
© Oliver Schaper (Archiv)
Zwei Jahre Corona in Dortmund: „Vielleicht letzte Abfahrt vor der Ausgangssperre“
Zeitreise im Video
Viele Menschen haben den Eindruck, dass die Corona-Pandemie schon länger als zwei Jahre andauert. Zum Jahrestag der ersten Dortmunder Fälle blicken wir zurück auf die Anfangstage im Frühjahr 2020.
Zeit ist bekanntermaßen relativ. Mal kommt einem eine Stunde wie eine Ewigkeit vor, dann vergeht ein ganzer Monat wie im Flug. Die ersten Corona-Fälle sind in Dortmund am 5. März vor zwei Jahren bekannt worden. Einer Umfrage unter unseren Instagram-Followern zufolge kommt den meisten Teilnehmenden die Pandemie schon länger vor.
Der Blick ins Archiv unserer Redaktion erinnert daran, wie die Gefühlslage in der Stadt in diesen ersten Tagen der Pandemie gewesen ist. Eine Zeitreise ins Frühjahr 2020.
Im Februar dominiert zunächst noch der Blick ins Ausland. Pumpenhersteller Wilo verlängert die Ferien an den chinesischen Standorten, Chinesisch-Unterricht wird in Dortmund abgesagt, weil manche Besucher der Huade-Schule nach Asien geflogen waren, wo sich eine gefährliche neue Krankheit ausbreitet.
Als schreckliche Bilder aus Italien um die Welt gehen, kommt es Ende Februar zu Hamsterkäufen in Dortmunder Apotheken - Desinfektionsmittel und Masken werden knapp. Die erste Veranstaltung wird abgesagt, weil italienische Gäste am 28. Februar nicht zu einem Prosecco-Abend der Auslandsgesellschaft anreisen können.
Die ersten Infizierten waren im Risikogebiet Iran
Erste Unternehmen in Dortmund ordnen Fiebermessungen an der Eingangstür an, Ende Februar gibt es dann auch Corona-Verdachtsfälle in Dortmund. Die Stadtverwaltung richtet ihren Krisenstab ein. Es sei aber nicht geplant, Veranstaltungen zu verbieten, heißt es am 28. Februar. Am Tag danach kommen mehr als 81.000 Zuschauer zum BVB an die Strobelallee - zum bis jetzt letzten Mal.
Kurz danach wird zunächst bekannt, dass eine Frau aus Unna mit einer Corona-Infektion im Dortmunder Klinikum behandelt wird. Am 5. März informiert Dr. Frank Renken, Leiter des Gesundheitsamtes, dann darüber, dass das erste Dortmunder Paar positiv getestet worden ist: Der Mann und die Frau waren zuvor im Iran.
Am 8. März findet das letzte große Konzert in der Westfalenhalle statt. 10.000 Frauen feiern den Weltfrauentag mit der Rap-Gruppe KIZ. In Krankenhäusern und Altenheimen werden Desinfektionsmittel und Schutzmasken gestohlen.
Zunächst werden bis Mitte April alle Veranstaltungen mit mehr als 1000 Zuschauern verboten, dann soll das Fußball-Revierderby als Geisterspiel stattfinden. Schließlich wird das Spiel komplett abgesagt - und erst zwei Monate später vor leeren Rängen nachgeholt.
Hamsterkäufe in Supermärkten
Der damalige Oberbürgermeister Ullrich Sierau sagt: „Die Fans, die sich darüber beschweren, dass sie das Derby nicht miterleben können, sollen bedenken, dass wir das machen, damit sie die folgenden Derbys noch erleben können.“
Besuche in Krankenhäusern werden eingeschränkt, in Supermärkten gibt es Hamsterkäufe. Vor allem Toilettenpapier und haltbare Lebensmittel werden vielerorts nur rationiert herausgegeben. Ein Kontaktverbot wird ausgerufen, sodass man zeitweise nur zu zweit unterwegs sein darf. Polizeipräsident Gregor Lange bezeichnet dies als „vielleicht letzte Abfahrt vor einer Ausgangssperre“.
Der Leiter der Lungenklinik am Klinikum Dortmund wendet sich mit einem emotionalen Video-Appell an die Bürgerinnen und Bürger. „In Italien ist das Gesundheitssystem komplett zusammengebrochen“, sagt Dr. Bernhard Schaaf: „Patienten, die älter sind als 65 Jahre, werden nicht mehr auf Intensivstationen betreut.“
Er bittet die Menschen darum, für vier Wochen soziale Kontakte einzufrieren: „Bitte, tut etwas. So können wir verhindern, dass das deutsche Gesundheitssystem zusammenbricht.“
200 Infektionen in drei Wochen
Innerhalb von drei Wochen sind 200 Corona-Infektionen in Dortmund nachgewiesen worden. Das extreme Wachstum, das sich in späteren Wellen der Virusvarianten gezeigt hat, konnte zunächst verhindert werden. Am 1. April hat die Stadt Dortmund den ersten Corona-Todesfall mitgeteilt.
Zwei Jahre nach den ersten beiden Fällen sind inzwischen mehr als 108.000 PCR-Tests in Dortmund positiv gewesen: Fast jede fünfte Person war damit rechnerisch schon infiziert.
Durch den Impffortschritt sind viele Einschränkungen weggefallen, der Höhepunkt der Krankenhaus-Belastung ist aber erst vor Kurzem am 10. Februar 2022 mit 274 infizierten Patienten erreicht worden.
Seit Mai 2021, als die nächtliche Ausgangssperre fünf Wochen lang galt, haben jedoch nie mehr als 25 Covid-Patienten auf Dortmunder Intensivstationen gelegen. Der Höchstwert lag damals bei 44. Ähnlich sieht es bei beatmeten Corona-Patienten aus: Anfang Mai waren es 35, inzwischen nur noch 6.
Kevin Kindel, geboren 1991 in Dortmund, seit 2009 als Journalist tätig, hat in Bremen und in Schweden Journalistik und Kommunikation studiert.
