
Karin Czajka schließt nach fast 35 Jahren die Pforten ihrer Schneiderei "Karins Nähstube". © Janine Jähnichen
Zur Rente gezwungen: Karin Czajka muss mit 82 Jahren ihr Geschäft schließen
Traditionsgeschäft
Fast 35 Jahre lang hat Karin Czajka ihre Schneiderei geführt. Doch nun hat die 82-Jährige ihren Laden für immer geschlossen. Sie erinnert sich an ihre schönsten und skurrilsten Aufträge.
„Es war das Beste, was ich machen konnte. Das Allerbeste.“ Das sagt Schneiderin Karin Czajka (82) heute rückblickend über den Entschluss, ihre eigene Änderungsschneiderei in Kirchderne (Im Karrenberg 78) zu eröffnen. Das ist nun 34 Jahre und 10 Monate her.
Doch jetzt ist endgültig Schluss mit „Karins Nähstube“. Im Oktober wäre die Schneiderei 35 Jahre alt geworden. Aber die große Feier wird nicht mehr stattfinden. „Es ist vorbei“, sagt Karin Czajka wehmütig und lässt ihren Blick traurig durch den Laden schweifen. „Aber was will man machen.“
Noch im Februar war die Dortmunderin voller Tatendrang. Im Gespräch mit unserer Redaktion hatte sie damals erzählt, dass ihr die Corona-Zeit finanziell zu schaffen gemacht habe. An ein Aus ihrer Schneiderei konnte sie da aber noch nicht denken.
Doch eine Rücken-OP im Mai hat die 82-Jährige stark geschwächt. Das Laufen falle ihr seitdem sehr schwer, ohne Rollator sei es nicht mehr möglich. Deshalb habe sie sich schweren Herzens dazu entschieden, „Karins Nähstube“ zu schließen.
Mit 47 wagte sie den großen Schritt
„Es war eine so schöne Zeit“, sagt Karin Czajka immer wieder in unserem Gespräch. Trotz der Gegenwehr ihres Mannes - er befürchtete ein schnelles Aus der Schneiderei an diesem Standort und anschließendes Gerede - habe sie vor 35 Jahren entschieden, sich mit einer Schneiderei in dem kleinen Ladenlokal in Kirchderne selbstständig zu machen. Da war sie 47. Die Schneider-Lehre hatte sie Jahrzehnte zuvor in ihrer früheren Heimat in Niedersachsen abgeschlossen.

Ein Schild mit der Aufschrift "wegen einer Rücken-OP vorübergehend geschlossen" hatte zuletzt schon auf die gesundheitlichen Probleme hingewiesen. © Jähnichen
„Drei Mal hat man mir den Laden angeboten, zwei Mal habe ich abgelehnt. Beim dritten Mal habe ich dann gedacht, wenn ich‘s jetzt nicht mache, dann mach ich‘s nie mehr“, erzählt sie.
Sie habe schon immer genäht, könne alles, was andere Schneidereien auch anbieten - was sollte also groß schiefgehen? Fast 35 Jahre Bestehen Im Karrenberg sprechen heute für sich.
BVB-Socken stopfen und Slips abstecken
Nicht nur, dass sie ihre Rente mit den Einnahmen sichern konnte, auch die Zeit mit ihren Kundinnen und Kunden habe viele schöne Erinnerungen hinterlassen.
„Ich habe einem Bowling-Team aus Dortmund, das später Weltmeister wurde, die Röckchen genäht, die Puppen auf dem Dortmunder Weihnachtsmarkt eingekleidet und auch OP-Tücher genäht“, erinnert sich die 82-Jährige. An den Namen des Bowling-Vereins erinnert sie zwar nicht mehr, dafür aber die Farbe der Röckchen: blauweiß.
Der komplette farbliche Kontrast dazu: Einer ihrer Stammkunden sei bis zuletzt zu ihr gekommen sei, um sich seine heißgeliebten BVB-Socken stopfen zu lassen.

Die Kaffee-Ecke in ihrer Näherei hat viele Kunden dazu eingeladen, auch einfach mal auf ein Pläuschchen zu bleiben. © Jähnichen
Das Skurrilste, was sie in ihrer Schneiderei erlebt hat? „Ein Mann wollte sich mal einen Slip von mir abstecken lassen“, beginnt sie zu erzählen, „ich hab ihm dann gesagt, dass seine Frau das übernehmen kann. Da war er ganz schnell wieder weg.“
Schneiderei war Lebensinhalt
Viele tolle Gespräche habe Karin Czajka in den gut 35 Jahren mit ihrer Kundschaft führen dürfen. Dazu beigetragen habe mit Sicherheit auch die kleine Kaffee-Ecke direkt gegenüber von ihrem Nähplatz. „Viele Freundinnen haben mich lieber hier im Laden besucht als zu Hause“, lacht sie.
Die Änderungsschneiderei war ihr Leben, wie Karin Czajka heute sagt. Die Arbeit habe sie oft auch am Wochenende mit nach Hause oder auf den Campingplatz genommen.
Deshalb tue es ihr auch für ihre Kunden so leid, dass die Schneiderei nun geschlossen bleibt. „Ich würde gerne weitermachen, aber es geht nicht,“ gibt sie traurig zu. Ihr bleibe deshalb nur übrig, ein großes Dankeschön an ihre Kundschaft zu richten. Ein Dankeschön für 35 Jahre Treue.
Stolzes Ruhrpottkind mit blau-weißem Herzen. War fürs Germanistik-Studium kurzzeitig in der Landeshauptstadt unterwegs, ist dann aber wieder zurück nach Recklinghausen - in die Heimat. Schreibt seit 2017 für das Medienhaus Bauer, erst in der Jugendredaktion "Scenario", dann folgte der Wechsel ins Lokale. In ihrer Freizeit fast überall anzutreffen: egal ob Rock-Festival, Theatersaal oder Schlagerparty.
