Menschen, die in Dortmund die Kirche verlassen wollen, brauchen eine Engelsgeduld.

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Warum treten in Dortmund seit Corona weniger Menschen aus der Kirche aus?

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In Dortmund sind bis zur Pandemie jährlich bis zu 4000 Menschen aus der Kirche ausgetreten. Jetzt sind es deutlich weniger. Lehrt Corona wieder das Beten? Es ist ein anderer, ganz profaner Grund.

Dortmund

, 10.05.2021, 04:25 Uhr / Lesedauer: 2 min

Der Mann am anderen Ende der Telefonleitung im Dortmunder Amtsgericht baut schon mal vor: „Nicht erschrecken“, warnt er den Anrufer, der einen Termin haben möchte, um seinen Austritt aus der Kirche zu erklären.

Wer der Kirche den Rücken zukehren will, kommt in Nordrhein-Westfalen nicht am Amtsgericht vorbei. Außerdem braucht er 30 Euro, seinen Personalausweis oder Pass – und in Dortmund viel Geduld. Sehr viel Geduld.

Denn aktuell ist es in Dortmund besonders schwer, einen Termin für den Kirchenaustritt zu bekommen. Doch ohne Termin bleibt man Kirchenmitglied. Der oben erwähnte Anrufer erschrak trotz der Warnung; denn er wurde auf November vertröstet.

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Derzeit seien Termine bereits fürs nächste halbe Jahr vergeben, bestätigte Amtsgerichtssprecher Michael Tebbe auf Anfrage der Redaktion. Und: „Termine mit persönlicher Vorsprache sind in diesem Bereich verfahrensrechtlich leider unabdingbar.“ Der schriftliche Kirchenaustritt funktioniert also nicht.

Enger Flaschenhals

Schuld an dem engen Termin-Flaschenhals ist Corona. „Das Amtsgericht Dortmund vergibt derzeit pandemiebedingt weniger Termine für die Erklärung des Kirchenaustritts, um den Publikumsverkehr im Amtsgerichtsgebäude zu entzerren und die notwendigen Hygienestandards zum Schutz der Rechtsuchenden zu gewährleisten“, erläutert Richter Tebbe. Dazu zähle zum Beispiel ausreichendes Lüften.

Vor der Pandemie habe man Termine im zehnminütigen Rhythmus vergeben, jetzt nur noch alle halbe Stunde, so der Gerichtssprecher.

Vor Corona verzeichnete das Dortmunder Amtsgericht in den Geschäftsjahren bis einschließlich 2019 im Schnitt 3500 bis 4000 Kirchenaustritte jährlich, mit steigender Tendenz. Im Jahr 2020 wurden nur noch 2834 Kirchenaustritte erklärt. Im laufenden Jahr registrierte das Amtsgericht Dortmund bis zum 7. Mai erst 877 Verfahren.

Terminvergabe nur per Telefon

Davon entfällt laut Tebbe rund die Hälfte der Austritte auf die Evangelische Kirche, 45 Prozent auf die Katholische Kirche und fünf Prozent auf andere Konfessionen.

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Andere Amtsgerichte in NRW nutzen für die Terminvergabe ein Online-Buchungsportal. In Dortmund muss man anrufen, da das Portal in seiner jetzigen Form „nicht zu einer Vergabe zeitnäherer Termine führen würde“, sagt der Gerichtssprecher.

Es gibt noch einen anderen Weg, auf den das Gericht auf seiner Homepage hinweist, doch der führt am Ende auch wieder zum Amtsgericht. Austrittswillige können bei einem Notar in öffentlich beglaubigter Form ihren Austritt erklären. Von dort wird dann die Erklärung an das zuständige Amtsgericht weitergeleitet. Das ist allerdings mit Mehrkosten für den Notar verbunden.