Vor dem Dortmunder U soll ein fester Aufenthaltsort für wohnungslose Menschen entstehen.

© Grafik: Leonie Sauerland

Wohnungslose vor dem Dortmunder U: Eine mutige Entscheidung

rnKolumne Klare Kante

Dortmund gibt obdachlosen Menschen einen festen Platz in exponierter Lage. Unser Autor findet: Das ist mutig. Aber es ist eine richtige Entscheidung.

Dortmund

, 11.10.2020, 04:05 Uhr / Lesedauer: 2 min

Viel ist debattiert worden in den vergangenen Wochen über das Thema Wohnungslosigkeit in Dortmund. Mit dem Beschluss des Rates, eine Notstelle in der Innenstadt zu schaffen, wo sich Menschen tagsüber aufhalten können, ist nun endlich eine Entscheidung gefallen.

Es ist erfreulich, dass der Rat sich seiner Verantwortung bewusst war und in der letzten Sitzung in alter Besetzung noch die Tagesunterkunft auf den Weg gebracht hat.

Der Platz vor dem Dortmunder U ist eine logische Entscheidung

Die Entscheidung fällt gerade rechtzeitig. Es hat die Phase des Jahres begonnen, in der es durch Nässe und Kälte für Menschen auf der Straße besonders gefährlich wird. Dass es nun perspektivisch zumindest tagsüber wieder einen Ort gibt, an den sie sich zurückziehen können, ist dringend notwendig.

Dass die Anlaufstelle an einer sehr exponierten Stelle der Dortmunder Innenstadt, direkt vor den Treppen am U-Turm, entstehen soll, ist eine logische Entscheidung.

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Hier gibt es viel Freifläche, die perspektivisch nicht benötigt wird. Der Ort befindet sich mitten in der City und in der Nähe des Hauptbahnhofs, wo sich ohnehin viele Wohnungslose aufhalten.

Die Anlieger im Unionviertel sind durch das Gast-Haus an Menschen auf der Straße gewohnt. Sie gehören hier zum Stadtbild. Dass dies – gerade was die Toilettensituation angeht – zukünftig noch besser strukturiert werden soll, bewerten viele Menschen an der Rheinischen Straße als Fortschritt.

Der Charakter des Platzes könnte sich verändern

Der prominente Ort direkt an einem Dortmunder Wahrzeichen ist aber zugleich eine mutige Wahl. Denn auch, wenn es zunächst um einen begrenzten Zeitraum geht, könnte sich durch die Anwesenheit einer solchen Einrichtung der Charakter des Ortes verändern.

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Nicht, weil den Menschen etwas Schlechtes unterstellt werden soll, sondern einfach, weil ein Großzelt vor den Treppen am U-Turm eine neue Situation schafft. Aber so ist das eben, wenn die Realität die Pläne vom Szeneviertel im Schatten des Kultur-Turms überholt.

Ein Provisorium wird nicht reichen

Sicher ist, dass ein Provisorium nicht reichen wird, um allen Schwierigkeiten auf Dauer gerecht zu werden. Es ist im Moment noch nicht absehbar, wie eine dauerhafte Lösung nach dem Ende des voraussichtlich für ein halbes Jahr angelegten Zelt-Projekts aussehen könnte.

Es ist in den vergangenen Wochen auch etwas Positives passiert in Dortmund. In der seit Spätsommer andauernden Debatte über Wohnungslosigkeit zeigt sich auch eine gute Seite der Stadt.

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Wo Vorurteile und Abscheu gegenüber Menschen in solchen prekären Lebenssituationen deutlich werden, stellen sich Menschen mit Herz dagegen.

Die Dortmunderin Monika Ingendorf schreibt dieser Redaktion, dass sie es wichtig findet, dass auch die Seite derjenigen abgebildet werde, die „helfen ohne zu werten“. Es müsse nicht jeder Geld geben. „Aber ein freundlicher Blick oder auch ein erwiderter Gruß sind möglich, auch für die Menschen auf der Straße.“

Viel zu lange ist viel zu wenig getan werden

Dass die Diskussion in Dortmund in so kurzer Zeit so intensiv geworden ist, ist auch ein Beleg dafür, dass über viel zu lange Zeit zu wenig getan worden ist.

Natürlich war mit dem Zusammenbruch aller Strukturen durch die Corona-Pandemie nicht zu rechnen. Doch Wohnungslosigkeit hat neben persönlichen immer auch strukturelle Ursachen.

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Zu nennen sind etwa der überhitzte Wohnungsmarkt, ungelöste Fragen von Migration oder ein Jugendhilfesystem, in dem zu viele Jugendliche auf der Straße landen.

Das alles kann eine Kommune nicht allein und schon gar nicht auf einmal lösen. Aber es ist die Verantwortung des neuen Rates und des neuen Oberbürgermeisters, dem Thema auch in Zukunft die notwendige Aufmerksamkeit zu widmen.

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