Eine „abstrakt hohe Bedrohungslage“ sieht Bundesinnenministerin Nancy Faeser mit Blick auf die Weihnachtsmärkte in Deutschland. Wie sie im Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) betonte, bestehe „weiter Grund zu großer Wachsamkeit und konsequentem Handeln für unsere Sicherheit“.
Konkrete Gefährdungshinweise würden den Sicherheitsbehörden des Bundes aber nicht vorliegen, sagte die Innenministerin, befeuerte damit aber trotzdem eine mediale Debatte über die Sicherheitslage auf Weihnachtsmärkten.
Dortmunds Polizeipräsident Gregor Lange hat sich vor dem Start des Weihnachtsmarktes in Dortmund fast wortgleich geäußert. Auch er betonte, eine abstrakte Gefahr. „Wir haben keine konkreten Hinweise auf irgendeine Anschlagssituation, sondern wir bereiten uns präventiv auf eine abstrakte Gefährdungssituation vor.“
„Alles sehr zivilisiert“
Diese sei aber nicht neu, sondern bestehe schon seit geraumer Zeit. Polizeikräfte seien auf dem Weihnachtsmarkt in Dortmund präsent, auch zivile Kräfte seien eingesetzt, sagte der Polizeipräsident.
In der ersten Woche seit der Öffnung verläuft der Weihnachtsmarkt aus Sicht der Polizei Dortmund ohne größere Zwischenfälle. „Das läuft alles sehr zivilisiert, sehr friedlich und feierlich ab“, sagte Polizeisprecher Peter Bandermann am Donnerstagvormittag (28.11.).
Bei Kontrollen an den Zugängen zum Weihnachtsmarkt hatten Beamte am Montag (25.11.) bei Personendurchsuchungen zwei Messer sichergestellt. Hinweise darauf, dass damit Straftaten auf dem Markt begangen werden sollten, habe man aber nicht gehabt, sagte Bandermann. Messer sind auf dem Markt jedoch verboten.
Auf der Fläche des Weihnachtsmarktes gilt in diesem Jahr ein Verbot von gefährlichen Gegenständen wie Messern, Schlagringen und Pfeffersprays. Gelbe Hinweisschilder machen darauf aufmerksamen.
Alltagsfragen statt Terrorangst
Eine Verschärfung des Waffengesetzes, das die Bundesregierung im Zuge eines mutmaßlich islamistisch motivierten Anschlags auf einem Stadtfest in Solingen, auf den Weg gebracht hatte, machen das Verbot möglich. Polizeipräsident Lange kündigte an, dass man verstärkt auf das Mitführen von Waffen kontrollieren werde.
Besondere Sorge vor Anschlägen würden die auf dem Weihnachtsmarkt eingesetzten Beamten bei den Besucherinnen und Besuchern aber nicht feststellen, teilte Bandermann mit. „Niemand fragt: Muss ich hier Angst haben?“, sagte der Sprecher. Die häufigste Frage, die an die Beamten der mobilen Wache am Alten Markt herangetragen werde, sei, wo denn der Baum sei. Gefolgt von: „Wo gibt es den besten Glühwein?“
Auch weitere touristische Auskünfte würden die Beamten erteilen, Fragen zur Zulassung von Motorrädern beantworten oder bei der Suche nach den Eltern von Kindern helfen, die im Getümmel des Westenhellwegs verloren gegangen sind. Vor Ort scheinen bei den Menschen also eher die Alltagsprobleme präsent zu sein und weniger die allgemeine Sicherheitslage.
„Besondere Gefährdungsrelevanz“
Wie ein Sprecher des Bundeskriminalamts (BKA) dem RND sagte, hätten Weihnachtsmärkte wegen des zu erwartenden hohen Besucheraufkommens, der meist zentralen Lage und offener Zugangsmöglichkeiten aber generell eine „besondere Gefährdungsrelevanz“.
Unter Berufung auf ein internes BKA-Papier schreibt die „Bild“, dass der „Islamische Staat – Provinz Khorasan“ (ISPK) zu Anschlägen aufrufe, konkrete Vorbereitungen auf solche Taten auf Weihnachtsmärkte seien aber nicht bekannt.
Wie das RND berichtet, stufen die deutschen Sicherheitsbehörden die islamistische Terrorgefahr seit dem 7. Oktober 2023 durchgehend als „abstrakt hoch“ ein. Grund für Alarmismus sei das aber nicht, hieße es aus Sicherheitskreisen.
„Nicht so präsent, wie es mal war“
Dass die Sorge vor Terrorakten nicht erst seit dem terroristischen Überfall der Hamas auf Israel eine Rolle spielt, zeigt sich auch an den Betonpollern, die seit mehreren Jahren um den Weihnachtsmarkt aufgestellt sind. Sie sind eine Reaktion auf den Anschlag auf den Weihnachtsmarkt auf dem Berliner Breitscheidplatz im Jahr 2016, als ein islamistischer Attentäter mit einem Lkw in die Menschenmenge fuhr. Er tötete 13 Menschen, zahlreiche weitere wurden verletzt.
„Berlin war ein einschneidendes Erlebnis“, sagte Schaustellersprecher Patrick Arens. Auch nach den Anschlägen in Paris und Nizza habe er viele Diskussionen auf dem Weihnachtsmarkt miterlebt. „Dieses Thema ist seit mehreren Jahren immer da“, sagte Arens. In diesem Jahr sei es ihm aber noch nicht aufgefallen. „Es ist nicht so präsent, wie es mal war.“

Nach dem Anschlag auf einen Weihnachtsmarkt in Straßburg im Jahr 2018 seien bestimmt auch ein paar Leute deshalb dem Markt ferngeblieben, glaubt Arens. In der ersten Woche habe er den Dortmunder Weihnachtsmarkt aber gut besucht erlebt, sagte der Schausteller. Er habe nicht das Gefühl, dass Angst die Personen vor einem Besuch abhalte.
„Ich fühle mich hier total sicher“
Es ist ein Eindruck, der unserer Redaktion so auch bei einer Straßenumfrage auf dem Weihnachtsmarkt gespiegelt worden ist. Allgemein fühlen sich die Besucher und auch die Mitarbeiter, mit denen wir gesprochen haben, an den Ständen wohl und sicher. Mehr Polizeipräsenz und Absperrungen sind nicht jedem aufgefallen. Falls sie aufgefallen sind, dann nicht negativ.
„Ich fühle mich soweit eigentlich ganz sicher. Klar, die Erinnerungen sind da, aber dass ich ein ungutes Gefühl habe, würde ich nicht sagen“, sagte ein Besucher. Ein anderer betonte: „Das allgemeine Wohlgefühl ist eigentlich sehr gut. Wir sind gerade einmal über den Weihnachtsmarkt gelaufen, da sind uns schon Polizisten entgegengekommen. Wir fühlen uns sicher und genießen die Zeit.“ Es ist auch der Tenor bei einem Mitarbeiter: „Ich fühle mich hier total sicher. Ich sehe hier auch ständig, dass die Polizei und das Ordnungsamt unterwegs sind.“
Patrick Arens findet auch, dass man ein bewährtes Sicherheitskonzept habe, das über die Jahre immer wieder nachgebessert worden sei. Die Zusammenarbeit zwischen dem Sicherheitsdienst des Marktes, der Polizei und dem kommunalen Ordnungsdienst seien gut. „Wir haben unsere Mitarbeiter aber auch noch einmal sensibilisiert“, sagte Arens.
Besonderes Augenmerk auch bei Mitarbeitern
Unter anderem hat man dies mit einem Sicherheits-Schulungsvideo getan, das unsere Redaktion einsehen konnte. In einem Online-Test müssen Mitarbeiter des Weihnachtsmarktes verdächtige Situationen identifizieren und bekommen Anstöße, wie sie in solchen Momenten handeln können und wann sie die Polizei hinzurufen sollten.
Ein schlechtes Bauchgefühl bei manchen Situationen solle man nicht einfach ignorieren, heißt es unter anderem. „Bleibt irgendwo etwas stehen, verhält sich jemand auffällig? Dafür versuchen wir unsere Mitarbeiter zu sensibilisieren“, sagt Patrick Arens.
Und auch die Polizei Dortmund bittet um Achtsamkeit und Mithilfe von allen Besucherinnen und Besuchern. Wenn ihnen etwas auffällt, was ihnen komisch vorkommt oder sie beispielsweise einen Diebstahl beobachten, sollen sie sich an Einsatzkräfte vor Ort wenden oder die 110 wählen.
Bei aller Relevanz des Themas ist Polizeipräsident Gregor Lange aber auch ein Appell wichtig: „Die Bevölkerung möchte ich dazu aufrufen, den Weihnachtsmarkt so zu besuchen, wie sie es immer getan haben, in dem Bewusstsein, dass alles für die Sicherheit getan wird, aber auch in dem Bewusstsein, dass es eine hundertprozentige Sicherheit nicht gibt“, sagte Lange.
In einer Pressemitteilung wird er außerdem zitiert: „Halten Sie weiterhin fest zusammen, lassen Sie sich nicht von Hass und Hetze mitreißen. Vor allem, genießen Sie eine ruhige und friedliche Weihnachtszeit.“