Linda Stiefken hat die Eingewöhnung ihrer 15 Monate alten Tochter Carlotta als durchaus schwierig wahrgenommen. Eine Quarantäne erschwerte den Prozess zusätzlich. © Stiefken

Kinderbetreuung in Dortmund

Wenn Kinder verstört auf Andere reagieren: Corona erschwert die Eingewöhnung

Die Eingewöhnung ihrer Kinder bei Tageseltern oder in Kitas läuft sehr holprig - diese Erfahrung machen viele Eltern. Fachleute nennen mehrere Faktoren, die es den „Corona-Kindern“ schwerer machen.

Dortmund

, 21.09.2021 / Lesedauer: 4 min

Gerade hatte Carlotta etwas Vertrauen zur Tagesmutter gefasst: Nach einer Woche Eingewöhnung hatte das 15 Monate alte Mädchen freitags zum ersten Mal aus eigenem Antrieb bei ihr auf dem Schoss gesessen. Dann der Rückschlag, berichtet Carlottas Mutter: „Samstags kam die Nachricht, dass ein Kind aus der Gruppe positiv getestet wurde“, sagt Linda Stiefken.

Damit nicht genug: Auch bei ihrer Tochter fällt der Test positiv aus. „Nach zwei Tagen Fieber und Nase laufen war sie aber wieder fit wie ein Turnschuh.“ Als größeres Problem für die Eingewöhnung stellt sich die Quarantänepause heraus. Beim Wiedereinstieg nach zwei Wochen fangen Tagesmutter und die Familie wieder bei null an.

Herausforderung für Kind und Eltern

Das kleine Mädchen hält sich wieder eng bei seinen Eltern, nur zögerlich sucht sie Kontakt zu der Tagesmutter und den anderen Kindern. „Man merkt einfach, dass es sehr schwierig ist. Die Trennung ist jedes Mal furchtbar, da schluchzt sie auf und weint los“, so die Dortmunderin.

Auch für Linda Stiefken selbst jedes Mal eine Herausforderung: „Durch Corona war man einfach sehr wenig vom Kind getrennt. Es gab keine großen Mama-Auszeiten.“ Dementsprechend ungeübt sei man darin, nicht beim Kind zu sein.

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Situationen und Gefühle, die Eltern auch vor der Corona-Pandemie erlebt haben - dennoch erschweren die sozialen Einschränkungen der vergangenen eineinhalb Jahre die Eingewöhnung: Entsprechende Berichte häufen sich, sagt Hendrike Frei, Sprecherin der Dortmunder Kinderärzte.

Kinderärztin rät: „Viel Geduld“ mitbringen

„Zweijährige haben mehr als die Hälfte ihres Lebens nur eingeschränkt mit Menschen Kontakt gehabt. Dass die jetzt anders reagieren als Kinder, die Gelegenheit hatten, Krabbelgruppen und so weiter zu besuchen, ist völlig normal“, so die Ärztin mit Praxis in Mengede.

Man brauche „viel mehr Geduld und muss beobachten, ob Folgemaßnahmen sinnvoll wären“.

Kinder „sehr isoliert aufgewachsen“

Claudia Engelberts ist Tagesmutter und Vorstandsmitglied bei den Leuchtsternen, der Interessenvertretung der Tageseltern in Dortmund. Sie berichtet ebenfalls von Auffälligkeiten: „Ich höre von sehr vielen Kolleginnen, dass die Eingewöhnung viel anstrengender ist als sonst. Es gibt Kinder, die sehr isoliert aufgewachsen sind.“

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Teils werde sehr deutlich, wie wenig Kontakt Kinder zu Gleichaltrigen gehabt hätten: „Es gab Fälle, wo Kinder verstört auf andere Kinder reagiert haben.“

Petra Bock, bei der Awo zuständig für die Einrichtungen der Kinderbetreuung, berichtet von sehr unterschiedlichen Voraussetzungen: „Es gab natürlich Familien, die Kontakte hatten, bestimme feste Spielfreunde, Kinder im Familienkreis. Wenn es aber gar keine Kontakte gab, ist es natürlich problematisch.“

Angst und Überforderung bei Eltern

In den Awo-Einrichtungen handele es sich aber um Einzelfälle, „nicht die breite Masse“. In den städtischen Fabido-Kitas nehme man schon seit über zwei Jahren - also auch schon vor der Pandemie - wahr, „dass die Eingewöhnung der sehr kleinen Kinder zum Teil schwieriger wird“, teilt Anke Widow, Stadt-Pressesprecherin, mit.

Aber: „Es ist zu vermuten, dass die Hindernisse in Bezug auf die Eingewöhnung durch die Auswirkungen der Pandemie verstärkt werden. Eltern können zum Beispiel allgemeine Angst- und Überforderungsgefühle belasten. Hinzu kommt, dass im Zuge der Einschränkungen durch die Pandemie viele Kinder kaum Erfahrungen in Spielgruppen oder in der freien Begegnung mit anderen Menschen machen konnten.“

„Kinder bringen einen Tacken weniger mit als früher“

Jochen Schade-Homann, zuständig für die evangelischen Kitas in Dortmund, fasst es so zusammen: „Insgesamt höre ich von vielen Leitungen, dass die Eingewöhnung sehr viel anstrengender ist. Kinder bringen im Sozialverhalten und der Entwicklung einen Tacken weniger mit als früher.“

In Bezug auf die Eltern könne man ein gewisses Spannungsfeld ausmachen, so Nils Gronemeyer, Pressesprecher des Kita-Trägers Katholische Kirchengemeinden Östliches Ruhrgebiet. Auf der einen Seite: „Eltern, die sich für ihr Kind freuen, dass es jetzt im Rahmen des Machbaren größtmögliche kindgerechte Normalität erleben kann und ihr Kind auch entsprechend motivieren.“

Auf der anderen: „Eltern, die nur schwer in der Lage sind, sich von ihrem Kind zu lösen sowie Eltern, die aufgrund ihrer angespannten Arbeitssituation einen enormen Druck verspüren, die Eingewöhnung ihres Kindes reibungslos zu durchlaufen, um keinen weiteren Arbeitsausfall zu haben.“

Quarantänen sorgen für Ausfallzeiten

Ein weiterer Faktor sei die Erfahrung, die auch Linda Stiefken und ihre Tochter Carlotta machen mussten: „Erschwerend kommen immer wieder quarantänebedingte Ausfälle hinzu, sodass Kinder mitunter ein weiteres Mal eingewöhnt werden müssen“, so Gronemeyer.

Seit Anfang August gab es in Kindertagesstätten und bei Tageseltern 105 Corona-Fälle - wie viele Kinder neben den direkt positiv-getesteten in Quarantäne mussten, teilte die Stadt auf Anfrage nicht mit.

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