für ihr verantwortungsvolles Handeln“, so Stegemann. Dennoch warnt er davor, in Leichtsinn zu verfallen. Die aktuelle Situation sei eine Momentaufnahme. Durch ein unerwartetes Ausbruchsgeschehen, zum Beispiel in einem Pflegeheim oder im Krankenhaus, könne sich die Lage auch schnell wieder anders entwickeln. „Es ist keine Selbstverständlichkeit. Umso wichtiger ist es, alle Maßnahmen weiterhin einzuhalten und vorsichtig zu bleiben.“
Diffuse oder nicht nachvollziehbare Infektions- und Kontaktketten
Anhand eines Inzidenzwerts kann abgelesen werden, wie stark das momentane Infektionsgeschehen einer Region ist. Allerdings ist an dem Wert allein dagegen nicht ablesbar, welches Infektionsgeschehen für einen hohen Wert verantwortlich ist. Viele Fälle in einem eingrenzbarem Cluster – beispielsweise einem Pflegeheim – sind anders zu beurteilen als viele Fälle, die sich über einen gesamten Landkreis oder eine Stadt verteilen und diffuse oder nicht nachvollziehbare Infektions- und Kontaktketten nach sich ziehen.
- Die Menschen in Deutschland verfolgen seit Februar 2020 die Entwicklung der Corona-Zahlen. Anfang Mai 2020 ist die 7-Tage-Inzidenz pro Landkreis (Neuinfizierte pro 100.000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen) zur wichtigsten Kennzahl geworden.
- Der Wert der Sieben-Tage-Inzidenz zeigt an, wie viele Menschen sich binnen einer Woche pro 100.000 Einwohner mit dem Virus angesteckt haben.
- Bund und Länder hatten sich darauf geeinigt, die Bewertung lokaler Ausbrüche und die jeweils notwendigen Maßnahmen zur Eindämmung danach zu bemessen.
- Zuletzt wurden die entsprechenden Regeln und Grenzwerte Anfang Januar 2021 angepasst.
- Bundesweit gilt eine generelle Obergrenze von 35, 50 beziehungsweise 200 aktuellen Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner.
Haltern hat im Vergleich zu anderen Städten offenbar bessere strukturelle Voraussetzung im Kampf gegen die Pandemie. „Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass sich das Virus vor allem dort ausbreitet, wo viele Menschen auf engem Raum leben, also in Ballungsgebieten“, sagt Tim Deffte, Leiter der Pressestelle beim Kreis Recklinghausen. „Haltern ist in seiner Struktur eher ländlich geprägt.“ Ein Vergleich zu größeren Städten wie Recklinghausen oder Gladbeck, wo teilweise auch andere soziale Strukturen herrschten, hinke daher. Grundsätzlich gilt: Desto niedriger die 7-Tage-Inzidenz, desto besser kann das Gesundheitsamt Infektionsketten nachverfolgen. Erklärtes Ziel der Politik ist daher eine 7-Tage-Inzidenz von unter 50.
Die wenigsten Todesfälle im Kreis
Gibt es aus medizinischer Sicht eine Erklärung für den positiven Corona-Trend in der Seestadt? „Viren dringen in tierische, pflanzliche oder menschliche Zellen ein. Um sich zu vermehren, benötigen sie ebenfalls Wirtszellen“, erklärt Dr. Lars Heining, Chefarzt im St. Sixtus-Krankenhaus und Leiter der Lungenklinik Ruhrgebiet Nord. Auch in der Umgebung könnten sie sich zum Teil sehr lange halten und ansteckend bleiben. „Wenn sie jedoch keine neue Wirtszelle finden, sterben sie über kurz oder lang ab.“
Die Reduzierung der Kontakte und das Einhalten der Abstandsregeln sei daher das wichtigste Instrument im Kampf gegen die Pandemie. Der sinkende Inzidenz-Wert in Haltern zeige, dass die Vorgaben von der Halterner Bevölkerung offenbar verlässlich umgesetzt werden. Zudem leisten nach Ansicht des Chefarztes die Hausärzte in Haltern einen wertvollen Beitrag zur Pandemiebekämpfung. „Es findet ein stetiger und guter Austausch innerhalb des Halterner Ärztenetzwerks statt. Das ist toll.“
Schon seit Monaten steht Haltern im kreisweiten Vergleich gut da - auch bei der Statistik der Verstorbenen. Bislang wurden für Haltern lediglich vier Todesfälle im Zusammenhang mit dem Coronavirus gemeldet. Keine andere Stadt im Kreis kann hierzu einen einstelligen Wert aufweisen. Kreisweit wurden bislang 412 Todesfälle gemeldet, die meisten davon in Recklinghausen (94).
1982 in Haltern geboren. Nach Stationen beim NRW-Lokalfunk, beim Regionalfernsehen und bei der BILD-Zeitung Westfalen 2010 das Studium im Bereich Journalismus & PR an der Westfälischen Hochschule in Gelsenkirchen erfolgreich beendet. Sportlich eher schwarz-gelb als blau-weiß orientiert. Waschechter Lokalpatriot und leidenschaftlicher Angler. Motto: Eine demokratische Öffentlichkeit braucht guten Journalismus.
