Wie soll man auf die Krisen der Gegenwart reagieren? Mit Optimismus oder mit Widerstand? In der Komödie „Das Gewicht der Ameisen“ zeigt der kanadische Autor David Paquet den Weltschmerz zweier unterschiedlicher Teenager skurril und treffend. Im Kinder- und Jugendtheater (KJT) feierte das grandiose Stück am frühen Sonntagabend Premiere. Und die turbulente Inszenierung von Regisseurin Annette Müller mit dem tollen Mimen-Quintett feierte das Publikum frenetisch.
Und noch etwas ist besonders an dieser virtuosen 80-minütigen Produktion für Zuschauer ab zwölf Jahren. Die Audiodeskription integrierte Annette Müller in ihre Inszenierung, so dass das Stück auch für blinde und sehbehinderte Menschen erlebbar ist. Vom Bühnenrand beschreibt Thomas Ehrlichmann humorvoll, was auf der Spielfläche passiert.

Gespielt wird auf einer runden Fläche vor einer riesigen schräg-gekippten Wand, die ebenfalls einen Kreis aufweist, auf den Videos projiziert werden - zum Beispiel von der Erde. Denn der sensible, an der Klimakrise verzweifelnde Olivier von Jan Westphal hat einen Albtraum - er bekommt eine kaputte Erde geschenkt. Resoluter und unendlich wütend ist dagegen Sar Adina Scheers Jeanne – auf ihre miese Schule mit der manipulierenden Werbung auf dem Klo, auf die Gesellschaft...
Olivier schöpft Hoffnung, entwickelt Optimismus („ein Muskel, den man trainieren muss“) durch die „Enzyklopädie des unnötigen Wissens“. Die betrunkene Buchhändlerin überredete ihn, das Buch zu klauen. Die wird von der wandlungsfähigen Bianka Lammert gespielt, die noch einige weitere Rollen übernimmt, dafür braucht sie nur jeweils eine andere Perücke.
Ein Populist gewinnt die Wahl
Mit langem blondem Haarschopf gibt Mimin Lammert das erotisch aufgeladene Model und mit strengem Dutt Oliviers Mama, die ihren Sohn zum Therapeuten schleppt. Den wiederum spielt Thomas Ehrlichmann im Anzug und mit Hornbrille und heilt ihn mit VR-Brille. Doch von der mittlerweile toten Buchhändlerin erfährt Olivier, dass er sie nur zur Zerstreuung benutzen sollte.
Der resignierte und zynische Schuldirektor, den Harald Schwaiger, der lange Zeit am Schauspiel Dortmund spielte und nun als Gast ans Theater Dortmund zurückkehrt, gekonnt gibt, „empfiehlt“ den beiden 15-Jährigen, als Schülersprecher zu kandidieren, wenn sie etwas verändern wollen. Doch dann gibt es mit Mike (wunderbar, wie sich Thomas Ehrlichmann zum Affen macht) einen dritten Kandidaten, der „Pizza für alle“ verspricht – und als Populist die Wahl gewinnt. Auch die Demokratie hat ihre Schattenseiten. Für die anschließend anberaumte Kostümparty konnte sich Ausstatter Oliver Kostecka schön austoben.www.theater.do
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