Soll die mehr als 100 Jahre alte Schule im Kreuzviertel zugunsten eines Neubaus abgerissen werden? Oder ist es sinnvoller, das historische Gebäude zu erhalten und umzubauen? Das ist die Gretchenfrage, über die lange mit Machbarkeitsstudien und Gutachten gestritten worden war. Dabei war die Frage im Grundsatz bereits lange geklärt – mit dem Beschluss des Rates im Dezember 2019 zur Umsetzung des Schulbauprogramms für die Jahre ab 2020. Darin ist auch das Projekt Abriss und Neubau der Kreuz-Grundschule enthalten.
Fahrt aufgenommen hatte die Diskussion aber erst im September 2022: Damals gab es einen Antrag von Linke und FDP/Bürgerliste, die im Ratsausschuss die Kosten und die klimatischen Auswirkungen beleuchtet wissen wollten. Im Mai 2023 legte die Linke+ nach und forderte, das Gebäude zu erhalten. Die Verwaltung antwortete mit einem Gutachten, das neben den Kosten auch die CO2-Bilanz der beiden Varianten Abriss oder Umbau verglich.
Das Ergebnis sahen die städtischen Immobilienwirtschaftler als Bestätigung für einen Neubau. Anfang Juni dann die Abstimmung im Ausschuss für Klima und Stadtentwicklung: Eine Mehrheit aus SPD und CDU votierte für den Abriss – während Grüne, Linke + und „Die Partei“ die Hände für den Erhalt des Schulgebäudes an der Kreuzstraße hoben.
Wer nun glaubt, damit seien die Würfel gefallen, irrt: Bereits im Vorfeld der Entscheidung hatte sich eine Dortmunder Initiative aus dem Bund Deutscher Architekten (BDA) sowie „Architects 4 Future“ und TU-Professor Wolfgang Sonne (Fakultät Architektur und Bauingenieuerwesen) mit einem rund fünfseitigen Schreiben an die Politik für den Erhalt des Schulgebäudes starkgemacht. Bei der politischen Mehrheit fruchtete das nicht – dafür aber bei den Denkmalschützern. „Das Papier ist auch an die Denkmalpflege beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe in Münster verschickt worden“, bestätigt Sonne auf Anfrage.
Vorgang ist politisch heikel
Und die sind gemeinsam mit ihren Kollegen aus der Unteren Denkmalbehörde der Stadt Dortmund auch prompt aktiv geworden. Nun wird geprüft, ob das Schulgebäude den Stempel „Denkmalschutz“ erhalten soll. „Die Federführung für das Verfahren hat die Untere Denkmalbehörde“, erläutert LWL-Sprecher Markus Fischer. „Wir werden im Rahmen eines Anhörungsverfahrens beteiligt.“
Den Besichtigungstermin an der Kreuzstraße (19.7.) haben die Denkmalpfleger mittlerweile hinter sich. Zur Vorbereitung seien verschiedene Unterlagen (beispielsweise die Bauakten) gesichtet und an die Vertreter aus Münster weitergereicht worden, wie Christian Schön, Sprecher der Dortmunder Stadtverwaltung, wissen lässt. „Auf Grundlage der Besichtigung folgen nun weitere Untersuchungen“, sagt Schön. Wann mit einem Ergebnis zu rechnen ist, bleibt offen. „Ein Zeithorizont“, teilt die Verwaltung mit, „ist derzeit nicht abschätzbar.“
Das könnte politisch heikel werden: Dem aktuellen Zeitplan zufolge wollen sich die städtischen Immobilienwirtschaftler im Dezember 2023 im Rat den konkreten Baubeschluss für einen Neubau der Kreuz-Grundschule holen – und den notwendigen Bauantrag wenig später bei den städtischen Kollegen im Bauordnungsamt platzieren. Kommen ihnen die Denkmalschützer in die Quere?
Neubau-Befürworter sind sauer
Die Befürworter des Neubaus reagieren angesäuert. „Wir hatten eine monatelange, intensive Diskussion, bei der alle Für und Wider ausgiebig beraten worden sind“, sagt Uwe Waßmann, planungspolitsicher Sprecher der CDU und Fraktionsvize. Die Beschlüsse der Ratsgremien seien bindend. Er empfinde den Vorgang „mehr als irritierend“, so Waßmann. Zumal die Denkmalschützer im Zuge der bisherigen Diskussion keine Bedenken gegen den Abriss vorgetragen hätten. Er halte es für „undemokratisch und nicht sachgerecht, wenn interessierte Kreise politische Beschlüsse torpedieren wollen", schimpft Waßmann.
Etwas verhaltener, aber mit ähnlichem Tenor, äußert sich die SPD. „Dass sich der Denkmalschutz erst jetzt einschaltet, ist zumindest bemerkenswert“, sagt SPD-Fraktionsgeschäftsführer Jan Pogadl. Solange keine neuen Erkentnnisse vorgetragen werden, bleibe die SPD bei der Neubau-Variante mit modernen Zuschnitten der Klassenräume. „Die Menschen in unserer Stadt warten auf gut ausgestattete Schulen und auf neue Kita-Plätze, und zwar zeitnah“, so Pogadl. Auch an der Kreuz-Grundschule werde eine Kita benötigt. Nur: Sollte es wider Erwarten doch zum Erhalt des Alt-Gebäudes kommen, werde für eine Kita dort jedoch kein Platz sein, hieß es zuletzt.
Interessant dabei: Bei einer „Machbarkeitsstudie“ zum Themenkomplex Kreuz-Grundschule aus 2020 gab es bereits eine erste „Schnell-Einschätzung“ der Unteren Denkmalbehörde. Damals wurde das Schulgebäude wegen diverser Umbauten und Veränderungen nach dem Zweiten Weltkrieg nicht als schutzwürdig eingestuft. Jetzt also folgt, ausgelöst durch das Schreiben der Abriss-Gegner an die LWL-Behörde, eine vertiefende Prüfung. Kommen die Denkmalpfleger dabei zum Ergebnis „Ja, das Gebäude bekommt Denkmalschutz“, kann der Rat der Stadt dagegen kein Veto einlegen. Was der Politik in dem Fall bliebe, ist eine neue Debatte, welche Konsequenzen das für den Standort an der Kreuzstraße nach sich zöge.
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