Energiewende, internationale Krisen und Millionen-Projekte Der Wilo-Konzernchef will in Dortmund investieren

Millionen-Investition: Wilo rüstet sich für Siegeszug der Wärmepumpe
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Allen politischen Krisen und Abschottungstendenzen, die internationale Lieferketten infrage stellen, zum Trotz hat der Dortmunder Pumpenhersteller und weltweit tätige Technologiekonzern Wilo im vergangenen Jahr einen neuen Rekordumsatz erzielt. Rund 1,9 Milliarden Euro setzte die Wilo-Gruppe um – 14,2 Prozent mehr als 2021. Unterm Strich blieben 61,1 Millionen Euro in den Konzernkassen, ein Plus von fast 25 Prozent.

Dass das Unternehmen, das in Dortmund rund 2000 seiner insgesamt 8500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt, seinen Wachstumskurs fortsetzt, hängt mit globalen Megatrends wie Urbanisierung, Klimawandel oder Energie- und Wasserknappheit zusammen. Diese ließen sich, so sagt Wilo-Chef Oliver Hermes, auch durch die derzeitige geopolitische und geoökonomische Zeitenwende nicht aufhalten. Ob für die Versorgung von Gebäuden mit Wasser und Wärme oder für die Trinkwasserversorgung, überall braucht es Pumpen. Wilo stellt Pumpen und Pumpensysteme her, die vor allem in der Heizungs-, Kälte- und Klimatechnik, der Wasserversorgung sowie der Abwasserentsorgung eingesetzt werden.

„95 Prozent aller weltweit im Einsatz befindlichen Pumpen gelten aber als veraltet. Durch einen Austausch gegen hocheffiziente Pumpen lassen sich nur im Bereich Heizung, Kälte und Klimatisierung 246 Terawattstunden Strom einsparen – so viel wie 80 mittelgroße Kohlekraftwerke produzieren“, sagt Oliver Hermes. „Das macht uns zu einem Klimaschutz-Unternehmen“, fügt er an.

Erhöhung der Kapazitäten

Als Klimaschutz-Unternehmen spielt Wilo jetzt auch bei der Energiewende in Deutschland eine wachsende Rolle. Wärmepumpen produziert Wilo zwar nicht, aber wichtige Teile dafür werden zugeliefert.

„Wir kommen bei Wärmepumpen ins Spiel, die wassergeführte Heizungssysteme bedienen. Pro Wärmepumpe sind bis zu zwei Umwälzpumpen nötig, die wir herstellen“, sagt Oliver Hermes. Bis 2030 sollen laut Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck 6 Millionen Wärmepumpen in Deutschland verbaut sein.

Um für diesen Siegeszug der Wärmepumpe gerüstet zu sein, baut Wilo seine Kapazitäten auf dem Wilopark in Hörde aus. „Wir begleiten die Energiewende aus Deutschland heraus für Deutschland. Wir haben 300 Millionen Euro in unseren Standort in Dortmund investiert, um mit unseren energieeffizienten Produkten die ökologische Transformation in Deutschland und in ganz Europa zu beschleunigen. Des Weiteren investieren wir an unserem Stammsitz weitere 25 Millionen Euro und schaffen auch neue Arbeitsplätze, um den Wärmepumpenmarkt zu unterstützen“, sagt Oliver Hermes.

Wilo beschäftigt in Dortmund rund 2000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und baut sein Werk in Hörde jetzt noch aus, um den boomenden Wärmepumpenmarkt zu unterstützen. Dafür sollen weitere Arbeitsplätze entstehen. Wie viele ist noch offen, die Planungen laufen noch.
Wilo beschäftigt in Dortmund rund 2000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und baut sein Werk in Hörde jetzt noch aus, um den boomenden Wärmepumpenmarkt zu unterstützen. Dafür sollen weitere Arbeitsplätze entstehen. Wie viele ist noch offen, die Planungen laufen noch. © Wilo SE

Dass er es ernst meint mit Klimaschutz und Nachhaltigkeit, sieht man, wenn man mit ihm durch das Fenster seines Büros über das Werksgelände blickt. Man guckt auf ein Meer aus Solarmodulen, mit denen die Dachflächen der Produktionshallen bedeckt sind. Die Photovoltaikanlagen liefern den Strom aus der Sonne, der das Werk mit elektrischer Energie versorgt. Was von den drei Megawatt, die hier in der Spitze erzeugt werden, nicht benötigt wird, wird für die eigene, im September 2022 eingeweihte Wasserstoff-Produktion mit dem H2-Powerplant verwendet.

Wilo hält an China fest

Oliver Hermes betont, dass Wilo nicht nur anderen bei der Energiewende und der Energieeffizienz helfen will, sondern auch selbst als Vorbild voran geht. „10 Prozent der elektrischen Energie weltweit“, sagt er, „wird von Pumpen verbraucht. Wir tragen weltweit dazu bei, dass der Klimawandel entschleunigt wird. Während eine alte, ungeregelte Heizungspumpe im Ein- oder Zweifamilienhaus gut und gerne 600 Kilowattstunden pro Jahr verbraucht, verbraucht eine neue vergleichbare Pumpe nur rund 46 Kilowattstunden. Wir selbst sind an unserem Hauptsitz hier in Dortmund und an allen anderen Standorten in Europa klimaneutral. Bis 2025 werden es alle Hauptproduktionsstandorte weltweit sein.“

Als Klimaschutz-Unternehmen will Wilo auch weiterhin in China erfolgreich sein. Obwohl China den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine nicht verurteilt hat und selbst Anspruch auf den souveränen Inselstaat Taiwan erhebt, hält Oliver Hermes an dem wirtschaftlichen Engagement im sogenannten Reich der Mitte fest.

Mit den chinesischen Unternehmen Mating (Shanghai) Membrane Technology Co., Ltd. und Guhong (Shanghai) Environmental Engineering Equipment Co. baut Wilo gezielt sein Portfolio für die Wasserwirtschaft aus, erweitert die Fertigungskapazitäten und stärkt den direkten Marktzugang in China.

In China Wachstumspotenzial

„Wir sehen in China ein immenses Wachstumspotenzial und betreiben dort zwei Produktionsstandorte“, sagt Oliver Hermes und ergänzt: „Wir dürfen auf die Herausforderungen unserer Zeit nicht mit Abschottung reagieren. Global agierende Unternehmen müssen Entkopplungstendenzen entgegenwirken. Unsere Antwort muss Diversifizierung heißen.“

Bei Wilo haben sie einen Namen dafür und sprechen vom Region-for-region-Ansatz. Mit dieser Strategie wird das Ziel verfolgt, regionale Kundenbedürfnisse mit regional hergestellten Produkten zu befriedigen. Aus den Folgen des Krieges in der Ukraine habe man gelernt und diese Strategie bereits im vergangenen Jahr schneller vorangetrieben.

Mit Blick auf China erklärt Oliver Hermes, was das bedeutet: „Unsere europäischen Werke haben keine Abhängigkeit von China. Wir haben unsere Zulieferströme so diversifiziert, dass wir überall auch ohne Lieferungen aus China produzieren könnten. Umgekehrt laufen auch die Werke in China autonom und funktionieren auch dann, wenn es zu Sanktionen kommen sollte.“ Und selbst wenn es aus politischen Gründen zu einer vollständigen Entkopplung der chinesischen und europäischen Wirtschaftsräume käme, sei das für Wilo zu verschmerzen.

„Als Wirtschaftsunternehmen hoffen wir, dass es nicht dazu kommt. Ausgrenzen, Sanktionieren und Abschotten sowie das Einreißen von Brücken hat in der Weltgeschichte noch nie einen Mehrwert generiert. Wir bei Wilo sind Multilateralisten und glauben an eine verantwortungsvolle Koexistenz. Eine Entkopplung Chinas hätte immense negative Folgen für die Weltwirtschaft. Dennoch haben wir dort kein Klumpenrisiko. In China generieren wir nur 10 Prozent unserer weltweiten Umsatzerlöse“, so Oliver Hermes.

Größtes Projekt in 150 Jahren

Neben China, Südkorea und Indien in Asien ist es vor allem auch der südostasiatische Markt mit 600 Millionen Menschen, an dem Wilo langfristige Wachstumspotenziale reizen. Oliver Hermes nennt gigantische Projekte, die in Europa noch kaum bekannt sind: „Neben der chinesischen Hauptstadt Peking entsteht mit der Stadt Xiong‘an eine neue Metropole für rund 2,5 Millionen Menschen. Und in Indonesien versinkt die Hauptstadt Jakarta langsam im Meer. Hauptgrund ist das Abpumpen von Grundwasser zur Wasserversorgung. Jetzt soll eine neue Hauptstadt namens Nusantara auf der Insel Borneo errichtet werden. Wir haben da Megaprojekte vor der Brust.“

An einem anderen Megaprojekt in Ägypten arbeitet Wilo bereits intensiv mit. Dort geht es um eine sichere Nahrungsmittelversorgung, die nicht ohne eine sichere Wasserversorgung funktioniert. „Ägypten“, sagt Oliver Hermes, „ist der größte Weizenimporteur weltweit. Der größte Teil wird aus Russland und der Ukraine bezogen. Aus dieser Abhängigkeit will das Land sich lösen. Aus Wüste wird Ackerland gemacht. Dazu werden riesige Wassermengen aus einem See entnommen und gemanagt. Wilo liefert dafür die notwendige Technologie. Es ist das bisher größte Infrastrukturprojekt in der über 150-jährigen Wilo-Geschichte.“

Aufgrund der vielfältigen weltweiten Aufgaben rechnet der Vorstandsvorsitzende auch für das laufende Jahr mit einer Fortführung des Wachstumskurses. Die Umsatzeinbußen in Russland tun weh, lassen sich aber verschmerzen. „Wir setzen alle Sanktionen aufgrund des Krieges in der Ukraine um, bleiben aber dort im Markt“, sagt Oliver Hermes. Das Werk bei Moskau arbeite noch unter Wilo-Flagge, aber nur eingeschränkt.

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