Die problematische Situation der kalten Wintermonate, die von einer starken Grippewellen und vielen Atemwegserkrankungen geprägt war, ist zwar vorbei. Doch eine wirkliche Entlastung sei für Dr. Felix Tenbieg nicht in Sicht, er leitet die Patroklus-Apotheke in Kirchhörde und ist Sprecher der Apotheker in Dortmund: „Aktuell sind immer noch knapp 430 Positionen nicht lieferfähig - eine Zahl, die schon lange so hoch ist“.
Die Gründe für den anhaltenden Versorgungsengpass bei vielen Medikamenten sind vielfältig: Unterbrochene Lieferketten, fehlendes Zubehör wie Dosierlöffel oder Spritzen und ein Mangel an benötigten Rohstoffen sowie Arbeitskräften lähmen seit Monaten die regulären Lieferketten. „Wir stehen am Ende der Ketten - und müssen dass jetzt ausbaden“, sagt Tenbieg.

Gerade Arzneimittel wie Zäpfchen und Säfte sind dadurch für Kinder kaum bis gar nicht vorhanden - auch, da es nur wenige kindgerechte Alternativen gebe. Ebenso liege allerdings auch die Versorgung mit bestimmten Antibiotika weitgehend brach. Und auch hier seien besonders für die Jüngsten oft kaum geeignete Medikamente vorhanden.
„Kurz vor der Katastrophe“
Die beruhigende Nachricht: Aktuell könne man in Notfällen in der Regel noch ein geeignetes Präparat bereitstellen. Doch bereits einige Male stand man schon „kurz vor einer Katastrophe“, so Tenbieg.
Umso wichtiger sei es also, dass alle möglichen Alternativen berücksichtigt werden: „Mittlerweile ist in vielen Apotheken ein Mitarbeiter nur noch damit beschäftigt, mögliche Lücken zu füllen und Alternativen zu prüfen“, sagt Michael Mantell, der die Stiftsapotheke in Hörde leitet und stellvertretender Apotheker-Sprecher in Dortmund ist.
„Eine gerechte Verteilung zu ermöglichen ist aktuell extrem schwer, da die Grundversorgung wirklich nur mit größten Mühen gewährleistet werden kann“, gesteht Mantell ein. Hinzu kommt für den Apotheker „eine große Unkenntnis in der Bevölkerung, was den Umgang mit abweichenden Medikationen betrifft“.

Unverständnis und Verwirrung sind oftmals die Folge, wenn zum Beispiel ein anderes Präparat verschrieben wird als das, an das man gewöhnt ist. „Es müssen Kompromisse zwischen Apothekern und Patienten gemacht werden, um weiterhin die medizinische Versorgung gewährleisten zu können“, so Mantell.
Auch er hat große Engpässe zu beklagen: selbst bei gängigen Wirkstoffen wie dem Schmerzmittel Paracetamol oder dem Standard-Antibiotikum Amoxicillin. Letzteres würde nicht mehr im Euroraum produziert, sondern nur noch in Indien und China. Für Mantell ein typisches Beispiel der Abhängigkeit von den Versorgungsketten und großen Industriezweigen in Asien. Die sieht er kritisch.
„Nicht-Wertschätzung der Politik“
Scharfe Kritik richtet der Apotheker auch an die Politik - und die aktuellen Pläne, eine Zusammenarbeit zwischen Arzt und Apotheker in Zukunft mit einer Pauschale von 50 Cent zu vergüten, wenn beide gemeinsam nach alternativen Medikationsmöglichkeiten für Patienten suchen: „Diese Betrag spiegelt den Aufwand in keiner Weise wider - eine absolute Nicht-Wertschätzung der Politik.“
Dies ist einer der Gründe, warum der Apotheker ein „großflächiges Umdenken von der Politik“ fordert, der aktuelle Zustand sei so nicht länger für ihn vertretbar. Denn in einer kurzen Frist ließen sich die vielen Probleme nicht beheben, man müsste langfristig denken.
Auch deswegen, da sind sich beide Apotheker einig, muss auch in Zukunft vorerst mit einer weiterhin angespannten Versorgungssituation zu rechnen sein.
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