
© Ulrich Breulmann
„Göttliches Zeichen“ stoppt Frau beim Kirchenaustritt
Kirchenaustritte
Wer genug hat von der Kirche, kommt an Dennis Fabian nicht vorbei. Der 28-Jährige ist der Dortmunder, bei dem jeder Austrittswillige anklopfen muss. Er erlebt die kuriosesten Geschichten.
Das Büro im Nebengebäude des Amtsgerichts in der Dortmunder Gerichtsstraße teilt sich Dennis Fabian mit einer Kollegin. Es ist klein, helles Holz, zwei Schreibtische, Computer, Drucker, Regale voller Akten, zwei Stühle für Besucher und ein Stapel Merkblätter.
Seit drei Jahren nimmt Dennis Fabian, gelernter Justizfachangestellter, hier die Kirchenaustritte von in Dortmund lebenden Menschen entgegen. 2018 waren es 2746, darunter 1398 evangelische, 1309 katholische und 5 russisch-orthodoxe Christen, 7 Mitglieder der Neuapostolischen Kirche, 24 der jüdischen Kultusgemeinde und drei aus anderen Kirchen. „Die Tendenz ist seit Jahren immer steigend“, sagt Dennis Fabian.
Irrtum sorgt für Andrang
Niemand muss sagen, warum er austreten will. „Viele sagen es trotzdem“, sagt Fabian. „Zu 90 Prozent geben die Leute an, dass sie die Kirchensteuer sparen wollen.“ Und wenn es Berichte über Skandale in der Kirche gebe, etwa den Missbrauch durch Priester, merke er das sofort: „Man kann morgens in der Zeitung ablesen, wieviel am Tag zu tun sein wird. Dann schnellt die Zahl hoch. Im Schnitt sind es 10 bis 15 am Tag, aber wenn ein Missbrauchsskandal auftaucht, sind es auch schon mal bis zu 50.“ Und zwischen Weihnachten und Neujahr ist der Andrang groß: „Viele glauben, dass sie dann noch die Kirchensteuer für das ganze Jahr zurück bekommen, wie bei einer Hochzeit.“ Ein Irrtum, es zählt der Tag des Austritts.
Ein Kirchenaustritt ist für das Gericht keine große Sache. Man legt seinen Personalausweis vor, zahlt 30 Euro Bearbeitungsgebühr, unterschreibt ein Formular, das Dennis Fabian mit seiner Unterschrift bestätigt. Da war’s. Nach wenigen Minuten ist man wieder draußen, aus dem Gericht und aus der Kirche. Den Rest erledigt das Gericht. Es informiert Kirchengemeinde und Einwohnermeldeamt. Das Einwohnermeldeamt leitet die Abmeldung weiter ans Finanzamt, das wiederum den Arbeitgeber informiert. Ab dem Monat, der auf den Austritt folgt, muss man keine Kirchensteuer mehr bezahlen.
Der wichtigste Schein
Und dann schickt das Gericht noch eine Austrittsbestätigung an den Ausgetretenen. Die sollte man tunlichst aufheben, rät Dennis Fabian: „Sonst gibt es Probleme, wenn man später wieder in eine Kirche eintreten möchte. Das geht nicht ohne diese Bescheinigung und wir als Gericht dürfen die Austrittsbescheinigung nur zehn Jahre aufbewahren, danach können wir keine Ersatzbescheinigung mehr ausstellen.“
Mit Menschen, die nach einem Austritt wieder in die Kirche eintreten wollen, hat das Amtsgericht nichts zu tun. Das geht nur bei der Kirchengemeinde. Das hat teilweise kuriose Folgen, erzählt Dennis Fabian: „Es kommt vor, dass jemand zwei Monate nach einem Kirchenaustritt vor uns steht und wieder eintreten möchte, weil er sonst nicht kirchlich heiraten kann.“ Dennis Fabian ist selbst Mitglied einer Kirche. „Noch“, sagt er. Er wolle ja vielleicht kirchlich heiraten.
Zeichen von oben
Ein plötzlicher Sinneswandel komme auch vor. „Es kam eine Frau zu uns, die austreten wollte. Ich hatte das Formular bereits unterschrieben. Als die Frau unterschrieb, bekam sie plötzlich Nasenbluten. Sie stockte und wollte den Austritt sofort wieder rückgängig machen. Sie hatte das Nasenbluten offenbar als Zeichen von oben gedeutet.“ Für das Amtsgericht war die Sache aber schon abgeschlossen, das Formular unterschrieben: „Sie musste zur Kirchengemeinde und dort wieder eintreten.“
Und dann gab es da den jungen Mann, der ebenfalls austreten wollte. „Als ich ihn gefragt habe, welcher Konfession er sei, hat er mich angeguckt wie ein Auto. Der war völlig irritiert, wusste es nicht. Dann hat er seine Mutter angerufen. Das ging zehn Minuten hin und her. Dann sagte er, er wolle aus der jüdischen Kultusgemeinde austreten – und wenn das nicht gehe, aus der russisch-orthodoxen Kirche….“
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Ulrich Breulmann, Jahrgang 1962, ist Diplom-Theologe. Nach seinem Volontariat arbeitete er zunächst sechseinhalb Jahre in der Stadtredaktion Dortmund der Ruhr Nachrichten, bevor er als Redaktionsleiter in verschiedenen Städten des Münsterlandes und in Dortmund eingesetzt war. Seit Dezember 2019 ist er als Investigativ-Reporter im Einsatz.
