Wenn Luisa Dosin erzählt, klingt das relativ unbeschwert. Dabei ist ihr Alltag alles andere als leicht. Die 31-Jährige leidet am Ehlers-Danlos-Syndrom (EDS), einer seltenen Krankheit, von der in Deutschland aktuell nur rund 5000 Fälle bekannt sind. Es ist gewissermaßen eine extreme Form einer Bindegewebestörung. Der Körper ist dadurch instabil. Die Gelenke sind aufgrund von Genmutationen übermäßig dehnbar und anfällig für Verletzungen. Knie, Hüft- und Schultergelenke können sich leicht ausrenken.
Selbstständig kann sich Luisa Dosin nur mühsam fortbewegen. Zwei bis drei Stufen sind für sie schon eine große Herausforderung. „Es fehlt mir oft die Kraft und Energie, überhaupt aufzustehen“, berichtet Dosin. An manchen Tagen kann sie so nur im Bett liegen. Wenn sie außerhalb der eigenen Wohnung unterwegs ist, ist Luisa Dosin auf den Rollstuhl angewiesen.
Da können sie und ihr Mann Florian (33) eigentlich von Glück sagen, dass sie im Mai 2022 eine Wohnung gefunden haben, die relativ rollstuhlkompatibel ist. Die Erdgeschosswohnung in einem Mietshaus in Brünninghausen ist zwar auch nur über einige Treppenstufen zu erreichen. Für den Vormieter war aber bereits am Balkon ein Rollstuhllift angebaut worden, den Louisa Dosin jetzt mit ihrem Elektrorollstuhl nutzen kann. Der kann dann auf dem Balkon auch sicher parken.
Schimmel in der Wohnung
Trotzdem ist das junge Ehepaar zum zweiten Mal in kurzer Zeit auf der Suche nach einer neuen Wohnung. Dringend. Denn in den vier Wänden, die sie jetzt bewohnen, gibt es in einem Zimmer Schimmelbefall. Und auf den reagiert Luisa Dosin höchst allergisch.
Das schimmelbefallene Zimmer ist leer geräumt und sorgsam abgeschlossen. Zur Vorsicht trägt Luisa Dosin sogar in der eigenen Wohnung eine FFP2-Maske. Sie öffnet nur kurz die Tür zum Schimmelzimmer, um dem Besucher die Spuren an den nackten Wänden zu zeigen. „Ich reagiere auf den Schimmel hochsensibel“, erklärt die 31-Jährige. Ihr Arzt habe ihr deshalb dringend geraten, eine neue Wohnung zu suchen.
Doch das ist leichter gesagt als getan. Der Dortmunder Wohnungsmarkt ist angespannt, heißt es allgemein. Besonders schwierig ist die Wohnungssuche aber für Menschen, die besondere Wünsche oder Nöte haben - etwa auf eine barriererefreie oder barrierearme Wohnung angewiesen sind.
Seit Oktober sind Luisa und Florian Dosin auf der Suche nach einer neuen Wohnung. Eine Erdgeschosswohnung mit mindestens 65 Quadratmetern, möglichst ebenerdig und barrierefrei soll es sein. Die Wohnung sollte möglichst im Dortmunder Süden liegen, weil dort auch die Schwester von Luisa Dosin lebt, die sie unterstützt.
„Wohnungsmarkt ist leergefegt“
Als Budget stehen 800 Euro inklusive Nebenkosten zur Verfügung. Heizkosten können noch dazukommen. Weil das Paar Grundsicherung bezieht, würden Miete und Heizkosten vom Sozialamt übernommen. Doch Hilfe bei der Wohnungssuche konnten Sozialamt und Wohnungsamt bislang nicht leisten. „Es ist ein Desaster“, sagt Luisa Dosin. „Der Wohnungsmarkt ist leer gefegt.“
Auch alle großen Wohnungsgesellschaften hat das Ehepaar angefragt, eine Zeitungsanzeige geschaltet - ebenfalls vergeblich. „Die Nachfrage ist groß, das Angebot winzig“, sagt Luisa Dosin.
Stadt fehlt die Übersicht
Tatsächlich gibt es noch nicht einmal eine genaue Übersicht über das Angebot an barrierefreien Wohnungen in Dortmund. Auch das steht auf der wohnungspolitischen Agenda, die der Rat der Stadt im Februar 2022 beschlossen hat.
Die Fraktion Linke plus hatte dazu den Antrag gestellt, dass eine Untersuchung in Auftrag gegeben werden soll, um „die aktuelle Wohnsituation und die Anforderungen an Wohnraum für mobilitätseingeschränkte Personen zu erfassen“. Es soll eine Übersicht über die Anzahl und räumliche Verteilung von barrierefreien Wohnungen in Dortmund erarbeitet werden.
Weit ist die Verwaltung mit der Umsetzung des politischen Beschlusses allerdings noch nicht gekommen. „In Vorbereitung/Prüfung“ heißt es zu dem Punkt im ersten Sachstandsbericht zur Umsetzung der wohnungspolitischen Agenda, die die Verwaltung der Politik im Mai dieses Jahres vorgelegt hat. Es solle zur Umsetzung des Auftrags eine „fachbereichsübergreifende Lenkungsgruppe“ gegründet werden, in die unter anderem auch das Behindertenpolitische Netzwerk einbezogen wird.
Den Dosins hilft das wenig
Die Vergabe einer Studie an ein externes Forschungsinstitut sei geplant, heißt es weiter. Start sollte im Frühjahr 2023 sein. Luisa und Florian Dosin hilft das aktuell nicht weiter. Sie können nicht darauf warten, bis irgendwann einmal Ergebnisse zur Bestandserhebung von barrierefreien Wohnungen vorliegen - zumal das ja noch lange nicht bedeutet, dass barrierearme Wohnungen tatsächlich zur Verfügung stehen.

Das Ehepaar setzt deshalb weiter auf Selbsthilfe. Luisa und Florian Dosin haben Flyer produziert und an vielen Stellen in Dortmund bis in die Innenstadt hinein verteilt. „Wir sind dringend auf der Suchen nach einer barrierearmen Wohnung“, heißt es da.
„Es hat auch schon erste Rückmeldungen gegeben“, berichtet Luisa Dosin. Bei genauem Hinsehen hat sich dann allerdings gezeigt, dass die Wohnungen nicht im nötigen Maß barrierearm sind. Doch Luisa und Florian Dosin geben die Hoffnung nicht auf - und halten das Schimmelzimmer in ihrer aktuellen Wohnung weiter fest verschlossen.
- Fünf Jahre dauert die Wahlperiode des Rates. Die Hälfte davon ist rum. Zur Halbzeit der Wahlperiode untersuchen wir in einer Serie, ob und wie Wahlversprechen der wesentlichen politischen Akteure umgesetzt wurden. Zum Auftakt geht es um das Thema Wohnen.
- Kontakt zum Ehepaar Dosin gibt es per Mail unter rolliwhg@gmx.de
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