Nichts riechen, nichts schmecken – So ist ein Leben ohne Geruchssinn

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Nichts riechen, nichts schmecken – So ist ein Leben ohne Geruchssinn

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Welche Rolle der Geruchssinn im Alltag spielt, bemerken Betroffene erst, wenn er wegfällt. André Austinat hat das erlebt. Weil nicht alle diesen Verlust verstehen, sucht er Gleichgesinnte.

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, 01.07.2019, 17:48 Uhr / Lesedauer: 2 min

Alles begann vor drei Jahren. Nach dem Einsatz einer Chemikalie in seinem Haus spürte André Austinat einen unangenehmen Reiz in der Nase, dachte sich aber nichts weiter dabei. „Beim Kochen habe ich auf einmal nichts mehr gerochen“, erzählt der Lütgendortmunder, der gerne ausgiebig kocht. Auch Parfüm und selbst unangenehme Gerüche nahm er nicht mehr war. Da glaubte er noch, dass sein Geruchssinn wieder kommt.

Das war vor drei Jahren. Unzählige Arztbesuche später reifte die Erkenntnis, dass sein Leiden keine kurzzeitige Beeinträchtigung ist. „Meine Zunge verweigert mir das Schmecken und die Nase das Riechen“, sagt André Austinat nachdenklich. Mit Hilfe der Selbsthilfe-Kontaktstelle möchte er eine neue Gruppe gründen. Dafür sucht er andere Betroffene. Auch Angehörige sind angesprochen.

Das Lieblingsessen schmeckt plötzlich nicht mehr

Denn mit dem Verlust der beiden Sinne geht auch ein Verlust an Lebensqualität einher. Der Duft von Lavendel oder von Gegrilltem: für an Anosmie erkrankte Personen - so der Fachbegriff - nur noch Erinnerung. Auch das Lieblingsessen schmeckt plötzlich nicht mehr.

Der Ehemann und zweifache Vater kocht zwar immer noch gern. Aber wenn seine Kinder nach Hause kommen und sagen: „Papa, es riecht gut“, ist seine trockene Antwort: „Kann sein.“ Bei einer Anosmie geht die Vielfalt der Aromen verloren. Denn die Nase ist direkt am Sinneserlebnis Schmecken beteiligt.

Außenstehende erkennen die Auswirkungen dieser Verluste nicht

Sein Leben sei durch die Erkrankung anders geworden. „Ich wollte immer durch ein Lavendelfeld laufen und den Duft riechen“, sagt er bedauernd. Diesen Traum haben er und seine Frau begraben. Sein Alltag fühle sich an wie ein Leben im Fernseher, sagt der 43-Jährige über seine Krankheit. „Man sieht die Bilder und ist dabei, aber nicht mit 100 Prozent.“ Und auch für die Familie sei es oft schwer, Düfte zu genießen in dem Wissen, dass einer von ihnen nicht teilhaben kann.

Manchmal fühle er sich psychisch stark, dann komme er wieder ins Grübeln. „Außenstehende erkennen die Auswirkungen dieser Verluste nicht oder spielen sie als unwichtig herab“, steht auf dem Flyer, den André Austinat für die neue Selbsthilfegruppe erstellt hat. Gemeinsam mit anderen möchte er seine Lebenssituation verbessern. Es geht vor allem um die Frage, wie man trotz der Beeinträchtigung ein zufriedenes Leben führen kann.

André Austinat möchte eine Selbsthilfegruppe gründen.

André Austinat möchte eine Selbsthilfegruppe gründen. © Schaper

Interessierte können sich an die Selbsthilfe-Kontaktstelle wenden unter Tel. 529097 oder per E-Mail an selbsthilfe-dortmund@paritaet-nrw.org. Ein Gründungstreffen ist für einen Dienstagabend zwischen 18 und 20 Uhr in der City geplant. Ein genauer Termin wird noch festgelegt.

Genaue Angaben über die Zahl der Patienten mit Riechstörungen fehlen bislang. Man nimmt jedoch an, dass etwa 5 Prozent der Bundesbürger an Anosmie leiden. Die Häufigkeit des Auftretens dieser Riechstörung steigt mit dem Alter: Bei den über 80-Jährigen hat jeder Zweite sein Riechvermögen vollständig eingebüßt. Von einer Hyposmie, einer Beeinträchtigung des Riechsinns, sind Schätzungen zu Folge 20 Prozent der deutschen Bevölkerung betroffen - quer durch alle Altersstufen. Gesichert ist, dass jährlich knapp 80.000 Bundesbürger wegen Riechstörungen in HNO-Kliniken behandelt werden.
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