
© Felix Guth
„Wir müssten die Wohnungen doppelt so teuer machen“ – Vermieter schlagen Alarm
Wohnungsmangel
Vermieter kommen in der öffentlichen Wahrnehmung oft schlecht weg. Gerhild und Hans-Jörg Vollmer haben genug davon. Immer mehr Mietern fehle es an Respekt - und Vermietern zunehmend an Geld.
Gerhild Vollmer ist 84 Jahre alt und gemeinsam mit ihrem Bruder Hans-Jörg (78) Besitzerin dreier Mietshäuser an der Rheinischen Straße. „Es ist ungerecht, dass man immer auf uns Vermieter einklopft“, sagt die Frau, die hier nahe der Dorstfelder Brücke aufgewachsen ist. Seit über 50 Jahren vermietet die Familie hier Wohnungen. So schwierig wie heute, sagen Gerhild und Hans-Jörg Vollmer, sei das Geschäft noch nie gewesen.
Sie sprechen für eine selten wahrgenommene, aber durchaus große Gruppe: die privaten Vermieter. 60 Prozent der 217.000 vermieteten Wohnungen in Dortmund gehören Privatleuten. Gerhild und Hans-Jörg Vollmer berichten von Problemen mit Mietern, die nicht zahlen, plötzlich verschwinden oder die Wohnung in zerstörtem Zustand zurücklassen. Kurz: Die alle Regeln missachten, die durch einen Mietvertrag gelten.
„Als Eigentümer müssen wir immer mehr Dienstleistungen erbringen, die nicht mehr über die Miete oder die Kaution abgegolten werden können“, sagt Hans-Jörg Vollmer.
Wohnung ist seit 18 Monaten in chaotischem Zustand
Im Hof eines seiner Häuser zwischen Tankstelle und altem Fabrikgelände an der Rheinischen Straße stapeln sich Unrat und alte Einrichtungsgegenstände. In einem alten Kühlschrank steht eine Flasche Hövels, Hans-Jörg Vollmer kippt sie in einen Gully. In einer der beiden Wohnungen im obersten Geschoss ist es noch schlimmer. Denn der letzte Mieter, der einen der deutschesten Nachnamen überhaupt trägt, hat die Wohnung vor 18 Monaten von einem auf den anderen Tag verlassen.
Mitgenommen hat er kaum etwas. In der Wohnung stehen ein Bett und eine komplette Küche, es liegen alte Socken, alte Mobiltelefone und Play-Station-Spiele herum. Wo einmal die Couch gestanden hat, kommt ein dicker Stapel Rechnungen, Mahnungen und Bescheide der Rentenversicherung zum Vorschein.

Reste eines chaotischen Lebens in einer Wohnung an der Rheinischen Straße. © Felix Guth
Hans-Jörg Vollmer hätte gerne schon längst aufgeräumt. Aber das geht nicht, weil Fristen einzuhalten sind und er nicht einfach das Eigentum des Mieters vernichten kann. Er könnte es zu hohen Kosten einlagern. In dem fast sicheren Wissen, es ohnehin wegwerfen zu müssen, weil der Mieter nicht wiederkommen wird.
Um eine solche Wohnung wieder neu vermieten zu können, müsste er rund 10.000 Euro für Entrümpelung und Sanierung investieren, sagt Vollmer. Das entspreche der Kaltmiete für dreieinhalb Jahre - und sei dauerhaft kaum zu leisten. 6,50 Euro pro Quadratmeter verlangen die Vollmers im Schnitt für ihre Wohnungen an der Rheinischen Straße. Für die zentrale Lage am Rande des zuletzt aufgewerteten Unionviertels ist das ein guter Preis.
„Wir müssten die Wohnungen doppelt so teuer machen, um die Mehrkosten aufzufangen“, sagt Gerhild Vollmer. „Aber dann bekämen wir sie gar nicht mehr vermietet.“
Von 105 Interessenten kommen 100 nicht in Frage
Hans-Jörg Vollmer hat ausgedruckte Zettel in einem Aktenordner abgeheftet. Darauf stehen 105 Namen von Bewerbern auf eine freie Wohnung. „Davon kann ich 95 Prozent aussortieren“, sagt der Vermieter. Bei der Mehrheit zahlt das Jobcenter die Miete und tut das in der Regel auch zuverlässig. Aber die Vollmers haben zu viele negative Erfahrungen gemacht, als dass sie sich darauf verlassen wollen.
„Immer mehr Leuten fehlt der Respekt. Niemand bekennt sich mehr zu dem, was er gemacht hat. Manche sind geradezu betrügerisch unterwegs“, sagt Gerhild Vollmer. Es würden Dinge zerstört, verändert oder einfache Regeln nicht eingehalten. „Dabei ist es uns nur wichtig, dass es sauber und ordentlich ist.“
Viele ihnen bekannte Vermieter würden Immobilien verkaufen, „weil sie sich mit den Mietern nicht mehr abquälen wollen“. Daran denken die Geschwister noch nicht. Zumindest, so lange sie hier an der Rheinischen Straße selbst noch wohnen können.
Sind Vermieter eigentlich reich?
Viele Menschen würden davon ausgehen, dass Vermieter automatisch „reich“ sind. „Vielleicht reich an Steinen“, sagt Hans-Jörg Vollmer. Er spricht von laufenden Kosten von rund 15.000 Euro pro Jahr ohne die Mehraufwendungen und nennt den Hausbesitz eine „Liebhaberei“.
Michael Mönig, Hauptgeschäftsführer des Hauseigentümer-Verbandes Haus & Grund, sagt: „Wir vertreten vor allem die Kleinen, denen es nicht auf den letzten Cent ankommt“. Viele der Probleme, die nach außen kommen, würden allerdings durch große, oft börsennotierte, Unternehmen verursacht. Immer wieder tauchen Unternehmen wie Vonovia oder LEG in der Debatte auf. „Sie bestimmen die Wohnungspolitik. Dadurch wird das Mietrecht für die Vermieterseite restriktiver“, sagt Michael Mönig. Das löse aber nicht das grundsätzliche Problem, das in Dortmund Wohnungen fehlen: „Viele private Vermieter haben das Gefühl, dass ihre Meinung nicht interessiert.“
Bei allem berechtigten Ärger der Vollmers und bei allem, was auch auf privater Vermieter-Seite falsch läuft, bleibt festzuhalten: Die überwiegende Mehrheit der Mietverhältnisse kommt ohne Streit aus. Aber es müsste Organisationen wie Haus&Grund und den Mieterverein gar nicht geben, wenn alles in Ordnung wäre. „Der fehlende Respekt untereinander entspricht ein bisschen auch dem Zeitgeist“, sagt Michael Mönig.
Seit 2010 Redakteur in Dortmund, davor im Sport- und Nachrichtengeschäft im gesamten Ruhrgebiet aktiv, Studienabschluss an der Ruhr-Universität Bochum. Ohne Ressortgrenzen immer auf der Suche nach den großen und kleinen Dingen, die Dortmund zu der Stadt machen, die sie ist.
