Wenn eine Kommune in das Marktgeschehen eingreift, ist der Protest programmiert. Doch Oberbürgermeister Thomas Westphal gab sich gelassen, als er am 28. Februar ankündigte, dass die Stadt Dortmund gemeinsam mit der 100-prozentigen Stadttochter DSW21 eine konzerneigene Service-Gesellschaft unter dem Namen Service21 gründen wolle.
Aufgaben sind in erster Linie Sicherheitsdienste und Bewachung und im zweiten Schritt Reinigung und Pflege von öffentlichen Gebäuden, Anlagen und Verkehrsmitteln sowie später „sonstige Serviceleistungen“. Auslöser war, dass die Stadt mit der Qualität privater Sicherheitsdienste nicht zufrieden war und den Auftrag der Politik erhielt, die Gründung einer eigenen Gesellschaft zu prüfen.
OB Westphal hatte am 28. Februar erklärt, man habe im Vorfeld Verbände, Kammern und Gewerkschaften eingebunden, so wie es die Gemeindeordnung NRW vorschreibt. Seine Bewertung: „Es gab keinen Einwand grundlegender Art.“
Keine Zustimmung
Das stimmt nicht. Im Gegenteil. In einer gemeinsamen Stellungnahme von Handwerkskammer (HWK) und Industrie- und Handelskammer (IHK) äußern die jeweiligen Hauptgeschäftsführer Carsten Harder und Stefan Schreiber im engen Schulterschluss heftige Kritik an dem Plan, dem der Rat noch zustimmen muss.
Auf sechs Seiten des Schreibens bringen die beiden Kammer-Hauptgeschäftsführer gleich mehrere Einwände vor, mit der Feststellung, aus der Perspektive der regionalen Wirtschaft müsse das Gründungsvorhaben „deutlich kritisch gesehen werden.“ Sie fürchten „negative Auswirkungen auf die mittelständische Wirtschaft“. Carsten Harder im Gespräch mit der Redaktion: „Wir würden dem in dieser Form nie zustimmen.“
Für die Kammern wäre die Gründung von Service21 – so wie geplant – ein Verstoß gegen die Gemeindeordnung von Nordrhein-Westfalen. Nach dem Grundsatz „Privat vor Staat“ darf sich eine Kommune nur dann wirtschaftlich betätigen, wenn der öffentliche Zweck durch andere Unternehmen nicht besser und wirtschaftlicher erfüllt werden kann.
Mit Dienstleistung unzufrieden
Doch genau das war die Stoßrichtung von Westphal, der erklärt hatte, man sei mit der Qualität privater Sicherheitsdienste nicht zufrieden – und wolle es mit Service21 besser machen.
Dem widersprechen die Kammern. Man könne nicht davon ausgehen, dass Service21 diese Aufgaben besser und wirtschaftlicher erfülle als andere Unternehmen. Sämtliche avisierte Tätigkeiten von Service21 würden aktuell in Dortmund und Umgebung von einer „nicht geringen Zahl von Unternehmen der Privatwirtschaft am Markt angeboten“.
Service21 würde diesen privatwirtschaftlichen Unternehmen unter anderem der Branchen private Wach- und Sicherheitsdienste und dem Gebäudereinigerhandwerk wettbewerbsbedingt Umsatz entziehen. Der HWK-Hauptgeschäftsführer: „Die Stadt nimmt dem Handwerk die Arbeit weg.“
Privatunternehmen hätten keine Chance mehr, sich an den Ausschreibungsverfahren zu beteiligen, und zudem würden ihnen qualifizierte Arbeitskräfte abgeworben.
„Tendenziöse Formulierungen“
Außerdem arbeite die Stadt mit der Unterstellung, dass die Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft weder gut ausgebildetes Personal auswählen und beschäftigen noch rechtssicher Sozialstandards einhalten, kritisieren die Kammern und sprechen von „tendenziösen Formulierungen“, mit denen freie Unternehmen diskriminiert würden.
Die Kammern fordern Korrekturen an dem Vorhaben der Stadt. So müssten die einzelnen Dienstleistungen von Service21 konkretisiert und beschränkt sowie die Tätigkeit auf das Dortmunder Stadtgebiet eingegrenzt werden. Entsprechende Öffnungsklauseln gehörten gestrichen.
Außerdem muss Service21 nach Ansicht der Kammern ihren Kundenkreis auf die Stadt Dortmund, DSW21 und weitere Beteiligungsgesellschaften der Stadt beschränken und auf eine angedachte Ausweitung ihrer Tätigkeit auf den Bildungsbereich verzichten.
Drohung mit Kommunalaufsicht
Sollte Westphal auf diese Forderungen nicht eingehen und sein Vorhaben wie geplant weiterverfolgen, bliebe das nicht ohne Konsequenzen. Der HKW-Hauptgeschäftsführer Carsten Harder: „Wir werden dann die Kommunalaufsicht hinzuziehen.“
Westphal sagte am Dienstag (7.3.) auf Anfrage, er habe die Stellungnahme der Kammern erst erhalten, nachdem er erklärt habe, dass es keine Einwände grundsätzlicher Art gebe. Jetzt würden Gespräche folgen. Der OB: „Es sind ja einige Punkte angesprochen worden, da sind auch einige Missverständnisse dabei. Ich bin optimistisch, dass man sich da einigen kann.“
Die Frage ist auch, wie sich der Rat zu der Gründung von Service21 verhält. Die entsprechende Vorlage ist an die Politik verschickt. Für die CDU ist bereits klar: „Die Vorlage ist für die CDU in der jetzt vorliegenden Form mit Blick auf diverse offene Abgrenzungsfragen insbesondere zur privaten Wirtschaft, aber auch zur Stadtverwaltung nicht zustimmungsfähig“, sagt Fraktionschef Dr. Jendrik Suck.
Personalrat
Die Gewerkschaften begrüßen das Vorhaben, doch der Personalrat der Stadt sieht die neue Gesellschaft zwiegespalten, konterkariert sie doch zum Beispiel seine Bestrebungen, den Anteil der Eigenreinigung städtischer Gebäude zu erhöhen. Derzeit werden die Flächen je zur Hälfte von bei der Stadt angestellten Mitarbeitern und von privaten Reinigungsunternehmen gesäubert.
„Wir begrüßen Service21 für den Bereich Sicherheit, aber dann sollte es gut sein“, sagt Vize-Personalratvorsitzender Jörg Markau. „Wir machen Reinigung seit 100 Jahren und sind wirtschaftlich gut aufgestellt. Der Aufgabenbereich von Service21 sei „extrem schwammig formuliert. Das könnte alles oder nichts sein“, so Markau. Zudem würden Doppelstrukturen aufgebaut. „Das kann der Personalrat nicht akzeptieren.“
Auch wenn in der Vorlage ausdrücklich vermerkt ist, dass Service21 keine Aufgaben übernehmen werde, die heute städtische Mitarbeiter erledigen, fürchtet der Personalrat, dass am Ende doch städtische Kräfte in die neue Gesellschaft überführt werden.
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