Die Sonne knallt auf den Hansaplatz herunter. Wasserperlen sammeln sich an den kalten Weißweingläsern. Das Thermometer zeigt an diesem Frühlingssamstag in Dortmund 23 Grad. Die Treppen auf der Südseite sind komplett gefüllt. Überwiegend sitzen hier junge Menschen, teils stehen Weinflaschen vor ihnen auf den Stufen. Ein Weinglas in der Hand halten viele. Es ist so voll, dass sich Menschen zwischen ihnen hindurchschlängeln müssen – wie schon zuletzt an sonnigen Frühlingstagen.
Neu ist dieses Phänomen nicht, auch in den vergangenen Jahren war der Wochenmarkt in Dortmund am Samstag Anlaufpunkt für Menschen, die ihn für ein Gläschen Wein oder mehrere besuchten. Zuletzt hat das aber für Ärger bei einigen Markthändlerinnen und -händlern gesorgt, die seit mehreren Jahren ihre Stände auf dem Markt aufbauen.
„Es nimmt überhand und verdrängt die Kunden, die etwas kaufen möchten“, sagte etwa Tanja Bährend, die mit ihrem Käsestand an der Treppe vor der Commerzbank praktisch mitten im Getümmel steht. Es würde Leute abhalten, zu den Verkaufsständen durchzugehen. Manche würden samstags nicht mehr kommen.
„Anderes Publikum“
Nun kann man Menschen, die sich vermeintlich vom Markt am Samstag fernhalten, nur schwerlich dort antreffen, wenn man am Samstag dorthin geht. Aber man kann diejenigen, die dort unterwegs sind, fragen, wie sie die Situation wahrnehmen. Tut man das, stößt man bei vielen Leuten überwiegend auf positive Resonanz.
Natürlich vor allem bei den Menschen, die wie Julian Lau am Samstag dort sind, um ein Glas Wein zu trinken: „Ich finde es super, dass es hier so belebt ist“, sagt der 42-Jährige, der den Markt mit seiner Frau besucht. Immer wieder mal würden sie bei gutem Wetter an den Weinständen stehen, nicht erst seit diesem Jahr. Auch die Kinder nimmt das Paar dann ab und an mit.

„Es ist eine entspannte Atmosphäre. Vor allem junge Leute kommen. Es ist schon ein anderes Publikum als die klassischen Marktbesucher, die hier ihre Einkäufe machen.“ Auch er nutze den Markt dafür nicht unbedingt. Die Wocheneinkäufe für die Familie würden sie im Supermarkt erledigen, sagt Lau. Auf dem Markt gebe es dann mal ein Fischbrötchen oder eine Waffel.
„Markt vereint die schönen Dinge“
Auch Matthias Schlüter und seine Freundin Svea Saatkamp erledigen auf dem Markt nicht ihre Wocheneinkäufe. Gerade bestellen sie mit einem Weinglas in der Hand einen Antipasti-Teller. Wenn sie aber hier sind, um sich mit Freunden zu treffen, dann würden sie auch an den Ständen schauen und Blumen und saisonales Gemüse kaufen.
„Für mich vereint das die schönen Dinge, die der Markt zu bieten hat. Man trifft Leute, man kann schauen, lecker essen und regionale Produkte kaufen.“ In der Form wie in Dortmund gebe es das in Winterberg nicht, wo der 38-Jährige wohnt. „Die Sonne scheint, das Publikum ist bunt gemischt und es ist harmonisch. So soll es doch sein.“ Man stehe an den Ständen teils lange an. Das zeige doch, dass die Nachfrage da sei.

Während es am Samstag rund um die Weinstände an der Treppe an der Commerzbank und vor dem Eingang zu Sportcheck sehr voll ist, kann man zwischen den Ständen entlanggehen, ohne sich durchquetschen zu müssen. Es ist nicht übervoll, aber gut besucht.
Generationenwechsel auf dem Markt
Seitdem auch der Weinstand an der Hansastraße vor dem Galeria-Gebäude umgezogen sei, gebe es an den Treppen eine regelrechte „Wein-Area“. Das würde das ganze entzerren, findet Matthias Schlüter. Ein Schild weist an der alten Stelle des Standes darauf hin, dass man „zur Probe“ zu den Treppen umgezogen sei.
Svea Saatkamp ergänzt: „Das Weinangebot macht den Markt auch für Leute attraktiv, die sonst vielleicht nicht kommen würden. Sie kommen zum Essen und trinken und nehmen auch etwas anderes mit.“ Ihre Wahrnehmung sei: „Es gibt einen Generationenwechsel auf dem Wochenmarkt.“ Und wie findet das die ältere Generation?
„Ich finde das schön“, sagt die 68-jährige Ulrike Prostner. „Es ist doch besser, wenn sich die jungen Leute draußen treffen, als in der Bude zu hocken.“ Die Dortmunderin hat Spargel auf dem Markt gekauft, etwas erstaunt hat sie die vollen Treppen wahrgenommen. Obwohl sie oft auf dem Markt sei, habe sie das so zum ersten Mal wahrgenommen. Sie stört ein bisschen, dass es mit Alkohol zu tun hat, aber das sei auch das einzige. Die 68-Jährige würde es nicht vom Besuch abhalten, sagt sie.

So geht es auch Karin Linker und ihrem Mann. Beide kommen aus Witten, fahren aber immer wieder mal auf den Markt in Dortmund. „Ich finde, das hat Atmosphäre“, sagt die 75-Jährige, während sie am Gemüsestand wartet. „Dass es so viel ist, ist mir vorher noch nicht aufgefallen, aber bei dem Wetter ist das doch nachvollziehbar.“ Sie bekomme auch ein bisschen Lust auf ein Gläschen Wein, wenn sie das sehe, sagt sie. Für sie sei es um 14 Uhr aber noch ein bisschen zu früh.
„Von Wein trinkenden Feierpeople okkupiert“
Anderen ist der Andrang aber doch zu groß. So schreibt uns eine Leserin per Mail, dass sie den Wochenmarkt als gebürtige Dortmunderin sehr gerne besuche. Seit geraumer Zeit falle ihr aber negativ auf, dass der Hauptmarkt immer mehr zur „Weinstube“ verkomme.
„Gefühlt ein Drittel des Marktes wird von Wein trinkenden Feierpeople okkupiert, die nicht wirklich Lebensmittel auf dem Markt einkaufen“, schreibt die Leserin. „Ein guter Wochenmarkt sollte sich durch eine Vielzahl guter und vielfältiger Lebensmittelhändler auszeichnen und nicht durch gesellige Gastronomieangebote.“

Frido Feldmeier glaubt, dass mit beiden Dingen tatsächlich eine unterschiedliche Klientel angezogen werde. Der 29-Jährige besucht an diesem Samstag mit seiner Freundin den Markt, zum Waffel essen, nicht zum Weintrinken. „Manchmal ist es schon sehr voll. Ich kann mir vorstellen, dass manche Leute deshalb nicht mehr kommen und die Händler das spüren“, sagt Feldmeier.
Der 29-Jährige glaubt auch nicht, dass die Leute, die zum Weintrinken hier sind, zwangsläufig Gemüse kaufen. Er finde aber trotzdem gut, dass es das Angebot gebe. „Es ist doch eine schöne Sache, sich hier an sonnigen Tagen mit Freunden zu treffen“, sagt Feldmeier.
Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 12. April 2025.