
Rettungsdienst wirft Stadt Kungelei mit Rotem Kreuz vor
Privater Rettungsdienst verklagt Stadt Dortmund
Eine private Rettungsdienst-Gesellschaft wirft der Stadt Dortmund „Kungelei“ mit dem Deutschen Roten Kreuz vor und will sich in den Dortmunder Rettungsdienst einklagen. Dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen liegt ein Eilantrag vor. Ärzte und die Feuerwehr sehen private Rettungsdienste kritisch.
Die Reinoldus Rettungsdienst GmbH mit Sitz in einem Einfamilienhaus in der Stehmannstraße in Aplerbeck will mit einem Eilantrag verhindern, dass der Rat der Stadt Dortmund am 17. Mai 2018 den neuen Rettungsdienstbedarfsplan verabschiedet. Eine weitere Klage zielt darauf ab, dass „Reinoldus“ von der Leitstelle der Feuerwehr Aufträge für Patienten-Transporte und Notfall-Einsätze in Scharnhorst, Brackel, Sölderholz und in der Innenstadt erhält. Geschäftsführer Peter Schroeter wirft der Feuerwehr vor, Rettungsdienst-Organisationen wie
- Deutsches Rotes Kreuz
- Malteser Hilfsdienste
- Johanniter Unfallhilfe
- Arbeiter Samariterbund
aus Tradition bevorzugt zu behandeln und seine Konzessions-Anträge nicht zu bearbeiten. Dortmunds Feuerwehr-Chef Dirk Aschenbrenner weist die Vorwürfe zurück und kontert: „Wir haben dem Anwalt der Reinoldus-GmbH ein Gesprächsangebot unterbreitet. Darauf ist Herr Schroeter aber nicht eingegangen. Stattdessen schaltet er jetzt die Medien ein und bemüht ein Gericht.“
Geschäftsführer Peter Schroeter hält dagegen: „Wir haben bereits mehrere Gespräche geführt und sind weiter gesprächsbereit.“ Den Hinweis, dass er nun klagen könne, habe er vom Rechtsamt der Stadt Dortmund bekommen. Er wolle keine „emotionale Schlammschlacht“, sondern erwarte eine „unvoreingenommene Prüfung“ im Sinne des Gesetzgebers. Die Stadt Dortmund habe keine juristischen Spielräume mehr und zeige nun „emotionale Befürchtungen“.
Kungelei-Vorwurf nach DRK-Newsletter
Die Reinoldus-Gmbh stützt ihren Kungelei-Vorwurf auf einen Newsletter der DRK-Kreisverbandes aus dem Dezember 2017. Darin werde „über die Zuweisung von neuen Rettungsmitteln, welche durch das DRK besetzt werden“ geschrieben. „Das war aber keine verbindliche Zusage. Da ist nichts vereinbart worden“, kommentiert der stellvertretende DRK-Kreisgeschäftsführer Fred Weingardt die Passage. Sie sei aber missverständlich. Dort hätte besser „welche durch das DRK besetzt werden sollten“ stehen müssen.

Dirk Aschenbrenner mit dem Rettungsdienstbedarfsplan für Dortmund: „Als Herzblut-Retter und Feuerwehrmann fügt mir das Schmerzen zu.“ Er meint die Arbeit privater Anbieter. © Peter Bandermann
Rettungsdienst offen für Private
Dirk Aschenbrenner erklärte, dass der Dortmunder Rettungsdienst offen für private Anbieter sei. Er sehe jedoch Qualitätsprobleme. „Als Herzblut-Retter und Feuerwehrmann fügt mir das Schmerzen zu“, sagte er. Ihm lägen Hinweise auf Lohndumping bei privaten Rettungsdienst-Betreibern vor. „Irgendwo müssen sie ja Gewinne erwirtschaften. Also sparen sie beim Personal“, meint er. Als Chef der Feuerwehr habe er keinen Einfluss auf Aus- und Fortbildung des privat beschäftigten Personals.
Er könne nur Mindeststandards bei Personal, Technik und Fahrzeugen erwarten. Die Patientenversorgung in Dortmund stelle aber höhere Ansprüche. Ein weiterer Grund für Aschenbrenners Skepsis: „Immer mehr Partner machen das System Rettungsdienst nicht besser, sondern aufwändiger und damit komplizierter.“ Was die Finanzen angeht: Die Rettungswagen der Feuerwehr und der Hilfsorganisationen (DRK etc) dürfen keine Gewinnen abwerfen. Private Anbieter müssen zwingend mit Gewinnen kalkulieren.
Notfallretter müssen viele Kriterien erfüllen
Wer einen Antrag auf Konzessionen in der Notfall-Rettung stellt, muss zahlreiche Kriterien erfüllen. Unter der Überschrift „Zuverlässigkeit“ stehen Standards zu Personal, Aus- und Fortbildung, Hygiene, Desinfektion und Technik, die einzuhalten sind. Wer eine eigene Leitstelle betreibt, muss sogar Rückfallebenen für die Kommunikation vorhalten. Etliche Normen sind zu beachten. Ein weiterer wichtiger Aspekt: Ein privater Anbieter darf per Gesetz die Wirtschaftlichkeit des kommunalen Rettungsdienstes nicht beeinträchtigen. Klare Vorgaben definiert auch das NRW-Rettungsdienstgesetz, das auch für kommunale Rettungsdienste höhere Qualitätskriterien durchgesetzt hat. So ist der Beruf des Notfallsanitäters entstanden.

Dr. Hans Lemke: „Wir können am Einsatzort die Qualitätsunterschiede erkennen.“ © Peter Bandermann
Als Ärztlicher Leiter des Rettungsdienstes sagte Dr. Hans Lemke, dass ein Notarzt am Einsatzort durchaus Qualitätsunterschiede zwischen kommunalen Angestellten, Hilfsorganisationen und Privaten erkennen könne. Das fange beim Auftreten gegenüber Patienten an und höre bei der Übergabe des Patienten in einem Krankenhaus auf. Dazwischen liegen Qualität der Erstversorgung, die Hygiene, die Patienten-Befragung und die Einschätzung einer Verletzung. Dr. Lemke: „Man erkennt sofort, wie gut ein Mitarbeiter für den Rettungsdienst ausgebildet und fortgebildet worden ist.“ Frage an ihn: „Arbeiten die Privaten schlechter?“
Sehr hohe Standards im Rettungsdienst
„Eine schwierige Frage, da will ich mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen“, antwortet der Arzt am Klinikum, und legt nach: „Deutschland hat eins der besten Rettungsdienst-Systeme weltweit. Sehr hohe Standards haben wir auch in Dortmund. Ein privater Anbieter muss sich sehr anstrengen, um da heran zu kommen. Und wir können Private nicht so überwachen, wie wir es gerne hätten, um das Niveau halten zu können.“ Ein Beispiel: Die Firma K&G müsse man bei Problemen über eine zentralisierte Beschwerdestelle bei der Unternehmensgruppe Falck in Hamburg kontaktieren. Dr. Lemke: „Es gibt keinen kurzen Dienstweg.“
K&G bietet Krankentransporte in Dortmund an und ist seit vielen Jahren schon in die Notfallrettung eingebunden. Die Firma mit Sitz in Lütgendortmund gehört zu Falck. Der Rettungs-Dienstleister mit 2500 Mitarbeitern in acht Bundesländern ist in skandinavischen Ländern nahezu flächendeckend im Einsatz und betreibt dort auch Feuerwachen.
Unfallchirurg sieht Qualitätsprobleme bei privaten Betreibern
Konkret wird bei der Kritik an Privaten der Unfallchirurg Dr. Roshan Mamarvar, der in Stellvertreter-Funktion den Notarzt-Standort am Krankenhaus in Kirchlinde leitet: „Die Qualität bei den Privaten ist durchwachsen. Was aber nicht am Verschulden einzelner Mitarbeiter liegt. Mir begegnen immer wieder Qualitätsprobleme. Kollegen berichten von ähnlichen Erfahrungen.
Häufig wechselt auf den Fahrzeugen das Personal, so dass Ortskenntnisse fehlen oder die Mitarbeiter sich in den Fahrzeugen nicht auskennen. Der Notarzt oder sein Rettungsassistent müssen das dann kompensieren.“ Im Alltag sei das möglich. Bei komplizierten Einsätzen jedoch werde „es haarig“. Dr. Mamarvar führt solche Defizite darauf zurück, das Private gewinnorientiert arbeiten und dafür sparen müssten. So habe man auf den Kauf eines modernen EKG-Geräts drängen müssen.
Berufsverband Rettungsdienst warnt vor pauschalen Aussagen
Der Deutsche Berufsverband Rettungsdienst warnt davor, private Anbieter zu verteufeln. Vorstandsvorsitzender Marco K. König: „Man kann nicht pauschal sagen, dass ein Privater besser oder schlechter arbeitet als eine Kommune.“ Auch Hilfsorganisationen seien rechtlich privat organisiert. Zum Dortmunder Fall sagt er: „Wenn die Amtsleitung Sorgen hat, hätte ich die Frage, warum die Kommune den Rettungsdienst dann nicht vollständig übernimmt.“
Diese Entscheidung könne sie treffen. Aber wenn sie den Markt für Hilfsorganisationen wie das DRK öffne, dann bitte auch für private Anbieter. Es sei nicht mehr möglich, aus historischen Gründen nur die Hilfsorganisationen zu berücksichtigen. Marco K. König: „Wettbewerb kann es nur geben, wenn die Qualität auch belohnt wird. Das darf nicht nur über den günstigsten Preis gehen. Und ein zufriedener Mitarbeiter im Rettungsdienst RD definiert sich nicht nur über das Gehalt, sondern auch über Arbeitsbedingungen.“
Stadt riskiert hohe Forderungen
Kritik an seiner Qualifikation lässt Peter Schroeter von der Reinoldus GmbH nicht zu: Als ehemaliger Rettungsdienst-Leiter, ausgebildeter Rettungsdienstmanager und Prüfungsmitglied der Regierung von Schwaben könne er Expertise nachweisen. Seit acht Jahren führe er erfolgreich eine Firmengruppe mit 160 Mitarbeitern und einem Umsatzvolumen von rund acht Millionen Euro.
Die Einschätzung der Stadt Dortmund über seine Qualifikation wundere ihn. Die Behörden-Argumente zu privaten Diensten in Deutschland würden bundesweit einheitlichen Mustern folgen. Statt in die Trickkisten zu greifen, sollten sie sich an die Rechtsvorschriften halten. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen habe sich bereits in der Vergangenheit gegenüber der Stadt Dortmund eindeutig positioniert. Die Stadt riskiere mit ihrem taktischen Verhalten hohe Schadensersatzforderungen.

Die Reinoldus-GmbH hat bereits Fahrzeuge angeschafft und für den Einsatz im Rettungsdienst gestalten lassen. © Privat / Reinoldus GmbH
Eine Befürchtung Dirk Aschenbrenners lautet, dass Private bei finanziellen Problemen eine Insolvenz anmelden müssten und die Feuerwehr dann ad hoc einspringen müsste. Dazu Christoh Lippay: „Es gibt auch DRK-Kreisverbände, die schon Insolvenz anmelden mussten.“ Christoph Lippay sagte, dass Falck seine Dienstleistungen auch in Dortmund ausbauen wolle.
Keine Sorge vor Mängeln
Wie Peter Schroeter verweist auch er auf hohe Hygiene-Standards und andere Kriterien, die für Personal, Einsatztechnik, Arbeitsschutz und Qualitätsmanagement gelten. Dazu Reinoldus-Geschäftsführer Peter Schroeter: „Es gibt de facto keinen Grund dafür, mögliche Qualitätsmängel zu befürchten.“ Er ist bereit, seine Klage zurückzuziehen. Wenn die Stadt Dortmund ihm endlich Konzessionen erteilt.
- Der Rat der Stadt Dortmund soll am 17. Mai 2018 darüber entscheiden, ob der Rettungsdienstbedarfsplan verabschiedet wird. Der Plan berücksichtigt aktuell nur eigenes städtisches Personal, Hilfsdienste sowie K&G, jedoch nicht die Reinoldus-GmbH.
- Die Stadt Dortmund erhöht die Ausgaben für den Rettungsdienst von aktuell 31 Millionen Euro auf 40 Millionen Euro, wenn der Rat den Plan beschließt.
- Ob der Eilantrag an das Verwaltungsgericht dazu führen muss, dass der Rat den Rettungsdienstbedarfsplan von der Tagesordnung nimmt, konnten wir bisher nicht erfahren.
- Die Reinoldus-GmbH will eine Rettungswache am Zinkhüttenweg in der östlichen Innenstadt betreiben.
Jahrgang 1967, geboren in Barop. Aufgewachsen auf einem Sportplatz beim DJK TuS Körne als Torwart. Lebt jetzt im Loh. Fährt gerne Motorrad. Seit 1988 bei den Ruhr Nachrichten. Themen: Polizei, Feuerwehr und alles, was die Großstadt sonst noch so hergibt. Mag multimediales Arbeiten. 2015 ausgezeichnet mit der "Goldenen Viktoria" für Pressefreiheit.
