Weggefährten trauern um Werner Lauterborn Gast-Haus-Mitgründer „möchte dahin, wo seine Gäste sind“

Weggefährten trauern um Werner Lauterborn: „Er war der beste Mensch“
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Der Standardspruch, wenn jemand mal Hilfe brauchte: „Geh doch mal zu Werner.“ Das erzählt Katrin Lauterborn, die Tochter von Werner Lauterborn, nur wenige Tage nach seinem Tod. Am Sonntag (13. April) ist der 82-Jährige nach lange Krankheit verstorben.

Bekannt war er als Träger des City-Rings und des Bundesverdienstkreuzes, als Mitgründer des Gast-Hauses in Dortmund, Lehrer in Castrop-Rauxel, engagierter Ehrenamtler - und als liebenswerter Mensch, der vielen Menschen fehlen wird. Seine Tochter, Mitarbeiter im Gast-Haus und Obdachlose erinnern sich an einen Mann, der stets das Wohlergehen anderer im Sinn hatte.

Ein beeindruckendes Leben

Auch wenn der Ur-Dortmunder mehr war, als sein Lebenslauf, ist schlicht beachtlich, was der Mann alles geleistet hat. Schon früh engagierte er sich in der Jugendarbeit der Gemeinde. Vielen gilt er als einer der prägendsten Persönlichkeiten im Sozialen, insbesondere weil er beim Gast-Haus von Anfang an dabei war und über 20 Jahre lang den Vorsitz innehatte.

2015 verleiht Hannelore Kraft, damals Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen, Werner Lauterborn das Bundesverdienstkreuz.
2015 verleiht Hannelore Kraft, damals Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen, Werner Lauterborn das Bundesverdienstkreuz. © Ralph Sondermann / VISUM

Lauterborn war an der Gründung des Gast-Hauses beteiligt, einer ökumenischen Initiative, die seit 1995 obdachlosen und bedürftigen Menschen in Dortmund einen Ort der Zuflucht, Beratung und Gemeinschaft bietet. Als Vereinsvorsitzender baute er das Angebot stetig aus, installierte ein medizinisches, seelsorgerisches und kulturelles Angebot. Immer wieder brachte er die Einrichtung auf die politische Agenda. Unter seiner Führung wurde das Gast-Haus zur Anlaufstelle für jährlich etwa 120.000 Bedürftige, unterstützt von einem Team ehrenamtlicher Helferinnen und Helfer, das inzwischen 380 Menschen zählt.

Zuvor war Werner Lauterborn wissenschaftlich und pädagogisch tätig. Er forschte am Max-Planck-Institut in den Bereichen Biologie und Chemie. Später gelang ihm als Lehrer am Ernst-Barlach-Gymnasium in Castrop-Rauxel, was nur wenige Lehrer schaffen: Er war in seinen 30 Jahren an der Schule so beliebt, dass ihn bis ins hohe Alter ehemalige Schüler besuchten. „Immer wieder begegnen mir Menschen auf der Straße, die mir erzählen, dass mein Vater ihr Lehrer war“, erzählt seine Tochter.

Für seinen unermüdlichen Einsatz erhielt Lauterborn zahlreiche Ehrungen. Besonders hervorzuheben sind der City-Ring der Stadt Dortmund, der ihm 2014 für seine Verdienste um ein soziales Dortmund verliehen wurde. Zudem wurde ihm das Bundesverdienstkreuz am Bande für sein Engagement verliehen. „Ich bekomme das nicht für mich, sondern ich bekomme es für die Arbeit, die wir alle leisten“, habe ihr Vater immer betont, erzählt Katrin Lauterborn.

Werner Lauterborn war ein Macher

Im Gast-Haus sei er immer „mitten drin gewesen“, sagt sie. „Ihm war es wichtig, jeden einzelnen Menschen an der Tür, persönlich zu begrüßen.“ Daran erinnern sich auch Besucher im Gast-Haus, als wir sie einige Tage nach Werner Lauterborns Tod nach ihm fragen. Joachim kommt seit 20 Jahren mehrmals die Woche her. Er sagt: „Er war ein netter Mensch und immer korrekt mit allen.“

Markus hat Lauterborn bei seinem ersten Besuch im Gast-Haus kennengelernt. „Er war sehr zuvorkommend, er war bei allem dabei und hat alles getan, was er konnte.“ Frank ist davon beeindruckt, dass Lauterborn vieles aus eigener Tasche bezahlte. „Es ist traurig, dass er tot ist. Keiner hat sich so für die Armen eingesetzt. Als Mensch war er einfach nur spitze, wie ein Kumpel Typ.“ An seine guten Taten werde man sich noch lange erinnern, ist sich ein Gast sicher, „Onkel Werner“, nennt ihn ein anderer.

Rolf hilft ehrenamtlich im Gast-Haus in Dortmund
Rolf hilft ehrenamtlich im Gast-Haus in Dortmund. Werner Lauterborn kannte er 21 Jahre lang. © Julia Segantini

In Erinnerungen bleibt er vielen als jemand, der Dinge anpackt. „Der hat nicht nur Bla-Bla gemacht, sondern wirklich gemacht“, sagt ein Besucher im Gast-Haus. Zugleich sei er Denker und Stratege gewesen, der auch bestimmt auftreten und Grenzen setzen konnte, wenn es sein musste, sagt seine Tochter.

Daran erinnert sich auch Rolf, einer der ehrenamtlichen Helfer. Er lernte Lauterborn vor 21 Jahren kennen. Als „zurückhaltend, lieb, nett, aber bestimmt“, beschreibt er ihn. Ihm bleibt Lauterborn auch als Freund in Erinnerung, mit dem er bei Mitarbeiterfahrten am Lagerfeuer gesungen und Würstchen gegrillt hat. „Am meisten wird mir im Gedächtnis bleiben, wie ausgeglichen er immer geblieben ist, obwohl er tausend Sachen um die Ohren hatte. Und er war ein guter Zuhörer.“ Tochter Katrin erinnert sich gern daran, dass ihr Vater witzig war und gern mit Ironie spielte.

Lauterborns Familienleben

Mit diesen Eigenschaften war er für die Menschen in Dortmund da. Das Haus in der südlichen Innenstadt, in dem Lauterborns lebten, wurde zum Anlaufpunkt für alle, die Rat oder Hilfe suchten. Immer an seiner Seite: Seine Frau Ingeborg, die im vergangenen Jahr verstarb. „Sie hat den Gedanken der Nächstenliebe genauso gelebt. Die beiden haben alles geteilt und alles gemeinsam gemacht“, sagt Tochter Katrin.

So habe ihre Mutter ebenfalls am Max-Planck-Institut geforscht und auch die Arbeit im Gast-Haus nach Kräften unterstützt. 57 Jahre war das Paar glücklich verheiratet. Sie zu verlieren, habe dem Vater schwer zugesetzt, ist sich seine Tochter sicher.

Katrin Lauterborn, Geschäftsführerin der Obdachlosen-Hilfsinitiative "Gast-Haus statt Bank"
Karin Lauterborn ist seit 2015 Geschäftsführerin der Obdachlosen-Hilfsinitiative "Gast-Haus statt Bank". © Benjamin Trilling

Sie hatte beide Eltern zu Hause gepflegt, bis schließlich das St. Antonius Seniorenheim in Huckarde übernahm. Dort sei ihr Vater bis zu seinem Tod in hervorragenden Händen gewesen, sagt Katrin Lauterborn. Sie war in den letzten Augenblicken ihres Vaters dabei. „Wenn ich jetzt im Gespräch nicht weine, liegt es nur daran, dass ich in den letzten Tagen schon so viel geweint habe“, sagt sie.

Lauterborn will bei seinen Gästen ruhen

Trotz der vielen Verpflichtungen habe Zeit mit der Familie immer einen hohen Stellenwert gehabt. Die Familie lebte in einem Drei-Generationen-Haushalt zusammen. Auch für Hobbys und Freunde habe Lauterborn sich Zeit genommen. Ihr Vater sei ein großer Freund von klassischer Musik gewesen, mochte aber auch Elvis, die Beatles und Peter Maffay. Seine andere große Leidenschaft: Bücher. Er habe bis zum Schluss unglaublich viel gelesen. Solange es ging, habe er in seiner Freizeit gern Volleyball gespielt oder sei schwimmen gegangen.

Nur Zeit für sich selbst habe er sich kaum genommen. „Er hat immer gesagt, dass es das nicht braucht, ihn haben die vielen Begegnungen mit Menschen besonders im Gast-Haus so erfüllt.“ Er wurde niemals müde vor Vereinen, Kirchengemeinden, Verbänden und Lokalpolitikern klarzustellen: „Es geht um Menschen, nicht um Obdachlose. Das sind genauso Menschen wie wir, wir sind alle gleich.“

Seine Hingabe zeigt er sogar nach seinem Tod. Als Ort der Bestattung wählte Werner Lauterborn bewusst die Grabeskirche Liebfrauen gleich um die Ecke vom Gast-Haus. Dort werden auch viele Obdachlose bestattet. „Er hat gesagt, er möchte dahin, wo seine Gäste sind.“ Auch seine Frau wurde dort bereits beigesetzt. „Ihr und ihnen wollte er nach dem Tod nahe sein.“

Gesundheitliche Probleme

Gesundheitliche Probleme habe er schon lange gehabt. Den ersten Herzinfarkt hatte er noch in seiner Zeit als Lehrer. Nach zwei weiteren wurde er „zwangspensioniert“. Später erlitt er einen kleinen Schlaganfall, 2016 einen großen, der zu einer halbseitigen Lähmung führte, die ihn in seinem linken Arm einschränkte. Ob ihn das gebremst hat? „Überhaupt nicht“, sagt seine Tochter schmunzelnd.

„Wenn wir Lebensmittelspenden bekommen hat, hat er auch nach dem Schlaganfall, als er im linken Arm gelähmt war, einhändig Sachen eingeräumt und sortiert. Auch Toiletten hat er geputzt. Er war sich für nichts zu schade.“

Die letzten zweieinhalb Jahre verbrachte er im Rollstuhl, vergangenes Jahr verschlimmerten sich die gesundheitlichen Probleme. Schwer zu akzeptieren für jemanden, der immer so aktiv gewesen ist. Seine Tochter ist sich sicher, dass der Tod am Ende eine Erlösung war. Sie plant die Trauerfeier für den 30. April.

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