Meine Freundinnen sind Schuld an meinen hohen Ansprüchen Marie Ahlers über das Lieben mit 30

Meine Freundinnen sind Schuld an meinen hohen Ansprüchen
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Meine beste Freundin und ich kommunizieren am meisten, indem wir uns gegenseitig Tiktok-Videos schicken. Manchmal sprechen wir tagelang nicht, stattdessen schicken wir uns Videos im zweistelligen Bereich, bei denen wir an die andere denken mussten.

Neulich schickte sie mir eines mit einem Stitch, also einer Video-Antwort einer Nutzerin auf ein anderes Video. In dem ersten Video erzählte ein Mann, was ihm eine Frau kürzlich erzählt hatte: „Heterosexuelle Männer glauben, dass sie mit den ‚Top 10‘ der anderen Männer um die Zuneigung von Frauen kämpfen“, zitierte er sie. Also, dass die Konkurrenz bei der Partnerinnensuche von anderen Männern ausgehe. „Womit sie aber wirklich konkurrieren, ist der Frieden, den Frauen spüren, wenn sie allein sind.“

Die Flucht in die Einsamkeit

Schon damit konnte ich mich gut identifizieren. Ich hatte nie ein Problem damit, mit mir selbst allein zu sein. Schon immer bin ich in die Einsamkeit geflohen, wenn ich mich in einer Beziehung oder in etwas, woraus eine Beziehung hätte werden können, nicht wohlgefühlt habe. Früher war das eher ein unbewusster Reflex, heute ist es eine bewusste Entscheidung: Wenn ich allein glücklicher bin als mit meinem Partner, warum die Beziehung dann erzwingen?

Doch wirklich zum Nachdenken hat mich der Stitch, also die Video-Antwort der anderen Nutzerin, gebracht. „Männer konkurrieren außerdem damit, wie gut Frauen von ihren Freundinnen behandelt werden“, ergänzt sie.

„Wir melden bei uns bei einander, wir versichern uns, dass alles gut ist zwischen uns. Wenn wir uns in etwas uneinig sind, dann treten wir einen Schritt zurück und sagen: ‚Moment, was versuchen wir gerade, zu lösen?‘“ Und dann versuche man gemeinsam, das Problem anzugehen, nicht einander. „Wenn wir uns also von den Frauen in unserem Leben geliebt, gesehen und unterstützt fühlen, warum sollten wir uns dann mit weniger zufriedengeben?“

Die Nutzerin fragt: „Warum sollten wir einen Mann in unser Leben lassen, der uns nicht so gut behandelt wie unsere Freundinnen?“

Warum mit weniger zufriedengeben?

Dass Frauen heutzutage zu hohe Ansprüche an Männer hätten, höre ich immer wieder - nicht nur von Männern, auch andere Frauen beschweren sich gerne darüber. Dahinter steckt meiner Meinung nach die Vorstellung, Frauen müssten zumindest einen Teil ihrer Wünsche und Bedürfnisse einer Beziehung mit einem Mann opfern.

Das ergibt auch Sinn, schließlich gab es für so manche Generationen von Frauen vor mir in der Regel nur diese Wahl: Selbstverwirklichung oder finanzielle und soziale Sicherheit.

Es war nicht vorgesehen, dass Frauen ihre eigenen Wünsche und Ziele haben, stattdessen hatten sie Ehefrau und Mutter zu sein. Im Gegenzug hatten sie einen Mann, der sie finanziell absichert. Ob dieser sie versteht, liebt und unterstützt, war zweitrangig.

Aber diese Zeiten sind zum Glück vorbei. Ich verdiene mein eigenes Geld, von dem ich meine eigene Wohnung und mein eigenes Essen bezahle. Und eine soziale Ächtung muss ich auch nicht fürchten, wenn ich jenseits der 30 noch unverheiratet bin.

Und da stellt sich tatsächlich die Frage: Warum sollte ich einen Mann in mein Leben lassen, der mich nicht so unterstützt, liebt und wertschätzt, wie es meine Freundinnen tun? Ich sehe keinen Grund. Und habe mit Anfang 30 die Entscheidung getroffen: Lieber Single sein, als sich mit weniger zufrieden zu geben.

Dass Frauen heute nicht mehr in einer Beziehung sein müssen, um zu überleben, heißt auch, dass Männer nicht mehr automatisch erwarten können, dass irgendwann schon eine Frau an ihrer Seite auftaucht. Sie haben Konkurrenz bekommen: Nicht von anderen Männern, sondern von Freundinnen. Und wenn ich so auf meine Freundinnen und die Frauen-Freundschaften um mich herum gucke, sage ich: Das ist eine verdammt harte Konkurrenz.

In unserer Kolumne schreiben die Autoren des Leben und Lieben-Teams jede Woche über ein Thema rund um Liebe, Beziehungen und Partnerschaft, das sie bewegt. Mehr über die Autorinnen und Autoren lesen Sie hier. Mehr Geschichten und Tipps zum Thema finden Sie auf unseren Übersichtsseiten:

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